Chris Schrauff

geb. 1950 in Marburg/Lahn

1954 Umzug nach Saarbrücken. Schrauff studiert ab 1968 Philosophie, Germanistik und Musik (Examen 1973), ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter (1970-74), leistet dann seinen Zivildienst im Evangelischen Krankenhaus Saarbrücken, und zwar in der Pflege und in der Schlosserei. Von 1977 bis 1983 ist er Mitglied im Kneipenkollektiv des Szenelokals Bingert im Saarbrücker Nauwieser Viertel, gleichzeitig arbeitet er als freiberuflicher Lektor für den Saarländischen Rundfunk (Fernsehspiel, Hörspiel, Kinderfunk). Anschließend wirkt er als Geschäftsführer der Fahrradladen GmbH Saarbrücken, macht 1985 eine Ausbildung zum Fahrradrahmenbauer, wird 1986 Mitarbeiter einer Firma für Fahrradrahmenbau in Kassel. Von 1988 bis 1993 arbeitet er wieder beim SR, und zwar als Dramaturg beim Fernsehspiel unter Martin Buchhorn. Seit 1993 lebt Chris Schrauff als freier Autor in Saarbrücken.

Er veröffentlicht seit 1977 Bücher, zunächst mit Gedichten, dann auch mit Prosa. Die 2001 im Saarbrücker PoCul-Verlag erschienenen „Versammelten Werke“ in einem Band enthalten neben neuen Texte die früheren Veröffentlichungen, vom Autor leicht überarbeitet.

Schrauff arbeitet von Anfang an, von 1998 bis 2009, ehrenamtlich im Lektorat der Topicana-Buchreihe des Saarländischen Schriftstellerverbands (VS).

Die „Saarbrücker Zeitung“ nennt ihn, der seit jeher im Nauwieser Viertel wohnt, 2001 „eine Art Ikone der alternativen Stadtkultur“.

Foto der mit Schreibmaschine getippten Seite

Seite aus dem von Chris Schrauff herausgegebenen Handbuch des Fahrradrahmenbaus. Foto: von Regine Schrauff

Chris Schrauff ist ein leidenschaftlicher Anhänger der analogen Welt, die sich für ihn im Fahrrad verkörpert, mit dem er sich theoretisch und praktisch beschäftigt. Er übersetzt 1987 Paul Proteus’ Handbuch des Rahmenbaus. Arnfrid Astel hat Schrauff ein Epigramm gewidmet, in dem es heißt: „Auf der Stelle / tritt die Zeit / in seiner Werkstatt“. In Schrauffs erstem Gedichtband „bilderbuch“ begegnet man Ventilen, Kugellagern und Schrauben.

Als Autor beginnt Schrauff mit Gedichten, die später von ihm bevorzugte Form der Kurzprosa lebt gleichfalls von der Verknappung, dem präzisen Wort. Er liebt die Absurdität von Gedanken und Formulierungen, das lässige Überschreiten der Grenzen von Logik und Realismus. Gelegentlich greift er, wenn auch persiflierend, auf die Märchenform zurück, mal länger („Der arbeitslose Prinz“), mal zahllose kurze „Es war einmal“-Geschichten aneinanderreihend. Auch mit Engeln beschäftigt er sich intensiv: „Im Grund genommen sind die Engel Angelwürmer Gottes.“ („Fragmenta angelorum“). Meist ist schwer zu sagen, wie ernst ihm etwas ist. Näher am selbst Erlebten ist er mit den pointierten Impressionen von einer Fahrradtour durch Frankreich („Das Schwein im Brunnen“) oder mit der Erinnerung an all die Mädchen und Frauen, mit denen er mal Sex hatte oder haben wollte („Die Rose mit dem Schalter“). Dem Text „Der Seeweg nach Zermatt“ hat er ein bezeichnendes Kant-Zitat vorangestellt, demzufolge der vorliegende Text „den Leser nach der Beschaffenheit der Sache völlig befriedigen soll, indem er das Vornehmste nicht verstehen, das Andere nicht glauben, das Übrige aber belachen wird“.

Durch seinen Saarbrücker Schriftstellerkollegen Mark Heydrich geht Chris Schrauff in die Literatur ein. In Heydrichs Text „Mein Lektor“ aus dem Prosaband „Cloud City“ (2013) figuriert er als „sozusagen mein Hauslektor“, durch dessen Hände alle seine literarischen Arbeiten gehen. Da Chris Schrauff durch sein Lektorat der Buchreihe des Schriftstellerverbands auch einige andere saarländische Autoren beeinflusst hat, ist es interessant, bei Heydrich zu erfahren, dass er den Schriftstellern aus der Region „nur bedingt etwas abgewinnen kann („alles Schwätzer“), weil er ein Anhänger des lakonischen Stils von Autoren wie Raymond Carver oder Ernest Hemingway ist. (RP)