Astrid Böhringer

geb. 27. Juli 1960 in St. Ingbert

Begeistert vom klangvollen iberischen Spanisch und von den vielen Facetten spanischsprachiger Literaturen, findet Astrid Böhringer zwei Wege, diese Liebe zu vermitteln: als Dozentin am Romanistischen Institut der Uni des Saarlandes und als Übersetzerin sowohl lateinamerikanischer als auch iberischer Texte.

Geboren 1960 (als Astrid Schmitt) in Sankt Ingbert, besucht sie das katholische Albertus-Magnus-Gymnasium (in der Trägerschaft der gemeinnützigen St. Dominikus Schulen GmbH) und immatrikuliert sich nach dem Abitur an der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Fachbereich Romanistik (Hauptfach Spanische Philologie, Nebenfächer Italienische Philologie und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft). Das starke Interesse an der spanischen Sprache, vorzugsweise dem iberischen Spanisch, führt Astrid Böhringer auf ihre Sozialisation zurück; ihre Eltern unternahmen regelmäßige Reisen auf die iberische Halbinsel, bei denen sie sie begleitete. „Bei frühen Aufenthalten in Spanien knüpfte ich persönliche Kontakte, aus denen freundschaftliche Beziehungen wurden. So kam es, dass ich die Sprache schon sehr bald fließend beherrschte.“ (Böhringer, 2021).

Während des Studiums lernt sie ihren späteren Mann, Wilfried Böhringer, kennen, der zunächst mit befristeten Lehraufträgen, ab 1980 dann als festangestellter Dozent im akademischen Mittelbau des Romanistischen Instituts arbeitet. Im August 1997 kommt Wilfried Böhringer bei einem Unfall in Kanada ums Leben. Zum Sommersemester 1999 wird Wilfried Böhringers Stelle wieder ausgeschrieben; die Wahl fällt auf Astrid Böhringer. Seitdem ist sie hauptberuflich als Dozentin für spanischsprachige Literatur und Sprachpraxis an der Uni Saarbrücken tätig.

Ihre erste umfangreiche literarische Übersetzung aus dem Spanischen legt Astrid Böhringer schon 1983 vor. „Der Freund des Todes“ (Edition Weitbrecht) ist ein Schauerroman von Pedro Antonio de Alarcon (1833–1891), einem der bedeutendsten spanischen Autoren des 19. Jahrhunderts.

Drei Jahre später ergibt sich erstmals die Gelegenheit einer übersetzerischen Zusammenarbeit mit Wilfried Böhringer. Gemeinsam übertragen sie Fernando Arrabals 1983 entstandenen Roman „Hohe Türme trifft der Blitz“, ein komplexes Prosawerk, das „zugleich ein Politkrimi und ein biographisches Doppelporträt“ ist (HEIDI, Bibliothekskatalog der Uni Heidelberg).

Ebenfalls 1986 übersetzt sie zusammen mit Wilfried Böhringer, Hans-Otto Dill und Erna Stoldt insgesamt acht der „Geschichten von Liebe, Irrsinn und Tod“ des uruguayischen Autors Horacio Quiroga (1878–1937) für den Suhrkamp Verlag.

Weitere Co-Produktionen unter (Ehe-)Partnern bieten sich aus ganz pragmatischen Gründen nicht an. Geteilte Arbeit bedeutet nämlich doppelte Arbeit – bei gleichem, niedrigem Honorar. Auch wenn Astrid Böhringer im Rückblick die Arbeit mit Verlagen wie Suhrkamp, Piper oder Kiepenheuer und deren Lektoren positiv beurteilt, hätten die gezahlten Honorare Gemeinschaftsproduktionen als finanziell ruinöse Unternehmen erscheinen lassen.

Bedauerlich findet Böhringer auch, dass bei den Verlagen weder ihre Vorschläge, noch die ihres Mannes im Hinblick auf Entwicklungen und neue, spannende Autoren in den spanischsprachigen Literaturen auf großes Interesse stießen. Mit dem Hinweis auf vermeintliche Inkompatibilität mit den Verlagsprogrammen wurden Wünsche und Vorschläge abgelehnt; es blieb bei Auftragsarbeiten.

2001 plant die Hamburger Edition eine deutsche Ausgabe der Autobiografie von Luz Arce. Die 1948 in Santiago, Chile geborene Arce hat einem bemerkenswerten Lebenslauf. Sie war Sportlehrerin, studierte dann Theologie, gehörte zur Leibwache von Präsident Salvador Allende und ging 1973, nach Allendes Ermordung und Pinochets Machtergreifung, in den Untergrund; sie wurde verhaftet, von der Folter gebrochen, arbeitete zwangsweise für den chilenischen Geheimdienst und ging schließlich mit ihrem Wissen über das Regime an die Öffentlichkeit.

Astrid Böhringer hat durch ihre Arbeit in einem Chile-Solidaritätskomitee Erfahrungen mit den Verhältnissen in dem lateinamerikanischen Land gesammelt. Sie bekommt den Auftrag, Arces Buch „Die Hölle. Eine Frau im chilenischen Geheimdienst“ zu übersetzen. Nach Erscheinen des Buchs begleitet sie die Autorin auf einer Lesereise durch Deutschland.

2003 überträgt Astrid Böhringer für den Piper-Verlag den Roman „Die Dolmetscherin“ des kubanischen Autors Jesus Diaz (1941–2002). In den 1980er und 90er Jahren hatte Wilfried Böhringer bereits drei Prosawerke dieses bedeutenden Vertreters der kubanischen Gegenwartsliteratur für den deutschen Verlag übersetzt. Seither hatten die Böhringers engen persönlichen Kontakt zu dem im Exil lebenden Autor. Diaz wurde sowohl für seine Romane als auch für Drehbücher ausgezeichnet. Er unterrichtete an der Filmhochschule in Berlin und lebte später in Madrid, wo er auch die Zeitschrift „Encuentro“ herausgab. „Die Dolmetscherin“ erzählt von der tragischen Liebe eines kubanischen Journalisten zu seiner russischen Dolmetscherin während einer Reise entlang der im Bau befindlichen Baikal-Amur-Magistrale.

2004 erscheint im Suhrkamp-Verlag Böhringers Übersetzung von Gesprächen, die die argentinische Autorin und Literaturwissenschaftlerin Celia Correas de Zapata 1998 mit Isabel Allende geführt hat: „Mein Leben, meine Geister“. Im gleichen Zeitraum, zwischen 2000 und 2008, ist Astrid Böhringer an der deutschen Übersetzung von drei Bänden der journalistischen Arbeiten von Gabriel Garcia Marquez beteiligt. An diesem Projekt des Verlags Kiepenheuer & Witsch arbeitet auch Svenja Becker mit, die ebenfalls in Saarbrücken studiert hat (Einzelheiten in der Liste der Publikationen).

Ihre (vorerst) letzte Übersetzung legt Astrid Böhringer 2011 vor. Es ist ein Reisebuch des Spaniers Julio Llamazares, „Rosen aus Stein – Spanische Kathedralen von Santiago bis Segovia“ (Hanser Verlag). Der Journalist und Schriftsteller Llamazares, Jahrgang 1955, beschreibt darin die Eleganz und Pracht spanischer Gotteshäuser nicht aus der Perspektive des Architekturkritikers, sondern ganz subjektiv, als interessierter Laie. In der spanischen Gegenwartsliteratur gehört Llamazares zu den wenigen Autoren, die den Blick nicht nur auf die urbanen Zentren richten, sondern sich mit dem Wandel der ländlichen und peripheren Regionen seines Landes beschäftigen. Zwei frühe Romane des Autors wurden bereits Anfang der 1990er Jahre von Wilfried Böhringer ins Deutsche übertragen (siehe Eintrag Wilfried Böhringer).

Astrid Böhringer hat iberische wie lateinamerikanische Autoren und Autorinnen übersetzt. Sie hat die unterschiedlichen Kulturkreise auf vielen Reisen kennen und verstehen gelernt und kann für den deutschen Leser deshalb, wie sie selbst sagt, die „Rolle der Vermittlerin“ übernehmen. Ihre Übersetzungen wollen „kulturelle Systeme, Spezifika, Wertigkeiten verstehbar und nachvollziehbar machen.“
pmk