Didier Hinz

geb. 10. Jan. 1950 in Casablanca

Portraitfoto Didier Hinz

Foto: Privat

Als Sohn saarländischer Auswanderer ist Didier Hinz in Marokko geboren. Er ist Verfasser zahlreicher Reisebildbände, in seinem Buch „Casablanca“ von 2022 erzählt er zum ersten Mal ausführlicher die Geschichte seiner Familie.

Die Eltern Theo Alexander und Hilde Lennartz stammen aus Saarbrücken. Die Mutter ist Hausfrau, der Vater Wissenschaftler. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg ziehen die Eltern nach Frankfurt am Main, wo der Vater erst Pharmazie, dann Chemie studiert, 1941 in Chemie promoviert und sich kurz vor Kriegsende habilitiert. Seine Universitätskarriere endet, als er, der politisch Unbelastete, sich nach dem Krieg weigert, ehemaligen Nazis so genannte Persilscheine auszustellen. Er wird daraufhin systematisch gemobbt und entschließt sich zur Auswanderung mit seiner schwangeren Frau und zwei Söhnen aus Deutschland.

Karte mit eingezeichneter Route

Die Route nach Casablanca

Seine Route nach Marokko entspricht der klassischen Flüchtlingsroute über das Mittelmeer zur Zeit des Faschismus, wie sie im Vorspann der Filmklassikers „Casablanca“ nachgezeichnet wird. Ohne Beziehungen zu dem Land, nur mit Schulkenntnissen der französischen Sprache beginnt Theo Alexander Lennartz sich in Casablanca eine neue Existenz aufzubauen.

Marokko ist seinerzeit noch französische Kolonie und Casablanca „eine dynamische und in jeder Hinsicht moderne französische Metropole“, ein „einzigartiger Schmelztiegel der Kulturen und Religionen“ (Didier Hinz). Der Vater ist handwerklich geschickt, er erwirbt ein preiswertes Grundstück in einem ländlichen Vorort, errichtet dort mit eigenen Händen ein Wohnhaus aus Holz und dann weitere Gebäude für eine kleine Heimwerkstätte, in der er zuerst Holzleim, dann Geschirrspülmittel und Insektizide herstellt. Dabei ist er sich nicht zu schade, seine Waren in einem Bauchladen auf Märkten anzubieten.

Der Vater mit Bauchladen

1957, Der Vater mit Bauchladen, Foto: Privat

Didier Lennartz, der sich später nach seiner zweiten Frau Didier Hinz nennen wird, ist wenige Wochen nach der Ankunft der Familie in Casablanca zur Welt gekommen. Da es die Zeit des halbautonomen Saar-Staates unter Johannes Hoffmann ist, weist ihn seine Geburtsurkunde als „Sarrois“ (Saarländer) aus. Als Didier Lennartz die Grundschule besucht, muss er zunächst einmal Französisch lernen, da zu Hause nur (gemäßigt) Saarbrücker Platt gesprochen wird. Das ist 1956, im Jahr der Entlassung Marokkos in die Unabhängigkeit. (Noch ein Saarland-Bezug: Im Jahr zuvor ist Gilbert Grandval, zuvor Hoher Kommissar, dann Botschafter Frankreichs im Saarland, für kurze Zeit französischer Generalresident in Marokko.) Im Gymnasium – benannt nach dem ersten Generalresidenten, dem Lothringer Hubert Lyautey – wird Didier „irgendwann sogar als Deutscher akzeptiert“.

Als rund ein Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit der arabische Nationalismus in Marokko immer prägender wird, verlassen die europäischen Siedler scharenweise das Land, die Familie Lennartz lässt sich in Wiesbaden nieder. Nur Didier bleibt noch zwei Jahre in Casablanca, um dort das Abitur zu machen. Danach studiert er in Saarbrücken Physik und Informatik und verdient dann sein Geld im IT-Bereich. 1989, schon unter dem Namen Didier Hinz, promoviert er bei dem renommierten Saarbrücker Informatiker Wolfgang Paul.

„Mit den Jahren aber riefen mich die Geister meiner Jugend zurück. Ich wollte verstehen, in welcher Welt ich damals lebte. […] Ich wollte mir meine eigene Meinung vom europäischen Kolonialismus bilden.“ Er beginnt, die arabische Welt zu bereisen, seine Sommerurlaube verbringt er regelmäßig in Casablanca. Frucht seiner Reisen sind mehrere Bildbände, die er zuerst im Selbstverlag, dann bei BHN-Books, dem Berliner Verlag seines Sohnes Alexander Hinz, herausbringt. (Siehe Homepage von Didier Hinz)

Beim 2022 erschienenen „Casablanca“-Buch steht, trotz Illustration durch zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos, der Text im Vordergrund. Den Rahmen bildet die Erzählung von einer seiner Reisen nach Marokko, bei der er bewusst die auch vom Vater gewählte Landroute über Frankreich und Spanien nimmt. „Das historisch gewachsene, meist friedliche Miteinander ist offenbar lebendig geblieben und hat Casablanca zu einer weltoffenen, multikulturellen Metropole werden lassen, eine Seltenheit in der muslimischen Welt von heute.“

mit der Mutter in Casablanca auf Bank

1953 mit der Mutter in Casablanca, Foto: Privat

Und so nimmt er den Leser mit auf seinen Streifzügen durch die Viertel der Stadt, schildert anschaulich die Atmosphäre, erzählt von Begegnungen mit alten Bekannten, genießt den Aufenthalt in typischen Restaurants. Geschickt verbindet er die Reiseerzählung mit historischen Exkursen, die nie in langweilige Faktenaufzählung ausarten. Wenn er Stätten seiner Kindheit aufsucht, registriert er Veränderungen, die ihm nicht gefallen, aber er verfällt nicht in Nostalgie. Das autobiographische Element steht nicht im Vordergrund, erst nach über 200 (von fast 500) Seiten beginnt Didier Hinz, die Geschichte seiner Familie zu erzählen. (RP)