9. Hindenburgstraße, Landtag des Saarlandes: „Willi-Graf-Saal“

Seit dem 4. Februar 2022 ist „der größte Sitzungssaal“ im Landtag des Saarlandes nach Willi Graf benannt. Es handelt sich nicht um den Plenarsaal, sondern um Saal 5, in dem meist die Ausschüsse zusammenkommen. Die Damen und Herren Abgeordneten müssen also nicht jedes Mal an der Gedenktafel mit dem Namen Willi Grafs vorbei, wenn sie zur Debatte und zur Abstimmung schreiten.

Die Initiative zur Benennung des Saales geht auf den Landtagspräsidenten Stefan Toscani und das Erweiterte Präsidium des Landtags zurück. Am Akt der Namensgebung nahmen auch Joachim Baez, – Willi Grafs Neffe, ein Sohn seiner Schwester Mathilde, – und die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, Dr. Hildegard Kronawitter, teil.

Neben der Eingangstür sind zwei Acryltafeln angebracht. Die obere zeigt schemenhaft eines der bekanntesten Porträtfotos von Willi Graf aus dem Jahre 1940, darin eingepasst die Inschrift „Willi-Graf-Saal“.

Die untere Tafel trägt in weißer Schrift auf rotem Grund einen erläuternden Text mit diesem Wortlaut:
Im Sommer 1942 formiert sich in München die Widerstandsgruppe ‚Die Weiße Rose‘. Sie stellt sich gegen den von Adolf Hitler entfesselten Krieg und gegen den Terror des Nationalsozialismus. Der Saarbrücker Willi Graf gehörte neben Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst sowie Universitätsprofessor Kurt Huber zum inneren Kreis der Weißen Rose. Mit Flugblättern rufen sie zum Widerstand auf. 1943 werden sie verhaftet und hingerichtet. In Erinnerung an Willi Graf, der für seine Überzeugung mit seinem Leben bezahlt hat, wird dieser Saal nach ihm benannt und seinem ehrenden Andenken gewidmet.
‚Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung.‘
Willi Graf.

Wie Willi Graf sich zu den politischen Herausforderungen in Deutschland, Europa und der Welt des Jahres 2022 stellen würde, 80 Jahre, nachdem er zur „Weißen Rose“ gestoßen war, und 79 Jahre nach seiner Hinrichtung, wissen wir nicht. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen 24-jährigen Medizinstudenten mit christlich-konservativer Einstellung, der in einem verbrecherischen Vernichtungskrieg  seinem von einem verbrecherischen Regime regierten „Vaterland“ den Gehorsam verweigerte. In der Hoffnung, dass seine Mitmenschen und Landsleute sich anschließen und durch Sturz der Nazi-Herrschaft zur Errichtung eines freiheitlichen, demokratischen und sozialen Deutschland beitragen würden. Die sich die Aufrufe in den Flugblättern der Weißen Rose zu Eigen machten, waren jedoch in der Minderheit. Die Mehrheit sah in diesen Münchener Studenten Hochverräter, die selbst Schuld waren, dass sie verhaftet und hingerichtet wurden.

Nun ehrt das Präsidium eines Landesparlamentes der Bundesrepublik Deutschland das Andenken Willi Grafs und der Weißen Rose durch die Benennung eines Saales. Wie ist das anders zu verstehen, denn als Akt der Selbst-Verpflichtung aller, die in diesem hohen Hause und von diesem Hause aus Landespolitik betreiben.

Nach Informationen auf www.landtag-saar.de