Frauenliteratur
Die FrauenGenderBibliothek Saar
Dr. Annette Keinhorst
Im Jahre 1990 gründete ein privater Verein 1 die frauenbibliothek & dokumentationszentrum frauenforschung, um das Wissen über und die Geschichte von Frauen für jedermann und jedefrau im Saarland zugänglich zu machen. Die Frauenbewegung institutionalisierte sich zunehmend, an den Universitäten stand „Frauen- und Geschlechterforschung“ auf dem Lehrplan, in der Politik wurde über Gleichstellung und Gender Mainstreaming diskutiert. Im literarischen Diskurs sprach „man“ allerdings immer noch leicht herablassend von „Frauenliteratur“ und setzte somit HerzSchmerzLiebe-Romane auf eine Stufe mit anspruchsvoller literarischer Auseinandersetzung mit weiblicher Lebenswelt. Dass Schriftstellerinnen genauso vielfältig und thematisch breit gefächert schreiben wie ihre männlichen Pendants, dass nur ihre Stimme leider allzu oft überhört wird, darauf wollte die Frauenbibliothek schon damals aufmerksam machen. Denn: Literaturkanons bilden bis heute überproportional viele männliche Autoren ab, renommierte Literaturpreise werden gern bevorzugt an Männer vergeben, Feuilletons rezipieren eher das männliche als das weibliche Genie, es sei denn, es handelt sich um ein „Fräuleinwunder“. Das war und ist im Saarland leider nicht anders. Deshalb gibt es in der FrauenGenderBibliothek Saar inzwischen eine Sammlung hochwertiger Weltliteratur von Frauen. Und die Einrichtung hat den umfassenderen Begriff „Gender“ (= soziales Geschlecht) in ihren Namen aufgenommen, um nach außen zu signalisieren: Geschlechterfragen betreffen Frauen, Männer (und andere Geschlechter) gleichermaßen.
Dies spiegelt sich auch in der wissenschaftlich ausgerichteten umfangreichen Spezialbibliothek zu Frauenbewegung und Genderthemen, die Publikationen von Erwerbstätigkeit über Psychologie und Geschichte bis hin zu Ökonomie und Theologie zur Ausleihe anbietet (Katalog auch online abrufbar). In enger Zusammenarbeit mit der universitären Genderforschung und mit Hilfe vielfältiger interaktiver Diskussionsangebote (Veranstaltungen, social media) vermittelt die FrauenGenderBibliothek seit mehr als zwei Jahrzehnten Aktuelles aus Forschung und akademischer Diskussion in die breite Öffentlichkeit hinein. Das in 2011 zusätzlich entwickelte Mentoring-Programm für Migrantinnen (MiNET Saar) ist sozusagen angewandte Genderforschung: es hilft mittels ehrenamtlicher Mentorinnen qualifizierten Migrantinnen bei der Suche nach Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe.
Die historische Sammlung bildet den dritten Schwerpunkt: das kulturelle Erbe der Frauen im Saarland zu sichern ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert eine der Kernaufgaben der FrauenGenderBibliothek Saar. Regale voller Bücher und grauer Stülpschachteln, Kisten mit Vor- und Nachlässen bewahren das Wissen über regionale Frauengeschichte und Frauenbewegung für zukünftige Generationen. Ganz aktuell beteiligt sich die FrauenGenderBibliothek Saar am Aufbau eines bundesweiten digitalen Portals zur Frauenbewegung, so dass die Archivalien und Dokumente der regionalen Bewegungsgeschichte ab 2018 auch (inter)national im Netz zu finden sein werden. (Annette Keinhorst ist Gründerin der Bibliothek und hat sie bis 2015 geleitet.)