Emanuel Bergmann
geb. 11. Jan. 1972 in Saarbrücken
Filmkritiker in Los Angeles, international erfolgreicher Romanautor, geprägt von frühen Kinoerlebnissen in Saarbrücken

Foto: Joël Hunn © Diogenes Verlag
Die ersten Lebensjahre verbringt Emanuel Bergmann in verschiedenen Stadtteilen von Saarbrücken. Seine Eltern lassen sich schon scheiden, als er „sehr jung war, deshalb sind wir auch oft umgezogen“ (E.B. im Gespräch im Juli 2024). Er besucht die Bruchwiesen-Grundschule (heute GEMS Bruchwiese), anschließend das Gymnasium am Rotenbühl („drei oder vier Jahre“). Mit 14 dann der Umzug mit der Mutter nach Frankfurt („ich hab ganz wesentliche Jahre in Frankfurt verbracht“), wo er die Bettinaschule besucht, ein nach Bettina von Arnim benanntes Gymnasium im Westend. Nach dem Abitur arbeitet er kurze Zeit in Berlin „als Produktionsassistent bei einer Filmproduktion“, bevor er nach Kalifornien geht.
Film und Literatur – Eckpfeiler seines Lebens
Von 1992 bis 2022 – also dreißig Jahre – lebt Bergmann in Los Angeles, fühlt sich am Ende „wie ein Kalifornier“, bekommt die amerikanische Staatsbürgerschaft, studiert Film an der UCLA Extension („eine Art Abendschule“) und später Journalismus am Los Angeles City College. Parallel dazu arbeitet er für Produktionsfirmen und Studios (u.a. FOX). Sein Schwerpunkt wird bald die Filmkritik. 18 Jahre lang schreibt er als Korrespondent für das renommierte Fachmagazin „widescreen“ (Sitz in Fürth bei Nürnberg). Bergmann: „wir hatten nie eine gigantische Auflage, so wie ‚cinema‘, aber wir hatten eine treue Leserschaft und das hat bis zur Covid-Pandemie auch funktioniert“.
Covid und eine Reihe anderer sozialer, politischer und wirtschaftlicher Faktoren bewegen die Bergmanns im August 2022 zum Umzug nach Deutschland. Die Familie lebt seither in der Nähe von Frankfurt / Main.
Film und Literatur sind dauerhaft zu Eckpfeilern in Bergmanns Leben und Schaffen geworden. Sein erstes Buch ist eine Auftragsarbeit und verbindet die beiden Medien ganz genretypisch: zu Regisseur Roger Donaldsons im Jahr 2000 gedrehten Polit-Thriller „Thirteen Days“ (über die Kubakrise) schreibt Bergmann „das Buch zum Film“. In sechs Wochen bringt er die verlangten 180 Seiten zu Papier. „Das bedeutet, dass man pro Tag fünf Manuskriptseiten schreibt; das ist so die richtige Anzahl, vor der man Respekt hat, aber nicht entmutigt ist.“ Bergmann versucht, diesen Rhythmus auch bei künftigen Buchprojekten beizubehalten; so auch bei seinem ersten Roman.
Erfolg mit „Der Trick“
Die Genese dieses (echten) Erstlings, „Der Trick“, ist kompliziert. Den Anstoß, die Geschichte zu Papier zu bringen, bekommt Bergmann von einem Freund, der auch anbietet, das Skript in seinem Kleinverlag zu veröffentlichen. Der Autor setzt sich die bewährte Frist von sechs Wochen und schreibt seine Geschichte auf – in englischer Sprache. Dann beginnt er zu zweifeln: am Erfolg einer Veröffentlichung in einem Kleinverlag, an der Qualität seiner Arbeit … Die Zweifel an seinem Text werden zerstreut. Bei einem von amazon veranstalteten Wettbewerb „Bester unveröffentlichter Roman“ belegt er Platz drei – bei ca. fünftausend Einsendungen. Daraufhin zeigen auch große US-amerikanische Verlage Interesse; und ziehen sich wieder zurück. 2015 landet das Skript endlich beim Schweizer Diogenes Verlag, wo es 2016 veröffentlicht wird. Inzwischen ist der Roman in 17 Sprachen übersetzt und publiziert.
„Der Trick“ ist die Geschichte eines kleinen Jungen und eines alten Mannes. Der Junge, Max, will die drohende Scheidung seiner Eltern verhindern, und der alte Mann, der Magier Zabbatini, soll ihm dabei helfen. Bergmann: „Der Junge braucht ein Wunder und der alte Mann braucht Vergebung.“ Auf zwei Zeitebenen entfaltet der Autor eine anrührende, zugleich ironische und tragikomische Geschichte, in der Überlebende der Shoah und ihre Nachgeborenen zueinander finden. In seiner Rezension für Deutschlandfunk Kultur (19.08.2016) nennt Jochanan Shelliem den „Trick“ eine Geschichte, „die nur ein Enkel jüdischer Überlebender auf eine derart leichte und sensible Weise in Szene setzen konnte.“
Großen Einfluss auf sein Schreiben hat immer auch Bergmanns persönliches Erfahren. Wie Max in „Der Trick“ hat er als Kind die Trennung seiner Eltern erlebt, und in Kalifornien scheitert auch seine erste Ehe. Seine Frau war Assistentin eines Zauberkünstlers, so bekommt der Autor Zugang zu diesem Milieu. Bergmann: „Im Film werden die immer so James-Bond-artig dargestellt; gutaussehende, dunkle, mysteriöse Gentlemen. Aber die (wirklichen) waren unheimlich narzisstisch und egoistisch und weinerlich.“ Bergmanns Magier Zabbatini ist deshalb kein strahlender Held, sondern ein Charakter mir vielen Facetten, auch deutlichen „Schattenseiten“. Aber durch diese „Abgründigkeit“, findet der Autor, werden Figuren doch noch interessanter.
Saarbrücken, „Wiege westlicher Zivilisation“
Das Kino fasziniert Emanuel Bergmann schon als er noch mit seinen Eltern in Saarbrücken lebt („Da hab ich meine Liebe zum Kino entdeckt“). Er geht ins Scala, ins UT oder ins Gloria, wo er Mel Brooks‘ Komödie „Frankenstein junior“ sieht und von der Eisverkäuferin ermahnt wird, nicht so laut zu lachen. Aus der Liebe zum Film macht Bergmann später einen Beruf; er wird Filmkritiker. In 18 Jahren führt er über 400 Interviews mit Filmschaffenden, darunter Titanen wie Spielberg, Tarantino oder James Cameron.
In seinem zweiten, 2024 erschienenen Roman „Tahara“ stützt er sich auf seine Erfahrung als Filmjournalist. Er führt den Leser nach Cannes zu den Internationalen Filmfestspielen und erzählt die tragikomische Geschichte des „gefürchteten Kritikers“ Marcel Klein. Der vermasselt ein Interview so gründlich, dass seine Karriere infrage gestellt wird. Marcel Klein wächst in Saarbrücken auf, „jener Wiege westlicher Zivilisation“ (Seite 14). Die „Grenzstadt“ ist einerseits „bekannt für ihre Bordelle“ (Seite 17), für den jungen Marcel aber auch die Stadt des UT- und des Passage-Kinos, wo er in den Sommerferien Tag für Tag Filmklassiker sieht.
Trotz dieser (oberflächlichen) Übereinstimmungen: Klein ist nicht Bergmann. Er ist „ein Schmock … eher meine Schattenseite.“ Bergmann entwirft seine Figuren, indem er sie „interviewt“. Das Interview „entschlüsselt den Menschen, der einem da gegenübersitzt – und das ist Erzählen: das Enthüllen von Charakteren, von Geheimnissen, von Menschen. Deshalb habe ich beschlossen, beim Schreiben das anzuwenden, was ich beim Interview gelernt habe: meinen Charakteren Fragen zu stellen, wie ich sie auch bei Interviews gestellt habe.“
pmk