Saarländische Anfänge

In der Bundesrepublik waren Comics in den ersten Nachkriegsjahrzehnten verpönt und wurden als Schundheftchen tituliert. Was aber die Jugendlichen nicht davon abhielt, sie zu kaufen und zu lesen. Einer der ersten großen Eisbrecher war das französische „Asterix“, über den sich auch Leser mit distinguierteren kulturellen Bedürfnissen köstlich amüsieren konnten. Dass diese Leser vor allem den ersten Nachkriegsgenerationen mit einem sich verändernden Kulturbegriff angehören, dürfte dabei auch eine Rolle gespielt haben. Die Akzeptanz von Comics hinkt in Deutschland bis heute aber im Vergleich zu anderen Ländern hinterher.

© Frans Masareel „Der Kuss“, Gerüstplane 2019, Foto: privat

Bis weit in die 1990-er Jahre hinein fand Comic im eigentlichen Sinn im Saarland nicht statt. Als Vorläufer einer erwachenden saarländischen Comic-Szene kann Frans Masereel gelten. Der 1889 in Belgien geborene Maler und Grafiker lehrte von 1947 bis 51 an der nach dem Krieg neu gegründeten Saarbrücker Schule für Kunst und Handwerk. Das Werk des 1972 in Avignon verstorbenen Künstlers beinhaltet eine große Zahl von Grafik-Mappenwerken, die Frans Masereel selbst als Romane in Bildern bezeichnete. Heute würde man sie als Grafic Novels mit einem komplexeren literarischen Inhalt ansprechen. Seine von den Holzschnitten der Expressionisten inspirierten Grafikfolgen sind geprägt von einer zutiefst humanistischen, engagiert-pazifistischen Grundhaltung und werfen einen Blick auf die zeitgenössische soziale Realität. Sie thematisieren das Phänomen der Großstadt oder erzählen biographisch gefärbte oder allegorische Geschichten.

Stigulinszky, Tintenfisch CoverZu gleicher Zeit wirkten die beiden saarländischen Karikaturisten Roland Stigulinszky (1926–2022) und Bob Strauch (1913–78). Beide kommentierten für die 1948 gegründete Satirezeitschrift „Der Tintenfisch“ Gesellschaft und Politik während des Saarstaatszeit Anfang der 1950-er und zeichneten auf ihre Weise ein bis heute nachhallendes Bild dieser Zeit und ihres prägenden Politikers Johannes Hoffmann. Hintereinander geschaut und gelesen lassen ihre Karikaturen ein wenn auch reaktionäres und von manchen politischen Irrtümern verzerrtes Sittengemälde des autonomen Saargebiets erstehen. Nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik arbeitete Roland Stigulinszky als Karikaturist unter anderem für das Satiremagazin „Pardon“, für die Süddeutsche und die Saarbrücker Zeitung. Bob Strauch belieferte nur noch die Zeitschrift „Schacht und Heim für den saarländischen Bergmann“ und legte seinen Fokus auf seine Aufgaben als Kunsterzieher.

Mehr als das Randphänomen der Karikaturen zählt der Trickfilm zum großen Kosmos des Comics. Besonders, wenn es sich um die Animation bereits etablierter Sprechblasenfiguren handelt. Man denke hier nur an Walt Disney.

Eine herausragende Gestalt des Trickfilms ist der 1924 in Saarbrücken-Sankt Arnual geborene Frédéric Back. Er wanderte 1948 nach Montreal/Kanada aus, wo er sich als Animator und Trickfilmregisseur etablierte. Seine aus sehr poetischen, fließenden Buntstiftzeichnungen entwickelten Trickfilme thematisieren den Urkonflikt zwischen Zivilisation und Natur und treten für ökologisches Denken ein. Für seine Arbeit wurde Frédéric Back vier Mal für den Oscar für den besten animierten Kurzfilm nominiert, zwei seiner Filme wurden mit dem Oscar ausgezeichnet. In „Tout-rien“ (1980, Oscar-nominiert) erzählt Frédéric Back allegorisch die naturzerstörerische Entwicklung der Menschheit bis zu ihrer Einsicht und Umkehr. Der Lebensbogen eines Schaukelstuhls von seiner Herstellung bis zum musealen Möbelstück ist Gegenstand der Erzählung in „Grac“ (1981, Oscar-ausgezeichnet). Der bekannteste Trickfilm von Frédéric Back dürfte „Der Mann, der Bäume pflanzte“ (1987, Oscar-prämiert) nach der gleichnamigen Erzählung von Jean Giono sein. Ein junger Mann besucht immer wieder einen Schäfer, der fernab der Großstädte im provenzalischen Gebirge Bäume pflanzt und die verkarstete Landschaft wieder zum Erblühen bringt. Die abgewanderten Menschen der Region kehren in ihre verlassenen Dörfer zurück, können aber den Bestand des Waldes nicht mehr gefährden. In „Le Fleuve aux grandes Eaux“ (1993, Oscar-nominiert) spannt der Trickfilmer anhand des Schicksals des St. Lorenz-Stromes ein weiteres Mal den großen Bogen der Zivilisationsgeschichte und ihrer Umweltzerstörungen. Frédéric Back verstarb vielfach ausgezeichnet 2013 in Montreal.