Béla Bayer

geb. 17. Mai 1951 in Waroli/Váralja in Südungarn, lebt in Homburg/Saar

Bayer, Béla

Ein ungarndeutscher Schriftsteller im Saarland

Die Familie hat deutsche, väterlicherseits saarländische Wurzeln, der U-Ur-Ur-Großvater des Autors war Schulmeister in Saarbrücken. Studium an der Hochschule für Lehrerbildung in Kaposvár, anschließend Studium der ungarischen Sprache und Literatur an der Janus Pannonius Universität in Fünfkirchen/Pécs. Unterrichtet Deutsch, zuerst an einer Grundschule, dann am Gymnasium. Das Bekenntnis zur deutschen Sprache ist für ihn ein Akt der Opposition gegen das kommunistische Regime. 1998 Übersiedlung nach Deutschland, seine Frau ist Deutsche, das Paar lebt in Homburg.

Er selbst beschreibt seine Herkunft poetisch-verschlüsselt: „Der erste Beweis meines Daseins wurde auf dem hinteren Deckblatt unserer Familienbibel niedergeschrieben. Es geschah zu Füßen des Mecsek-Gebirges in Südungarn, und man schrieb das Jahr 1951. Der malerische Himmel meiner Kindheit spannte sich über das winzige Dorf Waroli, hinter den sieben Bergen, ’wo Klatschmohn entflammt und Geheimnisse gedeihen’.”

Béla Bayer beginnt 1968 zu schreiben, er ist als Autor sehr produktiv, in Ungarn hat er 20 Bücher veröffentlicht, war Mitglied des ungarischen Schriftstellerverbandes. Bis 2019 sind von Béla Bayer zwölf deutschsprachige Bücher erschienen.

Die Texte des Prosabandes „Faltenloses Land“ (2016) spielen überwiegend in Ungarn, zum Teil aber auch in Deutschland. Autobiographische Züge scheinen unübersehbar. Die Ungarn-Geschichten spielen in der Nachkriegszeit. Die Einbestellung auf die Behörde bedeutet meist nichts Gutes; die Kommunisten sind Hohlköpfe und Sadisten. Ungarndeutsche sind Opfer von Zwang, Verschleppung, Abschiebung, Gefängnis. Trotz des tragischen zeitgeschichtlichen Hintergrunds lesen die Texte sich wie Legenden, haben märchenhafte Züge. Die Menschen schlagen den Machthabern ein Schnippchen oder passen sich mit philosophischer Gelassenheit den Verhältnissen an. Manchen hilft ihr Glaube, sie lieben das Leben auf dem Land: „die Gegend, die mit ihrer südlichen Heiterkeit ein Gefühl von gelassener Lebensfreude vermittelte, war im selben Atemzug durchdrungen von Melancholie, als ob alles Wichtige und Tiefe in einer früheren, unwiederbringlichen Zeit stattgefunden hätte.“

Die neue Heimat in Deutschland (im „Wundergarten“ des „Softkapitalismus“) wird zwiespältig erlebt. Einer sagt: „Das Sympathischste am Saarland ist, dass es nur einen Katzensprung von Paris entfernt ist. Der Einfluss Berlins verliert seine Kraft, bevor sie hier ankommen könnte. Die Einheimischen sind wesentlich gelassener als der Rest der Nation.“

Über einen ungarischen Schriftsteller, der in seiner neuen Heimat Deutschland erfolglos bleibt, heißt es: „Er schrieb über eine verlorene Welt, die mit der Wende verschwunden war. Später schöpfte er Kraft aus Geschehnissen, die hier in der Gegend stattgefunden hatten und von ihm zu Papier gebracht worden waren. Aber auch diese wurden vom Publikum nicht angenommen. Die Schwerpunkte der hiesigen Mentalität lagen irgendwo anders. Nach schlaflosen Nächten, endlosen Diskussionen und Argumentationen seiner Frau besänftigte sich die Lage, aber im tiefsten Inneren blieb er immer seinen Wurzeln, die ihn ein Leben lang geprägt hatten, treu.“

Trotz Heimweh gibt es kein Zurück mehr, die alte Heimat Ungarn ist nicht mehr, wie er sie in Erinnerung hat, alles hat sich verändert. Eine Frau sagt: „Dort wäre ich sowieso nur eine Fremde, dann bleibe ich lieber hier eine Zugezogene.“ Diesem Gefühl gibt auch das einzige in dem Band veröffentlichte Gedicht Ausdruck.  → Zitat

Neben Kurzprosa- und Gedichtbänden veröffentlicht Béla Bayer 2002 auch einen Roman. In „Dort drüben“ sind die Hauptpersonen die Kunststudentin Carol, Tochter einer in England verheirateten Ungarndeutschen, und der Budapester Student Martin, der ein Buch über seinen Großvater schreibt (dessen Frau Wurzeln im Saarland hat). Die beiden lernen einander während eines Studienaufenthaltes in Rom kennen und verlieben sich ineinander. Zurück in ihren Heimatländern, muss Martin die Hochschule verlassen, weil er Bürgerrechtler ist und die Charta 77 unterschrieben hat. Als in Ungarn die Liberalisierung einsetzt, könnte er ausreisen, aber er will jetzt nicht mehr nach London zu Carol, das Paar hat sich auseinanderentwickelt. Sie leben in unterschiedlichen Welten, sie ist eine berühmte Malerin und Kosmopolitin, er ist Historiker und Schriftsteller, und er hängt an seiner Heimat und dem Leben auf dem Land. (RP)