Friedrich-Karl Praetorius

geb. 6. Jan. 1952 in Hamburg

© SR

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Nicht sehr vorteilhaft porträtiert wird die Stadt Saarbrücken vom Theater- und Filmschauspieler Friedrich-Karl Praetorius, der auch als Schriftsteller erfolgreich ist.

Praetorius ist während seiner Laufbahn an großen deutschsprachigen Bühnen engagiert (Bochum, Frankfurt, Stuttgart, Wien), und er arbeitet unter berühmten Regisseuren und Intendanten wie Peter Zadek, Hans Neuenfels oder Ivan Nagel. Er spielt mit in Rainer Werner Fassbinders Kinofilm „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ und ist zu sehen in Fernsehserien wie „Tatort“, „Ein Fall für zwei“ oder „Liebling Kreuzberg“. Daneben verfasst er Theaterstücke, schreibt für den „Spiegel“, die „Zeit“ und die „Frankfurter Rundschau“ und wird als Buchautor bei Suhrkamp und Insel verlegt.

In „Sein oder Nichtsein“, 1995 bei Suhrkamp erschienen, legt er – so der Untertitel – die „Lebensbeichte einer Leiche“ ab. Angeblich wird er von Regisseuren bevorzugt als Toter besetzt („ich, Deutschlands begehrteste Theater- und Filmleiche“). So wird der Tod zu einem der Leitmotive des Buches, das zwischen Tiefsinn und schnoddrig-zynischer Oberflächlichkeit changiert. Zugespitzte Beobachtungen und Sottisen ergießen sich über das deutsche Fernsehspiel- und Theaterwesen, dabei bekommen auch namentlich genannte Größen dieser Szene ihr Fett weg.

Das Buch beginnt in Saarbrücken, wo Praetorius in einem „Tatort“ einen Drogentoten spielen soll. Praetorius karikiert die dort herrschenden Drehbedingungen mit schusseligem Aufnahmeleiter, geschwätziger Maskenbildnerin und gefühlstotem altem Regisseur.

Der Schauspieler „muss jetzt öfter in Sachen Tod nach Saarbrücken“. Mit dem (erfundenen) Interregio „La Fontaine“ reist er „an den linken unteren Rand Deutschlands“. Im Zug sieht er lauter nette, ruhige Leute, „die schon jetzt entspannt sein können, da sie in Saarbrücken nichts erwartet“.

Im „Café Anna“ (wohl „Tante Anna“ in der Türkenstraße) beobachtet er die jungen Mädchen. Er wohnt im Hotel Bauer auf dem Rodenhof (heute Best Western Victor’s Residenz-Hotel Rodenhof). Besucht im August den Deutsch-Französischen Garten: „karger Baumbestand, morsches Geäst, dazwischen Furchen und, je tiefer der Blick dringt, ausgebrannte Steppen, Krater, Vulkane, Tod.“) „Am Staden, dem Saaruferweg, lege ich mich auf eine Bank und träume, dass ich sterbe.“ In der Mainzer Straße fällt ihm das Beerdigungsinstitut auf, das mit dem Slogan „Würdevoll und preiswert“ wirbt („Osiris“). „Der Saarbrücker Flughafen wirkt ausgeräumt, ein Rollfeld, ein Sportfeld, ein Leerfeld; die Leere, die Saarbrücken innewohnt, hier hat sie Platz. Die Abfertigungshalle hat den Charme einer Umkleidekabine einer Turnhalle aus den sechziger Jahren.“ Dann: „Mein Auftrag, in Saarbrücken tot zu sein, ist erledigt.“

Später hat er es mit einem Kollegen zu tun, der von Saarbrücken schwärmt, denn „er habe dort den Max-Ophüls-Preis bekommen für seine schauspielerische Leistung in einem Film mit dem Titel „Wer knackt die Nuss?“ Überhaupt könne man in Saarbrücken leicht Preise bekommen, alles sei dort sehr billig, und, na ja, die Nähe Frankreichs, die schlage sich in der Küche nieder.“

Später kehrt der Erzähler noch einmal nach Saarbrücken zurück, um sich hier (warum gerade in Saarbrücken, bleibt offen) eine Nobelkarosse zu kaufen, einen Jaguar für 40.000 DM. Er wohnt aber diesmal, wo er es selber bezahlen muss, schlichter, im „Hotel am Bahnhof“, einer „Absteige“. Bei diesem Saarbrücken-Aufenthalt ist er vom Pech verfolgt. Der Hotelportier will ihm nicht abnehmen, dass er ein bekannter Schauspieler ist; der Bankautomat schluckt die Kreditkarte; er kommt nicht mehr in sein Auto, der Zündschlüssel des Autos steckt innen, die Zentralverriegelung hat zugeschnappt; und die Polizei schleppt den Wagen ab, weil er im absoluten Halteverbot parkt.

Kein Wunder, dass der Autor mit Saarbrücken keine angenehmen Erinnerungen verbindet. Allerdings, auch an anderen Städten lässt er kein gutes Haar. „Jede Stadt, in der ich ein paar Federn gelassen oder einen Knochen vergraben habe, ist eine Totenstadt… Sobald eine ganze Stadt Kulisse war, ist sie gestorben. Tod in Saarbrücken, in München und auf Rügen – bedeutet auch den Tod von Saarbrücken, München und von Rügen.“

Praetorius als Drogentoter im  SR-„Tatort“ –  © SR

Praetorius als Drogentoter im SR-„Tatort“ – © SR

Praetorius hat tatsächlich 1993 an einem Saarbrücker „Tatort“ mitgewirkt. Der Film hatte den Titel „Kesseltreiben“ und handelte von einem Störfall in einem Luxemburger Atomkraftwerk. Produzent war Martin Buchhorn, den Kommissar spielte Jochen Senf. Praetorius mimt aber keineswegs, wie er der Pointe wegen behauptet, nur einen Drogentoten (der letzten Endes gar kein Drogentoter ist), sondern spielt den Kraftwerksexperten Bekker schon, als der noch lebt und vor einem GAU warnt. So erklärt sich auch, dass Praetorius für die Dreharbeiten mehrfach nach Saarbrücken anreisen musste – für die Darstellung des Toten hätte sicher ein Drehtag genügt. Regie führte Peter Schulze-Rohr, der damals bereits 70 Jahre alt war und der hier zum 15. Mal als Regisseur oder Produzent an einem „Tatort“ mitwirkte.

Auch der Ophüls-Preisträger, der so wohlwollend von Saarbrücken spricht, lässt sich ermitteln. Es handelt sich wohl um den in Mühlhouse im Elsass geborenen Schauspieler Hans-Joachim Grubel (1944-2004), der wie Praetorius im Saarbrücker Tatort „Kesseltreiben“ mitgespielt hatte. Ophüls-Preisträger war er insofern, als der Film „Der Erdnussmann“ (nicht, wie Praetorius schreibt, „Wer knackt die Nuss?“), in dem er die Titelrolle spielte, 1992 beim Saarbrücker Festival den Hauptpreis erhielt; einen speziellen Darstellerpreis, wie er (laut Praetorius) behauptet, hat Grubel allerdings nicht bekommen. (RP)