geb. 16. Jan. 1957 in Rüsselsheim

Foto: Privat
Hinter der Berufsangabe „Autor, Lektor, Dramaturg“ auf seiner Homepage verbirgt sich eine multimediale kreative Tätigkeit, die nicht dem traditionellen Bild vom Schriftsteller entspricht.
Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium, Studium der Psychologie. Seit 1977 im Saarland. Teilnehmer an Arnfrid Astels Schreibseminar an der Saar-Uni – einer der wenigen, die daraufhin das Schreiben zu ihrer Existenzgrundlage gemacht haben. In einem Beitrag für das Buch „Seit ein Gespräch wir sind“ hat Erhard Schmied 1982 erzählt, wie er als 22jähriger nach einem plötzlichen Entschluss einen Roman schreibt, „ein konfuse Geschichte über die Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer älteren Frau“. Und wie er dann auf einen Aushang am Schwarzen Brett hin in Astels Schreibseminar an der Uni gerät. Ob ihn das weitergebracht hat, verrät er nicht. Jedenfalls, dass er dann ein Profischreiber wird, ist eigentlich gegen Astels Intention. (Und einen Roman hat Erhard Schmied dann doch nie veröffentlicht.)
Erhard Schmied ist einer der wenigen Autoren im Saarland, die vom Schreiben leben. Dabei ist die Zahl seiner veröffentlichten Bücher überschaubar. Er begann in den 1980er Jahren mit Gedichten und Kurzgeschichten, war da auch erfolgreich, bekam Preise. Sein erstes Hörspiel schrieb er für den SR, es war die Radiofassung eines seiner Prosatexte. 1984 war er Saarbrücker Stadtteilautor für St. Johann, aus diesem Anlass geschriebene Texte sind in dem Band „Die andere Seite des Wahnsinns“ veröffentlicht. Nachdem Martin Buchhorn 1984 Fernsehspielchef beim Saarländischen Rundfunk geworden war, entwickelte Schmied zusammen mit Charly Bick eine Idee für einen „Tatort“ mit Jochen Senf. Parallel zur Ausarbeitung des Stoffes, der dann auch verfilmt wurde („Blue Lady“, Erstsendung 9.12.1990), besuchte Erhard Schmied eine Drehbuchwerkstatt. Es folgten die „Tatort“-Drehbücher für „Strafstoß“ (mit Peter Zingler, 1999) und „Die Möwe“ (2000).
Damit begann für ihn die Entwicklung hin zum Schreiben von Drehbüchern und Hörspielen, dann auch von Theaterstücken für Kinder und Jugendliche. Gelegentlich bearbeitet Erhard Schmied den gleichen Stoff für verschiedene Medien; so wurde „Bloß weg hier/Shadow Fighter“, ein Krimi für Kinder ab 8 Jahren, 2004 zunächst vom Saarbrücker Theater auf die Bühne gebracht, 2005 wurde es von mehreren ARD-Anstalten als Hörspiel gesendet, 2016 kam es unter dem Titel „Unheimlicher Besuch“ als Kurzroman für die Sekundarstufe 1 in einem Lehrerfachverlag heraus.
2023 erscheint bei Éditions Trêves der Band „Die kuriosen Fälle des Kommissar Rothmann“, der Episoden versammelt, die für den Sendeplatz „Hörstücke“ des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) entstanden und dort mit großem Erfolg gelaufen sind.
Erhard Schmied bietet bei verschiedenen Trägern nicht nur im Saarland, sondern an verschiedenen Orten in Deutschland und in der Schweiz und in Österreich Workshops und Seminare zum szenischen Schreiben und zum Hörspiel an, er arbeitet als Dozent an der Saar-Uni und an der PH Luzern. Sein Schwerpunkt als Autor liegt heute im Bereich Hörspiel. (RP)
ZITAT
Auszug aus einem RadioTATORT von Erhard Schmied („Grüsse aus Fukushima“), SR 2013
Die gleiche Szene auch als Audio aus SR-Archiv
MICHEL PAQUET: 52. Hauptkommissar. Ein erfahrener Beamter, der hin und wieder ein wenig harmlos wirkt. Doch Vorsicht – der Schein trügt.
AMELIE GENTNER: 25. Eine Beamtin im mittleren Dienst, die gerade erst ihre Ausbildung beendet hat. Eine neugierige und manchmal vorlaute Person, die sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen lässt.
SASKIA EISENBEISS: 30. Ist zu allem entschlossen.
BERND WOHLERS: 45. Der in die Jahre gekommene Sponti ist nicht nur in ökologischer Hinsicht engagiert.
JULIEN LAZARE: 50. Hat an einer Pariser Eliteuniversität studiert.
INA DURAND: 40. Liebt ihre saarländische Heimat.
CHARLOTTE: 18. Eine von Paquets Töchtern.
STIMME ÜBER MEGAPHON
DEMONSTRANTEN
1. HAUS PAQUET
PAQUET: Charlotte, is‘ irgendwas?
CHARLOTTE: Wieso?
PAQUET: Weil du dauernd hinter mir her rennst. Schon seit Tagen.
CHARLOTTE: Papa, das bildest du dir ein. Und selbst wenn… Sei froh, dass deine Tochter so an dir hängt.
PAQUET: Und hör‘ bitte auf, ständig das Licht auszumachen.
CHARLOTTE: Sowas nennt man Energiesparen. Jede Kilowattstunde, die du weniger verbrauchst, hilft, die Welt zu retten!
PAQUET: (seufzt) Das tu‘ ich schon als Polizist.
CHARLOTTE: Papa, wie tickst du denn?! (Pause) Dass wir unseren Strom noch immer von diesem Energieriesen beziehen, ist übrigens auch ein Skandal! Aber was soll’s… Wir wechseln sowieso…
PAQUET: (verständnislos) Wie…?
CHARLOTTE: Ökostrom ist jetzt angesagt. Mama ist auch dafür.
PAQUET: (seufzt) Macht, was ihr wollt. Aber lass bitte die Lampe an. Ich muss nochmal ins Bad.
CHARLOTTE: Zu spät.
(HANDY KLINGELT)
PAQUET: (ins Telefon) Paquet, Mordkommission?!
2. PARKPLATZ
(SCHRITTE)
GENTNER: Warum haben Sie denn nichts gesagt? Ich hätte Sie doch zuhause abgeholt….
PAQUET: War ja nicht weit. Außerdem geh‘ ich gern‘ zu Fuß.
GENTNER: Ich bin schon ganz aufgeregt! Die erste Leiche, bei der ich ermitteln darf. Selbstständig! (räumt ein) Zusammen mit Ihnen … natürlich…
PAQUET: Ich hatte auch Lampenfieber, beim ersten Mal. Aber … das vergeht.
(BEIBEN STEHEN)
GENTNER: Der Tote heißt Charles Durand. Fünfundvierzig. Franzose. Wohnhaft hier in Saarlouis. (Pause) Sie fragen sich bestimmt, woher ich das weiß.
PAQUET: Schätze, Sie haben in sein Portemonnaie gesehen.
GENTNER: Bevor die Spurensicherung hier war?! Ganz so unbedarft bin ich nun auch wieder nicht. (Pause) Wie Sie sehen, trägt er Sportklamotten. Also hab‘ ich mich bisschen umgehört. Drüben, im Fitnesscenter. Und siehe da: Die kennen den!
PAQUET: Da hab‘ ich auch mal trainiert. Ist aber schon ‘ne Weile her.
GENTNER: (lächelnd) Das sieht man…
PAQUET: Kleiner Tipp: Erinnern Sie Ihren Vorgesetzten nie daran, dass er ein paar Kilo zu viel hat. Das ist nicht gut für die Karriere.
GENTNER: Jedenfalls hat Durand Ihre Muckibude gestern gegen 22 Uhr 30 verlassen. Schätze, seitdem liegt er hier auf dem Parkplatz.
3. WOHNUNG DURAND
PAQUET: Paquet, Mordkommission. Meine Kollegin Gentner.
GENTNER: Mein Beileid.
PAQUET: Frau Durand, ich weiß, es ist nicht leicht, aber … wir müssen mit Ihnen sprechen…
INA DURAND: (tonlos) Ich hab‘ gar nicht gemerkt, dass Charles nicht nach Hause gekommen ist. Wir schlafen seit Jahren getrennt. Mein Mann kam oft spät aus dem Büro … oder vom Sport… Und ich brauche meinen Schlaf.
GENTNER: Und heute früh? Haben Sie sich nicht gefragt, wo Ihr Gatte steckt? Also, wenn mein früherer Freund –
PAQUET (räuspert sich)
INA DURAND: Ich dachte, Charles ist schon wieder los.
PAQUET: Frau Durand, Ihr Mann hat eine schwere Kopfverletzung. Ob von einem Schlag oder einem Sturz wissen wir noch nicht. Es steht jedoch fest, dass die Leiche bewegt worden ist. (Pause) Haben Sie eine Vermutung, was passiert sein könnte?
INA DURAND: Nein.
PAQUET: Die Wagentür stand offen. Handy, Laptop, Brieftasche… Alles noch da. Raubmord kommt also nicht in Frage. (Pause) War denn irgendwas merkwürdig in letzter Zeit…? Hat er sich anders verhalten als sonst?
INA DURAND: Nicht, dass ich wüsste. (Pause) Das heißt…
PAQUET: Ja?
INA DURAND: Charles war eigentlich ein lebenslustiger Mann. Aber seit einem Vierteljahr… Ich hatte den Eindruck, er zieht sich immer mehr in sich zurück. Nicht, dass wir uns nicht mehr verstanden hätten, aber… (Pause) Und dann diese Telefonate. Charles hat gedacht, ich krieg‘ das nicht mit. Aber glauben Sie mir, jede Frau merkt, wenn ihr Mann zum Telefonieren ins Nebenzimmer geht.
GENTNER: Das kann ich bestätigen. Mein früherer Freund zum Beispiel –
PAQUET: (unterbricht – zu Frau Durand) Mit wem hat er telefoniert?
INA DURAND: Es gehört nicht zu meinen Vorstellungen einer guten Ehe, den Partner zur Rede zu stellen. Charles hätte mir ohnehin nichts gesagt … falls da etwas gewesen wäre … mit einer anderen Frau, meine ich. Er war ein sehr verschwiegener Mensch.
GENTNER: Aber was Ihr Mann beruflich gemacht hat, das wissen Sie doch bestimmt.
INA DURAND: Er war Ingenieur. Bei der ÉdF.
PAQUET: Électricité de France. (Pause) Hat Ihr Mann im Atomkraftwerk gearbeitet?
INA DURAND: Ja, in Cattenom. Drüben in Frankreich.
4. IM WAGEN
(UNTERWEGS)
PAQUET: Frau Gentner, Sie müssen sich etwas mehr zurückhalten. Vor allem in solchen Situationen. Vorne links. Die Frau hat gerade ihren Mann verloren.
GENTNER: Ich dachte, ein bisschen Eigeninitiative kann nicht schaden.
PAQUET: Und wenn ich Sie daran erinnern darf: Ich führe die Ermittlungen. Nicht Sie. Jetzt immer geradeaus.
GENTNER: Aber durch die Gegend kutschieren darf ich Sie schon.
(FREIZEICHEN)
Warum fahren Sie eigentlich nicht selbst? Ist das so ‘n Männerding? Die kleine Frau fährt… Oder ist das eine Frage der Laufbahn? Mittlerer Dienst … gehobener… Und der mittlere darf wie immer die Drecksarbeit machen…
PAQUET: Nu‘ übertreiben Sie mal nicht.
GENTNER: Klar, jemand wie ich, die gerade erst mit der Ausbildung durch ist, der wird eh nicht ernst genommen…
PAQUET: (antwortet nicht)
GENTNER: In meiner Arbeitsplatzbeschreibung steht davon jedenfalls nichts.
PAQUET: (seufzt) Ich würde vorschlagen, wir beschäftigen uns mit dem Fall.
GENTNER: Alles klar. Sie sind der Boss.
PAQUET: Fakt ist: Mit Durands Handy ist ständig die gleiche Nummer angerufen worden. Fast täglich, besonders in letzter Zeit. (Pause) Geht noch immer keiner dran.
GENTNER: Den Teilnehmer kriegen wir auch anders raus.
PAQUET: (lächelnd) Ich wusste, dass Sie das sagen.
GENTNER: Ach, ja?
PAQUET: Sie sind zwar noch nicht lange bei uns … nicht mal eine Woche, um genau zu sein … trotzdem kriegt man so ein Gefühl, wie der andere tickt…
GENTNER: (belustigt) Tickt?! Wo haben Sie denn das aufgeschnappt?
PAQUET: (antwortet nicht)
GENTNER: Hat Ihre frühere Kollegin das eigentlich auch gemacht?
PAQUET: Was?
GENTNER: Den Chauffeur gespielt.
PAQUET: Nein.
GENTNER: Und warum nicht?
SASKIA: (Telefonstimme) Hallo?!
PAQUET: (überrascht – ins Telefon) Michel Paquet. Guten Tag. Wer spricht da, bitte?!
5. KOMMISSARIAT / BÜRO
GENTNER: Tasse Kaffee?
SASKIA: Nein, danke. Mein Magen rebelliert eh schon.
PAQUET: Ihr Name ist Saskia Eisenbeiss, achtundzwanzig, wohnhaft in Saarlouis. LKW-Fahrerin… Ausgefallener Beruf für eine Frau.
SASKIA: Find‘ ich nicht. Aber wenn es Sie beruhigt: Ich fahr‘ nur ein paar Touren im Monat.
PAQUET: Charles Durand hat Sie also kontaktiert.
SASKIA: Wir sind im gleichen Fitnessclub… Da hat er mich irgendwann angesprochen.
PAQUET: Warum?
SASKIA: Weil er in Cattenom gearbeitet hat. Und sich Gedanken gemacht hat. Seit Fukushima…
PAQUET: Wollen Sie damit sagen, er hat sein ökologisches Gewissen entdeckt?
SASKIA: Wenn Sie es so nennen wollen. (Pause) Ich bin in einer Aktionsgruppe. Gegen Cattenom. Deswegen kam er zu mir.
PAQUET: Eine Bürgerinitiative…
SASKIA: So was in der Art … (Pause) Charles war endgültig klar geworden, dass Atomanlagen nicht beherrschbar sind.
PAQUET: Hat er sich in Ihrer Gruppe engagiert?
SASKIA: Nicht offiziell. Die Électricité de France hätte ihn gefeuert, wenn das rausgekommen wäre. Aber wir haben uns unterhalten. Besonders in letzter Zeit. (Pause) Ich habe ihn dazu ermuntert, mich anzurufen. Wenn einer von denen schon mal die Seiten wechselt…
PAQUET: Gab es einen konkreten Anlass? Ich meine, die Katastrophe in Japan liegt ja schon eine Weile zurück. Sicherheitsmängel. Ein Störfall, der vertuscht worden ist…
SASKIA: Nein. Aber … persönliche Entwicklungen brauchen Zeit.
(SCHWEIGEN)
PAQUET: Hatten Sie was mit ihm?
SASKIA: (empört) Nein!
(TELEFON KLINGELT)
PAQUET: (zu Saskia) ‘Tschuldigung…
(NIMMT DEN HÖRER AB)
(ins Telefon) Paquet, Mordkommission…?!
CHARLOTTE: (Telefonstimme) Papa, ich bin’s…
PAQUET: Charlotte, ich kann gerade nicht…
CHARLOTTE: Ich wollte nur sagen, ich komm‘ heute später. Ich hab‘ noch ’n Termin. Also sag‘ Mama Bescheid. Sonst denkt Sie wieder –
PAQUET: Du, Augenblick mal… (zu Saskia) Frau Eisenbeiss, wir sind eigentlich fertig…
CHARLOTTE: (verwundert) Eisenbeiss?! Saskia Eisenbeiss?! Is‘ die bei dir?
PAQUET: (erstaunt) Ihr kennt euch?!
6. STRASSE
(EINE DEMO GEGEN CATTENOM. SPRECHCHÖRE: „ABSCHALTEN – JETZT, ABSCHALTEN –JETZT…“)
STIMME: (plärrt über Megaphon) Cattenom ist eine Bedrohung für die gesamte Region!
PAQUET: Das ist also dein Termin…
CHARLOTTE: Der eine geht zum Friseur, der andere… (fällt in den Sprechchor ein) Abschalten – jetzt!, abschalten – jetzt!
PAQUET: Charlotte, jetzt hör’ mal einen Moment damit auf!
CHARLOTTE: Papa, wenn du mich in meiner freien Meinungsäußerung einschränken willst, kannst du gleich wieder gehen.
PAQUET: Ich versteh‘ ja, dass du dir Sorgen machst. Wenn ich an Cattenom denke, hab‘ ich auch kein gutes Gefühl.
CHARLOTTE: Und warum tust du nichts dagegen?! (Pause) Tut mir leid. Was ist denn mit Saskia? Deswegen bist du doch hier.
WOHLERS: Macht der Alte dich an?!
CHARLOTTE: Nee, nee, Bernd, lass mal…
WOHLERS: Sag‘ Bescheid, wenn’s Stress gibt. (zu Paquet) Die Kleine steht unter meinem persönlichen Schutz!
PAQUET: Wie reden Sie denn mit mir?!
CHARLOTTE: Du, das … das ist mein Vater…
WOHLERS: Oh. (lacht) So was nennt man wohl einen Fettnapf. Nichts für ungut. Ich bin der Bernd.
CHARLOTTE: Ihm gehört der Bioladen bei uns um die Ecke. (Pause) Papa, er hat’s nicht so gemeint. Nu‘ gib‘ ihm schon die Hand.
PAQUET: (mürrisch) Paquet…
WOHLERS: Find‘ ich toll, dass Sie bei uns mitmachen. (zu Charlotte) Hast du ihn endlich agitiert? (zu Paquet) Manchmal dauert es eine Weile, aber … wir kriegen sie alle!
PAQUET: Charlotte, dann würde ich dich auch gerne mal … agitieren. Unter vier Augen. Und zwar jetzt.
WOHLERS: Das geht nicht. Sie sehen doch, dass wir gerade –
PAQUET: Halten Sie sich da bitte raus, ja!
WOHLERS: (angriffslustig) Na, na, na…
CHARLOTTE: Bernd, sei bloß vorsichtig. Mein Vater ist bei der Polizei. Ein falsches Wort und du wirst verhaftet.
(…)
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