geb. 16. Oktober 1752 in Bredenbach bei Hannover, gest. 6. Mai 1796 in Bremen
Knigges war ein aufklärerischer Schriftsteller, dessen Schicksal es ist, dass sein Name mit dem einen Buch „Über den Umgang mit Menschen“ (1788) verknüpft wird, das seinerseits als bloße Benimmfibel missverstanden wird. In den 80er Jahren macht er von Metz aus einen Abstecher nach Saarbrücken; in seinen auf 1792 vordatierten Briefen zeichnet er ein überaus positives Bild von Saarbrücken und seinem regierenden Fürsten Ludwig. ZITAT
Zitat von Adolph Freiherr Knigge
Saarbrück, den 5ten May. [1792]
[…] Saarbrück, diesseits der Saar, und St. Johann, jenseits des Flusses, sind durch eine neue, schöne Brücke verbunden und machen Eine Stadt von ziemlichem Umfange aus. Die Häuser, besonders in dem diesseitigen Theile, sind durchaus massiv, manche darunter in gutem, reinem Geschmacke gebauet und die Gassen, deren einige breit sind und gerade laufen, haben ein freundliches Ansehn. Unter den Einwohnern scheint Wohlstand zu herrschen; auch trifft man hier Kaufmannshäuser an, deren Handel nicht unbedeutend ist, da, ausser der großen Straße aus Frankreich nach Teutschland, die schiffbare Saar ihnen auch Gelegenheit giebt, ihre Waaren zu Wasser in die Mosel und von da auf dem Rheine nach Holland zu versenden; Steinkohlen und Eisen sind wie bekannt, wichtige Landesproducte.
Die Einwohner von St. Johann stehen, in Ansehung der Höflichkeit, ein wenig mit den Sachsenhäusern in Frankfurt am Main in gleichem Rufe; in Saarbrück selbst hingegen habe ich die Leute immer sehr gesittet und gegen Fremde zuvorkommend und gastfrey gefunden. Was mich noch freuet, ist, daß, ungeachtet der Nachbarschaft von Frankreich, sich hier unter den Bürgern aller Classen so viel teutsche Gradheit und Biederherzigkeit erhalten haben. Hierin geht ihnen der regierende Fürst mit gutem Beyspiele vor, der, obgleich er selbst so lange in französischen Diensten gewesen ist – (Sein Haus besaß vor der Revolution ein eigenes, sehr schönes, ausgezeichnetes Infanterie-Regiment in denselben und ein anders von schwerer Cavallerie wurde für ihn errichtet) dennoch der Gallomanie und Nachahmungssucht, wovon die Rheingegenden so sehr angesteckt sind, äusserst feind ist. An seinem Hofe wird fast immer teutsch geredet; Er hat ein Liebhaber-Theater errichtet, auf welchem er selbst, wenn er gesund ist, (seit einiger Zeit ist er unpäßlich) die gute Fürstinn, der Hof und zuweilen Fremde, die sich hier aufhalten, vaterländische Stücke aufführen. Ausser dem kleinen Schauspiel-Saale, der im Schlosse ist, hat der Fürst noch ein sehr geschmackvolles großes Comödienhaus in der Stadt zu diesem Gebrauche erbauen lassen. Ich habe mehrmals von Metz aus diesen Vorstellungen beygewohnt und manche Schauspiele in großer Vollkommenheit aufführen gesehn.
Das hiesige Schloss gehört mit zu den schönsten Fürsten-Wohnungen in Teutschland. Es besteht aus einem Corps de logis mit zwey Flügeln und einigen Neben-Gebäuden, liegt, nach der Stadt zu, an einem freyen Platze, wo es sehr gut in die Augen fällt und hat an zwey andern Seiten, über einen geschmackvoll eingerichteten Schloßgarten hinaus, eine herrliche Aussicht in die umliegende schöne Gegend.
[…] Der regierende Fürst lebt mit seiner jetzigen vortrefflichen Gemahlinn, die er sich, mit Hinwegsetzung über die elenden Convenienzen von Stand und Geburt, nach seinem Herzen gewählt hat, ein glückliches häusliches Leben, wovon so wenig Fürsten einen Begriff haben. [→ Katharina Kest] Er erfüllt dabei pünctlich seinen Beruf und geht keinen Abend zur Ruhe, ohne alles gelesen und überlegt zu haben, was ihm eingereicht worden ist und am folgenden Tage entschieden und ausgefertigt werden soll; Ordnung, weise Sparsamkeit und strenge Gerechtigkeit bezeichnen jeden seiner Schritte, und dennoch ist sein Hofstaat glänzender und sein Gefolge zahlreicher, wie an manchen viel größern Höfen – So viel kömmt auf eine weise Einrichtung und ordentliche Verwaltung der Finanzen an!
Adolph Knigge: Briefe, auf einer Reise aus Lothringen nach Niedersachsen geschrieben. Hannover 1793
Schließen
Luise, eine Tochter Ludwigs und seiner Gattin Katharina, absolvierte einen Teil ihrer Ausbildung im Hause Knigge in Bremen. (→ Katharina Kest)
Außer der Beschreibung der Saarbrücker Residenz liefert Knigge in seinen Briefen aus Lothringen auch eine Beschreibung des Saarbrücker Ludwigsparks und des Halbergs sowie vom Jagdschloss des Fürsten in Jägersburg (heute Stadtteil von Homburg). (RP)