Die Zeitschrift „Der Kunstfreund an der Saar“
Von Ralph Schock
Knapp zwei Jahre lang, vom 20. November 1897 bis zum Sommer 1899, erschien im Saarbrücker Verlag von Hubert Hecker zunächst wöchentlich, ab Januar 1899 dann zwei Mal im Monat eine Kulturzeitschrift, die von dem damals in Saarbrücken lebenden Schriftsteller Theodor Etzel, zuweilen nannte er sich auch Schulze-Etzel, herausgegeben wurde. Unter dem Begriff „Schriftleitung“ taucht sein Name zum ersten Mal allerdings erst am 15. Januar 1899 im Kopf der Zeitschrift auf. Ihr Umfang betrug zunächst acht Seiten, ab 1899 dann sechzehn Seiten. Jedes Heft enthielt zwei bis drei Seiten mit Werbeanzeigen, meist von Saarbrücker Restaurants, Hotels, Mode- oder anderen Geschäften.
Zunächst trug die Zeitschrift den Titel: „Der Kunstfreund an der Saar“ mit dem Untertitel „Organ zur Hebung und Förderung des Sinnes für Kunst, Musik, Litteratur und Kunstgewerbe – Theater-Zeitung“. Das war ein Hinweis auf ihren Ursprung als Informationsblatt für Theateraufführungen im Saarbrücker Saalbau. Ab 1899 lautete der Titel dann „Der Kunstfreund – Halbmonatsschrift für Kunst, Litteratur und Kunstgewerbe“. Waren bis Ende 1898 die Titelei der Zeitschrift und die Beiträge in Frakturschrift gesetzt, so präsentierte sie sich ab dem ersten Heft des letzten Jahrgangs in einem ungewöhnlich Schriftmix. Titel und Untertitel waren nun in Anlehnung an graphische Elemente des aufkommenden Jugendstils gestaltet, die Beiträge selbst aber weiterhin in Frakturschrift. Allerdings behielt man für die Überschriften die mit zusätzlichen Zierschnörkeln, sog. Elefantenrüsseln, versehene Frakturschrift bei.
Die ideologische Ausrichtung der Zeitschrift war, wie aus dem vermutlich von Theodor Etzel verfassten programmatischen Einleitungstext hervorgeht, strikt konservativ und richtete sich vor allem gegen den hauptsächlich im Theater und in der Literatur dominierenden Naturalismus:
„Helft mit arbeiten an dem großen Werk, die Kunst zu reinigen von den Schlacken, die ihr anhaften, dass Ihr wieder mit Vergnügen in Theater gehen und in der wahren Kunst Erholung schöpfen könnt. Das deutsche Weib wird wieder jene hehre Frauengestalt sein, wie wir sie heute nur aus der Geschichte kennen und jene angekränkelte Karrikatur, die keinem deutschen Weibe gleicht, wird wieder von unserer Bühne verschwinden. Und so wie es die Bühne wagte, das verheerende Gift des Naturalismus in unser Volk hineinzutragen, so haben es ihr die anderen Künste nachgemacht. […] Der ‚Kunstfreund‘ wird nicht reüssieren, wurde gesagt, ja – soll man deshalb die Sündflut über sich ergehen lassen und zusehen, wie unsere höchsten Güter in den Schmutz gezerrt werden. Auf, Bürger der Saarstädte, wie Ihr ein festes Bollwerk des Reiches gegen den äußeren Feind waret, so stellt Euch auf gegen den inneren, der von derselben Seite herkommend, Euren Frieden, Euer Glück zu zerstören droht. Drum ‚Wahr‘t die deutsche Kunst’.“
Die neue überregionale Ausdehnung begründete Etzel in der Ausgabe vom 15. Januar 1899 folgendermaßen: „Auch hielten wir es für angebracht, den früheren Titel […] abzuändern […], um der Zeitschrift nicht ein Lokalgepräge aufzudrücken, das sie bei ihrem Dienste in der an keine örtlichen Grenzen gebundenen Kunst kaum mit Recht tragen dürfte. ‚Der Kunstfreund‘ wird nach wie vor den am Domizil sich darbietenden Kunstproduktionen ein besonderes Interesse zuwenden, wird aber stets auch über die Entfaltung aller Zweige der Kunst, der Litteratur und des Kunstgewerbes im ganzen Rheingebiet und darüber hinaus in allen deutschen und fremden Landen Bericht erstatten.“
Die Beiträge sind oft ungezeichnet. Vermutlich stammen die meisten von Etzel und von Hanns Heinz Ewers, der von März 1896 bis März 1898 ebenfalls in Saarbrücken lebte und später als Verfasser von Romanen wie Alraune“ und „Horst Wessel – Ein deutsches Schicksal“ zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Die mit ihren Namen gezeichneten Artikel tragen stets den Zusatz „Saar“ bei Etzel, bzw. „Düsseldorf“ bei Ewers. Gemeinsam haben beide 1901 im Münchner Albert Langen-Verlag ein Buch mit ihren z. T. in Saarbrücken niedergeschriebenen Fabeln herausgebracht. Das recht erfolgreiche Buch erreichte bis 1913 vier Auflagen. Mehrere Texte daraus waren bereits in dem „Kunstfreund“ abgedruckt worden.
Die Zeitschrift veröffentlichte vor allem Feuilletons, Gedichte, Betrachtungen und Übersetzungen, meist aus dem Französischen. Namenskürzel wie „T. E.“, „T. S.-E“, „Philalethes“, „Cyrano“, „-Y-“. „B.“ oder „-r.“ unter zahlreichen Beiträgen stehen vermutlich ebenfalls für Beiträge von Etzel oder Ewers. Die Rubriken „Kleine Chronik“, „Briefkasten“, „Nachrichten aus dem Kulturbetrieb“ und „An unsere Leser“ sind ungezeichnet, sie dürften vermutlich von Etzel alleine verfasst worden sein. Einige andere, vor allem die mit Bezug zu Düsseldorf, von Ewers.
In Rezensionen vorgestellt werden Werke von Autoren aus dem überwiegend konservativen Lager wie Arthur Dinter, Ludwig Jacobowski oder Arthur Moeller-Bruck. Viele Beiträge unterstreichen den antimodernistischen und konservativen Charakter der Zeitschrift, etwa von Felix Dahn: „Kritische Bemerkungen zur jüngsten deutschen Literatur“ (Nr. 5, 24.12.1897).
Erwähnenswert einige Beiträge des Anarchisten John Henry Mackay, der in Saarbrücken aufgewachsen und mit beiden Herausgebern vermutlich persönlich bekannt war. 1896 hatte er den in Saarbrücken spielenden Roman „Die Menschen der Ehe“ veröffentlicht.
Auf der letzten Seite des letzten Hefts ist folgende Notiz abgedruckt: „Mit vorliegender Nummer lege ich infolge anderweitiger litterarischer Bethätigung die Leitung des ‚Kunstfreund‘ nieder. Herzlichen Dank allen getreuen Helfern und Freunden. Theodor Schulze-Etzel.“ Da sich offenbar kein Nachfolger fand, stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein.
Ein Exemplar der kompletten Zeitschrift ist in der Sammlung des Historischen Vereins der Saargegend überliefert (H. V. Per. 327). Es befindet sich als Depositum in der Saarbrücker Stadtbücherei.
Der Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift „saargeschichten“ erschienen.