Hermann Wedekind

geb. 18. Nov. 1910 in Coesfeld (Münsterland), gest. 16. Jan. 1998 in Wadern-Wedern, bestattet auf dem Friedhof in Wadern

Langjähriger Intendant des Stadttheaters Saarbrücken, zuletzt Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters (1960-1976)

Auch wenn er auf der Bühne des Sprech-Theaters agierte, so erinnert sich der Kritiker Heinz Mudrich, etwa als Pierpont Mauler in Brechts „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“, hatte das etwas Opernhaftes. Denn Hermann Wedekind war, spätestens seit seinen Jahren als Heldentenor an den Staatsopern von Danzig und Dresden (1942-1945), ein Mann der Oper und blieb es auch als Schauspieler, Theaterleiter, Schauspiellehrer und Regisseur.

Als er Intendant am Stadttheater Basel war, debütierte bei ihm die später legendäre Sopranistin Montserrat Caballé (1956). Bei Wedekind in Saarbrücken begannen Siegmund Nimsgern, Trudeliese Schmidt oder Nancy Tatum ihre Karrieren.

Wedekind hatte etwas Ausladendes, das Raum forderte, zum Beispiel wenn er anno 1965 im Ballettsaal des Stadttheaters Saarbrücken mit SchauspielschülerInnen im Zirkeltraining am „Urschrei“ arbeitete. Im ersten Engagement am Stadttheater Hagen (1928-1931) war er Tierstimmenimitator gewesen und, so die Vita, „Spezialist für Schreie hinter der Bühne“.

Im saarländischen Kulturleben hat Hermann Wedekind sich – und seine besondere Art zu inszenieren – verewigt als Begründer einer Theaterfreundschaft mit der damaligen Sowjetrepublik Georgien. Aus der sich eine Partnerschaft der Hauptstädte Saarbrücken und Tbilissi, dann auch der Länder Saarland und Georgien, und ein saarländisch-georgischer Austausch von SchriftstellerInnen und GermanistInnen entwickelte. An all das wagte 1966, zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als Wedekind in Saarbrücken Polnische und zwei Jahre später Russische Theatertage veranstaltete, kaum jemand zu denken. Tauwetter zwischen den damaligen Supermächten USA und Sowjetunion und in dessen Rahmen die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland unter der sozialliberalen Regierung Willy Brandt/Walter Scheel machten es möglich. 1973 holte Hermann Wedekind die georgische Nationaloper „Daissi“ von Zacharia Paliaschwili auf die Saarbrücker Bühne. Im Gegenzug brachte er Richard Wagners „Lohengrin“ als Erstaufführung nach Tbilissi; in der Folge u.a. „Die Zauberflöte“ und „Der Fliegende Holländer“, aber auch Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ oder Friedrich Dürrenmatts „Physiker“.

Als Generalintendant im Ruhestand, fand der rastlose Theatermann in den Festspielen Balver Höhle im Sauerland, deren Künstlerischer Leiter er von 1984 bis 1994 war, ein neues Forum. Hier inszenierte er, wie zuvor schon im Partner-Land, noch einmal „Catharina von Georgien“, das Drama des deutschen Barockdichters Andreas Gryphius aus dem Jahr 1657 – ein Stück wie für Wedekind gemacht. Die Stadt Kutaissi, die eigens für ihn ein Hermann-Wedekind-Haus einrichtete, und der Staat Georgien machten ihn 1995 zum Ehrenbürger. Seine letzten Wohnsitze nahm Hermann Wedekind im rheinland-pfälzischen Kirf-Beuren, wo er seine „Kulturscheune“ ins Leben rief, und im Waderner Stadtteil Wedern. Auf Hunderten von Videokassetten zeichnete er, wie Sohn Michael Wedekind zum 100. Geburtstag enthüllte, täglich stundenlang seine Ideen, Wünsche und Erfahrungen auf. Hermann Wedekind starb hochbetagt, im Alter von 87 Jahren, im Januar 1998. Seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof der Stadt Wadern verkündet in Stein gemeißelt auch sein Credo: „Kunst kennt keine Grenzen.“ (IP)