Matthias Strittmatter

geb. 25. März 1962 in Mannheim

Foto: Foto privat

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Matthias Strittmatter ist einer der Autoren des Buches, in dem der Saarbrücker Bariton und Musikprofessor Yaron Windmüller die Erinnerung an seinen Cousin Maurice erinnert, der als Kind im KZ Auschwitz ermordet wurde. Er und seine Frau Susanne Strittmatter haben Windmüller bei der Recherche und bei der Abfassung des 2024 erschienenen Buches unterstützt. Zu deren Rolle schreibt Windmüller: „Susannes Schreibfertigkeit und Matthias‘ Sorgfalt und sein Wissen als Arzt haben dieses Buch erst möglich gemacht.“

Prof. Dr. med. Matthias Strittmatter ist Chefarzt für Neurologie und Ärztlicher Direktor am SHG-Klinikum in Merzig. Geboren 1962 in Mannheim, kam er im Alter von 11 Jahren mit seinen Eltern in das Saarland. Er studierte Humanmedizin in Freiburg. Es folgten Promotion (1990 zum Thema senile Demenz), Facharztanerkennung und Habilitation (1998 mit einer Arbeit über Parameter bei verschiedenen Schmerzformen). Im Zusammenhang seiner Arbeit hat er künstlerische Ausstellungen und Performances veranstaltet. Die Familie lebt in Elversberg.

In dem gemeinsamen Buch „Fallende Sterne. Chronologie eines unplötzlichen Kindstods“ über Yaron Windmüllers im KZ ermordeten Cousin Maurice bringen die Autoren das Schicksal des Kindes, abgelesen aus wenigen überlieferten Fotos und knappen Vermerken der Nazi-Bürokratie, dem Leser durch einen erzählerischen Kunstgriff nahe: Sie lassen Maurice in der Ich-Form erzählen. Monat für Monat seines nur 19-monatigen Lebens berichtet das Kind von seinem Entwicklungsstand, vom Schicksal seiner Familie und von der Verfolgung und Vernichtung der Juden.

Die Eltern von Maurice sind 1937 vor den Nazis aus Deutschland in die Niederlande geflohen. 1940 besetzen die Deutschen das Land.  Am 14. Juli 1942 kommt Maurice in Groningen zur Welt. Ab Oktober werden die Juden über das Durchgangslager Westerbork ins Konzentrationslager Auschwitz in Polen transportiert und dort getötet. Ende November werden die Eltern Salomon Windmüller und Ruth Windmüller-Kornblum nach Westerbork verschleppt, das Kind bleibt bei unbekannten Menschen zurück. „Es muss jemand sein mit großem Herzen und sehr viel Mut, denn wer mich versorgt, bringt sich selbst in Gefahr.“

Im März 1943 stirbt der Vater in Auschwitz „an Entkräftung“, wie in den Lagerakten notiert wird, die Mutter ist da schon seit 118 Tagen tot. „Ich kann jetzt Doppellaute bilden: lala, dada. – Mama. Papa.“ Im Frühjahr 1943 gibt es einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Kindes, Fotos zeigen es auf den Armen eines Mannes, einer Frau, der Mann heißt Leo Weersing. Doch schon Ende April taucht der Name Maurice Windmüller in den Akten von Westerbork auf. Das Leben des Kindes in Westerbork kann nur ungefähr rekonstruiert werden aus dem Wissen um die Zustände im Lager. Eine Frau namens Clara Asscher-Pinkhof, die mit einer Gruppe KZ-Gefangenen gegen deutsche Kriegsgefangene ausgetauscht werden soll, bietet sich als Pflegemutter für Maurice an, der gerade ein Jahr alt geworden ist, und will ihn nach Palästina mitnehmen; der Antrag wird abgelehnt. Maurice Windmüller überlebt zehn Monate in Westerbork, am 10. Februar 1944 wird das Kind in Auschwitz getötet. „Wenn sich Menschen meiner erinnern, meine Geschichte schreiben und lesen, dann reiche ich über mein eigenes Leben hinaus, greife in euer Leben ein, bin im Heute angekommen.“

Im Vorwort schreibt Yaron Windmüller, dies sei keine Geschichte für zarte Gemüter. „Wer dieses Buch trotzdem lesen möchte, dem lege ich ans Herz, die Geschichte sehr langsam zu lesen.“ (RP)