Hans-Erich Kirsch
geb. 25. Jan. 1957 in Dorf, jetzt Dorf im Bohnental, Ortsteil der Gemeinde Schmelz, gest. 1. September 2021
Hans-Erich Kirsch ist ein Schriftsteller, der unter seiner sozialen Ausgrenzung und der Nichtbeachtung seiner Literatur leidet und der seinem Leiden und dem von Menschen in ähnlicher Situation in bislang (2018) sieben Büchern Ausdruck verliehen hat.
Aufgewachsen in einer katholischen Bergmannsfamilie, die im Nebenerwerb Landwirtschaft und Nutztierhaltung betreibt. Besuch des Aufbaugymnasiums in Lebach. Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Als kaufmännischer Angestellter und auch schon als Autor tätig. 1983, im Alter von 26, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Neben seinen Buchveröffentlichungen gestaltet Hans-Erich Kirsch eine ausführliche Homepage, die u.a. Texte von ihm und Links zu selbstgedrehten Youtube-Videos mit Lesungen des Autors aus seinen Büchern enthält. Auf dieser Homepage stellt er seine Situation dar. Ein Foto zeigt ein Schild, das er vor seiner Wohnung aufgestellt hat mit dem Text: „Jeder Mensch kann dem Autor helfen: Seine Bücher kaufen und lesen.“ Kirschs Kommentar dazu: „Jeder Mensch weiß jetzt, wie er mir helfen könnte, aber niemand hilft mir. Das beweist, dass die Leute von mir und meinem Schaffen nichts halten. Anders kann man es nicht deuten. Würden sie mich und meine Werke wertschätzen, dann würden sie mich als Mensch und als Autor nicht ignorieren, sondern wären an mir und meinen Büchern interessiert. Doch es besteht kein Fünkchen Interesse, sondern absolutes Desinteresse. Man ignoriert mich als Mensch und als Autor vollständig. Mit dieser gegebenen Tatsache muss ich mich abfinden. Das ist sehr, sehr schwer, fast unmöglich. Damit kann ich nur fertig werden, indem ich darüber schreibe.“
Die Lebensgefährtin des Autors beklagt auf seiner Homepage, „dass wir mitten im Dorf so einsam leben wie in der Wildnis Alaskas“. Das steht für sie im Gegensatz zu dem von Politikern propagierten Image des Dorflebens als „Idylle pur, intakte Dorfgemeinschaft, perfektes Gemeinschaftsgefühl“.
In seinem ersten Buch, „Jedes Jahr, wenn der Kuckuck ruft“ (2009), hat Hans-Erich Kirsch nach seinen eigenen Worten noch „mehr Gewicht auf die helle, die lichte, auf die Lichtseite in uns Menschen gelegt“. Die Publikation wurde gefördert von den Gemeinden Schmelz und Tholey und dem saarländischen Kulturministerium. In einem kurzen Vorwort gratuliert der saarländische Kunstpreisträger Johannes Kühn, der selber Erfahrung mit sozialer Isolation hat, dem Autor „für seinen Mut, mit seinem Können literarische Heimatbilder zu entwerfen und zu gestalten“. (In Kirschs späterem Buch „Der schwarze Peter“ taucht Kühn als der Dichter Hannes Kuhn auf, den der Autor persönlich kennt, mit dem er oft bei einer Tasse Kaffee beisammensitzt, an dessen dichterische Größe er aber nicht heranreicht.)
Aus dem Inhaltsverzeichnis des ersten Buches: „Kinderfasching im Dorf anno 1967“, „Osterfreude meiner Kinderzeit“, „Winterwanderung im Bohnental“, „In der Heiligen Nacht“, „Nie wieder einsam“. In dem Text „Dorf im Bohnental“ heißt es. „Sicherer Wurzelraum wird mir mein geliebtes Heimatdorf bleiben, bis mir die letzte Stunde schlägt.“
Der Autor sagt über „Jedes Jahr, wenn der Kuckuck ruft“: „Es ist mein einziges Buch, das in der realen ersten Person Singular geschrieben ist und außerdem von einer optimistischen Stimmung getragen wird. Ich bin also selbst die Hauptfigur des Werks und schreibe naiv optimistisch, von kurzen kritischen Bemerkungen abgesehen. Und doch kann man mich […] auch als Außenseiter erkennen, weil ich von den lieblosen, kalt- und hartherzigen Menschen weggehen muss, um in der neutralen Natürlichkeit der Natur meinen Seelenfrieden zu finden.“
Alle folgenden Bücher sind von tiefem Pessimismus geprägt. Kirsch: „Meine sieben Bücher sind sieben ganz verschiedene Werke mit ganz verschiedenen Geschichten. Was aber alle sieben Bücher wie ein roter Faden durchzieht, ist die Einsamkeit der Hauptfiguren, die an den Rand gedrängte Außenseiter der Gesellschaft sind.“ Der Autor berichtet von den Schicksalen Dritter, die andere Namen tragen und doch übergroße Ähnlichkeit mit dem Autor haben. In Kirschs zweitem Buch, „Heimatlos“, ist es ein Friederich Zorn, dessen „hochsensible Seele schwer an einem fast tödlichen Mangel an Liebe“ leidet und der „schon in jungen Jahren erwerbsunfähig berentet werden musste“. Von der Gesellschaft verachtet und ausgestoßen, schreibt er sich zunächst selbsttherapeutisch seinen Hass von der Seele, um am Ende ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden.
Die beiden folgenden Bücher lässt Kirsch unter dem Pseudonym Karl Hauser erscheinen, um danach wieder zu seinem Klarnamen zurückzukehren. (RP)