Regionalverband Saarbrücken

Der Regionalverband Saarbrücken ist ein kommunales Gebilde eigener Art. Letztlich ist er hervorgegangen aus dem Landkreis Saarbrücken, der 1816 entstand, als Preußen seine Provinzen neu ordnete. 1974 wurde der Stadtverband Saarbrücken aus der Vereinigung des Landkreises Saarbrücken mit der ehemals kreisfreien Landeshauptstadt Saarbrücken gebildet. Aus dem Stadtverband wurde 2008 der Regionalverband mit erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten der Kommunen; das Verhältnis ist nicht konfliktfrei.

Der Regionalverband Saarbrücken und seine zehn Städte und Gemeinden sind der wirtschaftliche Ballungsraum des Saarlandes, in dem ein Drittel der Saarländerinnen und Saarländern lebt und etwa die Hälfte aller Bewohnerinnen und Bewohner des Landes arbeitet. In einem Gebiet von 411 km² wohnen über 330.000 Menschen. Damit zählt er zu den am dichtesten besiedelten Räumen in Deutschland.

Der Regionalverband liegt im Südwesten des Saarlandes, an der mittleren Saar, und grenzt unmittelbar an Lothringen. Das machte das Gebiet zu einer gefährlichen Reibungsfläche bei kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich. Heute genießen die Menschen im Regionalverband die Vorzüge der Grenzlage, Tagestouristen, Konsumenten, Arbeitnehmer, Geschäftsleute pendeln täglich hinüber und herüber, es bestehen auch politische und Verwaltungskontakte.

Nach dem Ersten Pariser Frieden von 1814 kam das Saarbrücker Land erst mit Verzögerung zu Preußen. Es war zunächst bei Frankreich geblieben. 1815 übermittelten Bürger von Saarbrücken und St. Johann den Wunsch nach Berlin, eine Vereinigung mit Deutschland zu betreiben, was im gleichen Jahr beim Zweiten Frieden von Paris dann so geregelt wurde. Danach gehörte das Gebiet rund 100 Jahre zu Preußen. Im Unterschied zu anderen deutschen Regionen wurden leitende Positionen auch mit Einheimischen oder zumindest mit Rheinländern besetzt, die preußischen Beamten traten hier weniger arrogant auf und förderten durch zahlreiche Heiraten mit Honoratiorentöchtern die Integration. Die überwiegend protestantische Bevölkerung des ehemaligen Fürstentums Saarbrücken-Nassau stand den neuen Herren ihrerseits freundlich gegenüber.

Verwaltung im Schloss

Die Verwaltung des Regionalverbandes residiert in Saarbrücken, das den Regionalverband, gelegentlich zum Verdruss der übrigen Gemeinden, absolut dominiert, politisch, wirtschaftlich und kulturell. Sitz des von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählten Regionalverbandsdirektors und zahlreicher Ämter ist das Schloss, das ab 1920 dem Landkreis gehörte. Seit seiner allgemein als gelungen betrachteten Renovierung in den 1980er Jahren versteht es sich als Bürgerschloss und ist zum Wahrzeichen der Stadt und des Regionalverbandes geworden. Rings ums Schloss tritt der Regionalverband als reger Kulturveranstalter auf mit Angeboten aus den Bereichen Musik („Sonntags ans Schloss“), Straßentheater („Sommerszene“), Kindertheater, Kleinkunst und Comedy. Er ist Träger der kommunalen Volkshochschule und gemeinsam mit dem Land des Historischen Museums Saar. Der Kulturpreis des Regionalverbandes wird im jährlichen Wechsel in den Bereichen Kunst und Musik vergeben. Jedes Jahr im Mai ist das Saarbrücker Schloss Schauplatz der Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse mit zahlreichen Lesungen und Ausstellungen von internationalen Buchillustrationen. Weitere Aktivitäten im Bereich Literatur überlässt der Regionalverband den einzelnen Gemeinden.
Neben Saarbrücken gehören zum Regionalverband die Städte Friedrichsthal, Püttlingen, Sulzbach und Völklingen sowie die Gemeinden Großrosseln, Heusweiler, Kleinblittersdorf, Quierschied und Riegelsberg.

Saarbrücken unschlagbar

Kultur im Regionalverband – das ist vor allem Kultur in der Stadt Saarbrücken. Mit ihren großen Institutionen und Events ist die Landeshauptstadt einfach unschlagbar. Hier befinden sich – auch wenn die Stadt meist gar nicht Träger dieser Einrichtungen ist – die großen Museen für Kunst (das Saarlandmuseum, nach umstrittener Erweiterung im November 2017 wiedereröffnet, mit seinen beachtlichen Beständen an Malerei der Berliner Secession, des deutschen Expressionismus sowie die Kunst der École de Paris und des Informel) und Geschichte (das Museum für Vor- und Frühgeschichte, das alle lokalen Funde an sich zieht, und das Historisches Museum Saar mit seiner Dokumentation von Ausschnitten der regionalen Geschichte). Ein kleines, feines Museum findet sich außerhalb Saarbrückens, in Köllerbach: das Saarländische Uhrenmuseum.

Saarbrücken verfügt über ein Theater mit drei Sparten, dessen Niveau das der Bühnen vieler vergleichbarer deutscher Städte überragt. Festivals wie der Max-Ophüls-Wettbewerb für den deutschsprachigen Nachwuchsfilm oder das deutsch-französische Festival „Perspectives“ gehören zu den so genannten weichen Faktoren, die Saarbrücken für Kulturinteressierte attraktiv machen. Außerdem ist Saarbrücken Sitz einer Landesrundfunkanstalt, einer Universität, einer Kunsthochschule, einer Musikhochschule, einer Hochschule für Technik und Wirtschaft.
Gern wird in Saarbrücken die deutsch-französische Karte ausgespielt. Dazu zählen die Einrichtung eines Deutsch-Französischen Gartens, das oben genannte „Perspectives“-Festival, die eher virtuelle Deutsch-Französische Hochschule (Verwaltungssitz), aber auch kleine Dinge wie die deutsch-französische Beschilderung in Ausstellungen. Auch anderswo im Regionalverband wird die Grenzlage längst nicht mehr als Bürde empfunden, ein Bauwerk wie die „Freundschaftsbrücke“ über die Saar in Kleinblittersdorf zeugt davon.

An architektonischen Glanzlichtern ist die Region arm. An mittelalterlichen Bauwerken sind zu nennen die Deutschherrenkapelle als das älteste erhaltene Gebäude von Saarbrücken oder die freilich arg rudimentäre Burg Bucherbach in Köllerbach. Überbleibsel der Saarbrücker Renaissance-Burg sind unterirdisch zu besichtigen.

Ohne die Fürstenzeit im 18. Jahrhundert stünde Saarbrücken, stünde der Regionalverband architektonisch noch ärmer da. Der Fürst Wilhelm-Heinrich und sein Sohn Ludwig hatten glücklicherweise den Ehrgeiz, sich in Gebäuden und in der städtischen Anlage Denkmäler zu setzen und konnten dabei in Friedrich Joachim Stengel auf einen genialen Baumeister setzen. Die Stengel’sche Ludwigskirche, um nur sie zu nennen, ist bis heute neben dem Schloss das bauliche Wahrzeichen der Landeshauptstadt.

Industriekultur

Als kulturelles Handicap wird immer wieder die ursprünglich bäuerlich-proletarische Prägung der Region genannt, das Fehlen einer breiteren bildungsbürgerlichen Schicht als Träger einer „höheren“ Kultur. Dafür wird aber einiges an Industriekultur geboten – wenn auch nicht so konsequent vermarktet, wie von der Landesregierung noch um die Jahrtausendwende geplant. Fred Oberhausers DuMont-Band übers Saarland erregte bei seinem Erscheinen 1992 Aufsehen, weil in diesem „Kunst(!)-Reiseführer“ der Industriekultur besonderes Augenmerk gewidmet wurde. Der Autor konnte dabei aus dem Vollen schöpfen, von Werkssiedlungen bis zu nahezu komplett erhaltenen Werksanlagen.

Spektakulär ist die Alte Völklinger Hütte, die von der Unesco auf der Liste der Weltkulturerbestätten geführt wird. Dies ist das einzige Monument im Regionalverband, das durch seine Größe, seine Bedeutung und seine Ausstrahlung alle Saarbrücker Einrichtungen und Veranstaltungen in den Schatten stellt. Als die Anlage, nach Stillsetzung der Roheisenphase, 1986 von der Landesregierung unter Denkmalschutz gestellt wurde, markierte das den Beginn einer Wertschätzung der industriegeschichtlichen Monumente. Die Alte Völklinger Hütte als Industriedenkmal und als Ausstellungsort ist heute der größte Publikumsmagnet im Lande.

Auch ehemalige Kohlegruben öffnen sich den Besuchern. „Bergbau zum Anfassen“ wird im „Erlebnisbergwerk Velsen“ im Saarbrücker Stadtteil Klarenthal geboten. In Göttelborn, Gemeinde Quierschied, ist ein wie neu aussehendes Fördergerüst als Investitionsruine zu besichtigen. In den 1990er Jahren mit riesigem Aufwand (400 Millionen DM) errichtet, hatte es schon wenige Jahre später ausgedient, als die Grube stillgelegt wurde. Heute sollen im „Zukunftsort“ Göttelborn statt Kohle Wissen, Ideen und Kreativität gefördert werden.

Bei dem gerade im Regionalverband stark von der Industrie geprägten Image werden oft die landschaftlichen Reize übersehen. Die Gemeinden sind meist von großen Waldgebieten umgeben, der Warndt, ein ausgedehntes Waldgebiet von rund 5.000 ha links der Saar, reicht über die Grenze nach Frankreich. Aber Natur pur gibt es natürlich nicht mehr – ein Name wie „Saarkohlenwald“ (zwischen Saarbrücken und Neunkirchen) spricht Bände.

Hiesige und durchreisende Schriftsteller

Was die Literatur betrifft: Saarbrücken ist auch hier die Hauptstadt, zumindest was den Literaturbetrieb angeht. Allerdings kommen von den bedeutendsten Schriftstellern des Landes nur wenige aus dem Gebiet des Regionalverbands, etwa der Sulzbacher Ludwig Harig. Einmal aber wurde in Saarbrücken wahrhaft Literaturgeschichte geschrieben, auch wenn es schon lange her ist: Die ersten deutschen Prosaromane stammen von der Saarbrücker Schlossherrin Elisabeth von Lothringen (13. Jahrhundert).

In der allgemein als Blütezeit der Stadt angesehenen Epoche der Fürsten fristete die Literatur eher ein Schattendasein. Aber eine der Personen von damals hat in Sage und Literatur und im Gedächtnis der Menschen überlebt: Katharina Kest mit ihrem sagenhaften Aufstieg vom „Gänsegretel von Fechingen“ zur Reichsgräfin und Gattin des Fürsten.
Solange es noch kein Fernsehen gab und keinen Massentourismus und Reisebeschreibungen noch hohen Reiz besaßen, gelangte Saarbrücken immer wieder zu literarischen Ehren. Gern wird hier Goethe zitiert, der als Straßburger Student, noch ohne „von“ im Namen und gänzlich unbekannt, nach Saarbrücken kam und hier Erfahrungen machte, die er als alter Mann in „Dichtung und Wahrheit“ keineswegs herunterspielt. A propos Memoiren: Der aus Saarbrücken stammende Filmregisseur Max Ophüls würdigt in seinen Erinnerungen die Bedeutung des Saarbrücker Stadttheaters für seine künstlerische Entwicklung.

Man kann nun aufzählen, wer an literarischer Prominenz noch alles, aus unterschiedlichsten Anlässen, hier aufschlug: Adolph Knigge etwa, der das Schloss und seine Bewohner sehr rühmte; später Theodor Fontane (ziemlich kritisch), Hermann Hesse (bei verunglückter Autorenlesung), Alfred Döblin (endlich wieder eine Großstadt!) oder Louis Aragon (mit Loblied auf ein zwielichtiges Etablissement).

Manchmal waren es die Kriege, die die Autoren hierher verschlugen, manchmal andere politische Großereignisse. Die Saarabstimmung von 1935 fand internationale Beachtung, weil es möglich gewesen wäre, Hitler zwei Jahre nach der Machtergreifung im Reich einen Denkzettel zu verpassen. Das rief viele bekannte Autoren auf den Plan, Bertolt Brecht etwa oder Ilja Ehrenburg. Die zweite Saarabstimmung von 1955 fand dann, obwohl politisch auch nicht unwichtig, nicht mehr das große Interesse, immerhin interessierte sich ein Schriftsteller wie Wolfgang Koeppen, auf der Durchreise nach Frankreich, für die Folgen (Saarbrücken als „Stadt der Zukunft“).

Massenerfolg mit Millionenauflage hatten nur zwei Autoren: Zu Anfang des 20. Jahrhunderts Liesbet Dill aus Dudweiler mit ihren Frauen- und Gesellschaftsromanen, die nicht durchweg trivial sind. Und in den 1950er Jahren der Journalist Heinz Helfgen, der von Völklingen aus, wo die Schlote noch qualmten, mit dem Fahrrad in die weite Welt aufgebrochen ist.
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besitzt Saarbrücken zwei Magnete, die interessante Leute, darunter viele Schriftsteller, hierher ziehen: den Rundfunk und die Universität, beide dem Land trotz seiner geringen Größe zugefallen aufgrund seines politischen Sonderweges. Alles, was im deutschsprachigen Raum Rang und Namen hat oder einmal bekommen sollte, wurde von den Literaturredakteuren oder von den Hörspielleuten nach Saarbrücken geholt, so dass es sinnlos wäre, hier einzelne zu nennen. Und von den Autoren, die der Universität wegen, zwar länger als für eine Rundfunkaufnahme, aber meist auch nicht für immer, hierherkamen, seien nur Franz-Josef Degenhardt (mit entsprechendem Niederschlag in Liedern) und der Lyriker und neuerdings Erzähler Dirk von Petersdorff erwähnt.

In Saarbrücken kann man Literatur übrigens auch im öffentlichen Raum sehen: Auf dem Gelände des Saarlandmuseums steht eine fast 10 Meter hohe Säule aus schwarzem Granit von Leo Kornbrust, in die ein Text der Lyrikerin Felicitas Frischmuth eingeritzt ist.

Aus Bildstock (Friedrichsthal) stammt der Schriftsteller Manfred Römbell, er hat seinem Geburtsort im ersten Band seiner „Rotstraßen“-Romantrilogie Jugenderinnerungen gewidmet und damit innersaarländisch Furore gemacht. Nach innen wie nach außen wirkt Ludwig Harig, der seinem Geburtsort (fast) ein Leben lang treu geblieben ist, sich immer wieder als Sulzbacher bekannt, einen guten Teil seines literarischen Stoffs von hier bezogen und das Bild vom Saarland mitgeprägt hat.