Dominik Bollow
geb. 24. Febr. 1984 in Saarbrücken
Dominik Bollow ist Autor eines Romans, der die Auswanderung einer saarländischen Familie nach Marokko erzählt.
Der Vater des Autors war Maschinenbauingenieur auf der Grube in Dorf im Warndt, die Mutter war Kindergärtnerin, Friseurin und später im Einzelhandel tätig. Dominik Bollow wächst in Püttlingen auf. Nach dem Abitur in Völklingen geht er zunächst nach London, studiert dann in Berlin Kommunikationswissenschaft und arbeitet danach, teils freiberuflich, teils als Angestellter, hauptsächlich als Übersetzer und Redakteur.
2020 veröffentlicht er ein Kinderbuch. Die Marokko-Geschichte „Die Launen der Ziege“, 2024 im saarländischen Conte-Verlag erschienen, ist Bollows erster Roman.
Als Ich-Erzähler hat der Romanautor sich in die Rolle von Robert versetzt, der zu Beginn der Handlung neun Jahre alt ist. Nach der zweiten Saar-Abstimmung, bei der die Saarländer sich 1955 mit überwältigender Mehrheit gegen den Status quo und damit faktisch für den Anschluss an die Bundesrepublik entscheiden, siedelt die Familie nach Marokko über. Dort hat man dem Vater, der im Kohlebergbau arbeitet, eine lukrative Stelle in einer Zinkmine angeboten.
Die viereinhalbtägige Fahrt mit der Familienlimousine durch Frankreich und Spanien, mit dem Schiff nach Nordafrika und von dort aus die Weiterfahrt nach Marokko wird ausführlich beschrieben (bis Seite 71 von 253). Die Familie wohnt im Ausländerviertel von Bou Beker in Marokko, die Mine befindet sich jenseits der nahen Grenze zu Algerien, wo seit Ende 1954 für die Unabhängigkeit von Frankreich gekämpft wird. Der Vater geht mehr und mehr in seinem Beruf auf, die Mutter entwickelt gewisse Absonderlichkeiten. Sie widmet ihre Aufmerksamkeit einer kranken Ziege, die dem Buch den Titel gegeben hat, und legt sich in der Folge eine bunte Schar weiterer Tiere zu.
Der Junge entwickelt ein Vertrauensverhältnis zur einheimischen „Bonne“, die der Mutter im Haushalt hilft, er besucht die französische Schule, durchstreift mit Freunden die Gegend, verliebt sich in die Tochter des merkwürdigen Apothekers, dessen Schicksal zu einem dramatischen Höhepunkt im ansonsten unspektakulären Leben der Zuwanderer führt. Als Algerien 1962 die Unabhängigkeit erkämpft hat und die Zukunft der Zinkmine ungewiss ist, entschließt der Vater sich zur Rückkehr ins Saarland. Damit endet die Geschichte.
Der Blick auf Marokko, den das Buch liefert, findet naturgemäß seine Begrenzung durch die Perspektive des jugendlichen Ich-Erzählers. Der Roman versteht sich ohnehin nicht als Beitrag zur Landeskunde oder politischen Geschichte, sondern als eine Coming-of-Age-Story vor zeitgeschichtlichem Hintergrund. Der Junge kann am Ende von sich sagen: „Ich war ein anderer Robert geworden“, er hat das Gefühl, „endlich gewappnet zu sein für das Leben“.
Die Story ist angelehnt an die Familiengeschichte des Autors. Robert entspräche demnach dem Vater des Romanautors. Er hat sich aber die Freiheit genommen, äußere Fakten zu verändern und innere Vorgänge aus seiner Phantasie, vielleicht auch aus dem eigenen Erleben heraus zu gestalten.
Nachbemerkungen:
- Eine Auswanderergeschichte vom Saarland nach Marokko erzählt auch Didier Hinz in „Casablanca“ (2022). Zu Marokko siehe auch den Beitrag von Alfred Diwersy in der Anthologie „Tötungsverfahren“ (1990). Nichts mit dem Land zu tun hat das Buch „Issi Marocco“ von Monica Streit.
- Dominik Bollow reiht sich ein in die große Zahl saarländischer Autorinnen und Autoren, die nach Berlin übergesiedelt sind. Zu nennen wären z.B. Konstantin Ames, Svenja Becker, Astrid Böhringer, Wolfgang Brenner, Gerd Fuchs, Nora Haddada, Ulrike Kolb, Gregor Köhne, Joachim Meyerhoff, Elfriede Müller, Lothar Quinkenstein, Jörg Ruthel, Marie-Luise Scherer, Hinrich Schmidt-Henkel, Rainer G. Schmidt, Friedrich Schön, Wolfgang Stauch, Hans Therre, Michael Wäser, Andreas Wunn. Der Autor Werner Reinert ist in Berlin gestorben und auch dort beerdigt. Den Weg von Berlin ins Saarland haben genommen Jörg W. Gronius und Klaas Huizing.
RP
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