Tom Hillenbrand

geb. 16. Okt. 1972 in Hamburg

© Bogenberger Autorenfotos

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Als Journalist bei verschiedenen (Online-)Medien hat er gelernt, was akribische Recherche ist. Als Autor hat er einen historischen Roman, Science-Fiction und eine ganze Reihe von Kulinarischen Krimis um einen sympathischen Luxemburger Koch und Amateur-Detektiv geschrieben. In allen seinen Büchern verbindet Tom Hillenbrand auf spannende und informative Art Fakten und Fiktion.

Tom (Thomas) Hillenbrand ist Hamburger mit Verbindung ins Saarland. Seine Mutter stammt aus Saarbrücken-St. Arnual. Aufgewachsen ist der Autor aber in der Hansestadt. Er besucht das Wolfgang-Borchert-Gymnasium in Halstenbek, macht Abitur, studiert in Duisburg Politik und Wirtschaftswissenschaften und wendet sich dem Journalismus zu. Er absolviert ein Volontariat an der Georg von Holtzbrink-Schule (Jahrgang 1972), schreibt u.a. für „Handelsblatt“, „Wall Street Journal Europe“ und „Financial Times Deutschland“.

Es folgt ab 2001 eine Zeit als Wirtschaftsredakteur bei „Spiegel Online“, wo er von 2007 bis 2010 auch Leiter des Ressorts “Auto” ist (obwohl er selbst sagt, dass er sich überhaupt nicht für Autos begeistert). Bei „Spiegel Online“ schreibt er von 2011 bis 2017 auch unter dem Pseudonym Tom König die Kult gewordene Kundenkolumne “Warteschleife” z.B. über die an Folter grenzenden Taktiken der Callcenter, über „IBAN, die Unerkleckliche“ und ähnliche Einrichtungen in der Servicewüste Deutschland. Die Beiträge werden in den Bänden „Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus!“ (2012) und „Ihr Anruf ist uns nichtig“ (2016) versammelt.

Hillenbrand mag kein Autonarr sein, und er ist selbst bei einer gewissen Technikaffinität längst kein unkritischer Fortschrittsprediger. Aber die (technischen) Möglichkeiten, unsere Zukunft zu gestalten, thematisiert er ebenso wie die damit verbundenen Gefahren in mehreren Romanen. 2014 veröffentlicht er „Drohnenland“. Diese Dystopie wird 2015 mit dem Friedrich-Glauser-Preis als bester Roman ausgezeichnet und erhält im selben Jahr den Kurd-Laßwitz-Preis in der Kategorie “Bester deutschsprachiger Science-Fiction-Roman (Erstausgabe 2014)“.  2018 folgt der SiFi-Krimi „Hologrammatica“, der 2019 ebenfalls zum besten deutschsprachigen Science-Fiction-Roman gewählt wird, und 2020 schließlich der daran anschließende „Qube“.

Hillenbrand blickt nach vorn und entwirft Modelle einer durchaus möglichen Zukunft. 2016 wirft er aber auch einmal einen Blick zurück und lässt in dem Roman „Der Kaffeedieb“ das 17. Jahrhundert lebendig werden, in dem Europa geradezu süchtig wird nach einer neuen Handelsware: „Kahve“. Mit Handel, Lebens- und Genussmitteln setzt sich der Autor auch in seiner erfolgreichsten Romanreihe auseinander.

Wie wunderbar augenzwinkernd sich auf der Grundlage historischer Fakten fabulieren lässt, zeigt Hillenbrand auch in seinem 2023 erschienen, 500 Seiten starken Roman „Die Erfindung des Lächelns“. Im Paris der Belle Époque, das Gertrude Stein einmal den Ort nannte, „wo sich das zwanzigste Jahrhundert befand“, kreuzt der Autor die Wege von Künstlern und Anarchisten, Paradiesvögeln und Nachteulen aller Nationalitäten. Er verstrickt reale Figuren wie Apollinaire und Picasso, Jules Bonnot und Isadora Duncan in ein spektakuläres Verbrechen: den Raub der „Mona Lisa“ aus dem Louvre. „Alls in diesem Buch ist tatsächlich genauso passiert, abgesehen von den Dingen, die ich mir ausgedacht habe“, schreibt Hillenbrand im Nachwort. Ihm gelingt einerseits ein glaubwürdiges, lebendiges Bild jener Jahre, gleichzeitig lenkt er aber den Blick des Lesers – etwa wenn er vom „Zeitalter des Tempos“ spricht oder die Ressentiments „Ausländern gegenüber“ thematisiert – auf aktuelle Verhältnisse.

Kulinarische Krimis

Seinen ersten Roman veröffentlicht Hillenbrand schon 2011. „Teufelsfrucht“ erscheint, wie seither fast alle Bücher des Autors, bei Kiepenheuer & Witsch. Protagonist dieses Krimis ist der Luxemburger Koch Xavier Kieffer, der die Haute Cuisine zugunsten der traditionellen Küche seiner Heimat an den Nagel gehängt hat. In Kieffers Restaurant „Deux Eglises“ in Clausen (Luxemburger Unterstadt) stehen Bouneschlupp (Bohneneintopf), Kanengche mat Moschterzooss (Kaninchen-Schmortopf mit Senfsoße) oder Judd mat Gaardebounen (Schweinenacken mit Saubohnen) auf der Karte. Hillenbrand selbst würde wohl ähnlich kochen, „definitiv bodenständig, französische Landküche, cucina povera“ (Mail an den Autor, März 2022).

Die Figur des sympathischen, Ducal rauchenden Ex-Sternekochs, der sich nicht nur über seine Kochtöpfe beugt – der Leser erfährt einiges über die Landesküche –, sondern die Nase auch gern in Kriminalfälle steckt, ist so erfolgreich, dass Hillenbrand bislang sechs weitere Xavier-Kieffer-Romane veröffentlich hat.

Kieffer kommt einmal Olivenölpanschern auf die Spur, stolpert ein anderes Mal über Manipulationen am Rohstoffmarkt, recherchiert zum Thema fair angebauter Kakao oder deckt Geschäfte mit gestrecktem Honig auf – und immer legt er sich dabei mit den Bösen an, gerät selbst in Lebensgefahr und geht, wenn auch lädiert, als Sieger aus seinen „Privatermittlungen“ hervor. Tom Hillenbrand beweist erzählerisches Talent ebenso wie das Know-How des investigativen Journalisten. Die Hintergründe zu seinen Lebensmittelskandalen sind genau recherchiert und die Sachverhalte auch für Laien verständlich und spannend dargestellt. Dank seiner minutiösen Ortskenntnis (Hillenbrand hatte u.a. Ende der 1990er Jahre eine Zeitlang als Praktikant beim Europäischen Parlament auf dem Kirchberg gearbeitet) gelingt es dem Autor außerdem, die Stadt Luxemburg und das Tal der Alzette, Grund, Clausen und Pfaffenthal mit ihren alten Festungsanlagen und malerischen Winkeln lebendig werden zu lassen. Mittlerweile sieht man Fans des kochenden Kriminalisten die Sträßchen und Stiegen zwischen Ober- und Unterstadt auf den Spuren ihres „Helden“ erkunden.

Vom Großherzogtum ins Saarland: „Goldenes Gift“

Hatte Xavier Kieffer schon in früheren Romanen gelegentlich einen Abstecher zu einem Grossisten ins benachbarte Saarland unternommen, führt ihn „Goldenes Gift“ von 2021 nach Merzig, Saarbrücken und vor allem an die Saar-Uni.

Es geht um Honig und seine Erzeuger, die fleißigen Bienen. Und um Menschen, die damit skrupellose Geschäfte machen. Dass Honig gepanscht wird, beispielsweise mit Zuckersirup (Allpass), ist bekannt. Dass seine Herkunft durch Vermischung („aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“) oder Umetikettierung (Transshipping) verschleiert oder verfälscht wird, ebenfalls. Auch dass Bienen mehr leisten, als Pollen zu sammeln und Honig zu produzieren, ist inzwischen in unser Bewusstsein gedrungen. Bienen sind die wichtigsten Bestäuber; ohne sie bleiben die weltweit wuchernden Obstplantagen ohne Erträge. Die Bestäubung von Blüten ist ein Milliarden-Dollar-Markt.

Das rasante Wachstum der Monokulturen – beispielsweise in China, das auf dem Weg ist, der weltgrößte Nahrungsmittelproduzent zu werden – ist nur durch den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden möglich. Und die sind auch für Bienen tödlich. Es sei denn … Nachdem seine Bienenstöcke bei Nacht und Nebel gestohlen werden und ein befreundeter Imker unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt, beginnt Xavier Kieffer, unterstützt von seiner Freundin Valérie Gabin, zu recherchieren und all diese Fakten zusammen zu tragen. Wieder gelingt es Autor Hillenbrand, ein aktuelles, komplexes Thema verständlich und gleichzeitig spannend in einen Krimi-Plot zu gießen. Sein Amateur-Detektiv und dessen Freundin sind ja auch Laien, die sich (und uns) Schritt für Schritt in die Materie einarbeiten.

Beim Besuch einer kalifornischen(!) Mandelplantage stolpert Valérie über den Namen einer Firma, die in Merzig/Saar ansässig ist. Wieder zuhause, fährt sie ins benachbarte Saarland. Von einem „aufgebockten Imbisswagen im Merziger Gewerbegebiet“ aus beobachtet sie das dubiose Unternehmen, von dessen Hof Lkw aus Bulgarien und Belarus rollen. Und ein teurer Sportwagen, dem Valérie nach Paris folgt. Von dort führt sie die Spur weiter nach Saarbrücken.

Wenn von der saarländischen Stadt die Rede ist, findet offenbar zwangsläufig auch der St. Johanner Markt Erwähnung. Der, konstatiert Xavier Kieffer, der zuletzt vor fünf oder mehr Jahren hier war, „hatte sich gemacht“. In seiner Erinnerung „war Saarbrücken rußgrau. Anscheinend lange her – er erblickte hübsche Cafés und Restaurants … Franzosen und Luxemburger. Die offenen Grenzen hatten der Stadt anscheinend gut getan.“

Aber die Stadt ist nicht das eigentliche Ziel der beiden. Auf einigen in Luxemburg aufgestellten Bienenstöcken, den sogenannten Beuten, prangt „das offizielle Logo der Universität des Saarlandes“, eine stilisierte Eule. Kieffer hatte sich in jungen Jahren an der Hochschule für das Fach Materialwissenschaft eingeschrieben. Er erinnert sich: „Die Universität des Saarlandes war eine durch und durch europäische Uni, auf dem Campus hatte es nur so gewimmelt von hübschen Französinnen, Belgierinnen und Deutschen.“

Die architektonischen Reize des Campus, der ja tatsächlich aus dem Below-Kasernengelände hervorgegangen ist, überzeugen weniger. Valérie findet, er sieht aus „wie militärisches Sperrgebiet.“ Auch das preisgekrönte Mensa-Gebäude, 1966 von dem saarländischen Architekten Walter Schrempf entworfen und gemeinsam mit dem Bildhauer Otto Herbert Hajek ausgestaltet, findet kaum Gefallen. „Vor ihnen erhob sich ein gedrungenes Betongebäude. Sein Flachdach war mit rechteckigen Elementen verziert, ebenfalls aus Beton. Sie wirkten wie überdimensionierte Bilderrahmen, die jemand wahllos an die Fassade geklebt hatte.“ Fazit: ein „brutalistisches Kleinod.“

Hübsche Studentinnen, hässliche Gebäude und ein Wissenschaftler, der am (fiktiven) „Boyer-Institut“, das zur Fakultät für Biotechnologie gehört, das Bienen-Genom, also den genetischen Code der Insekten, erforscht. Dieser Professor Martijn Hendrickx wird zu einer Schlüsselfigur im Rätsel um das „goldene Gift.“ Mit seinem kulinarischen Krimi von 2021 überschreitet Tom Hillenbrand die Grenze zu dem anderen Genre, das er meisterlich beherrscht, Science-Fiction. Aber wer weiß schon, wie lange seine Vorstellung noch „fiction“ bleibt.
pmk