geb. 28. Juli 1923 in Homburg, gest. 5. Febr. 1998 in Homburg
Hans Leyser war charismatischer Lehrer und kritischer Chronist seiner Kriegserlebnisse wie seiner Heimatstadt Homburg.
Als Kind einer eingesessenen Homburger Kaufmannsfamilie machte Hans Leyser 1941 am Knabenrealgymnasium Abitur, jenem späteren Saarpfalz-Gymnasium also, an dem er zwischen 1952 und 1983 so nachhaltig wie charismatisch Deutsch und Musik unterrichten sollte. Sein in Marburg begonnenes Studium wurde durch den Einsatz und eine schwere Verwundung im Zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen. Nach Kriegsende und dem Untergang von Nazi-Deutschland besuchte er die Universität Frankfurt, wo er unter anderem Adorno hörte und Kommilitone von des Schriftstellers Stephan Hermlin war.
„Bei aller Sinnenfreude war Hans Leyser mit hoher Intelligenz begabt, mit der er sich der Dichtung, der Bildenden Kunst und der Musik zuwandte. Seine rhetorischen und literarischen Interpretationen von Werken der Bildenden Kunst waren Ereignis; von seinem dramatisch-musikalischen Faust-Projekt am Saarpfalz-Gymnasium zur Einweihung der neuen Aula schwärmen heute noch Mitwirkende wie Zuschauer …“, erinnert sein Kollege Paul O. Krick in der Festschrift zum 125. Jubiläum der Homburger Schule.
Mit Eintritt in den Ruhestand zog sich Hans Leyser in seine „Kulturscheune“ im nahen Großbundenbach zurück. Dort verfasste er – quasi als Quintessenz seiner Biografie – das Buch „Elmsfeuer“. Tagebücher, die während des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, kombinierte er darin mit zeitgenössischen Briefen und Lyrik, aber auch mit Reflexionen, Anmerkungen und Ergänzungen im Nachgang und basierend auf späteren Erkenntnissen. Das so geschaffene Kaleidoskop von Texten, Beobachtungen und Fiktionen auf unterschiedlichen Zeitebenen macht das Buch zu einer intensiven Collage seines Lebens im Kontext der Ereignisse. (MB) ZITAT
Zitate von Hans Leyser
Heimkehr 1945
Noch verbirgt die Biegung des Wegs mir
den Anblick der Heimatstadt
die ich sah als ich fern war
in Feuerfeldern.
Da sah ich im Flammenrauch
die Stadt unterm Berghang
mit den Türmen wo Glocken und
den Hallen wo Hämmer schlagen
und mit dem Fenster am Markt
wo meine Mutter stand.
Noch verbirgt die Biegung des Wegs mir
den Anblick der Heimatstadt.
Noch weht überm Berghang
Flammenrauch.
aus Hans Leyer: Elmsfeuer, S. 411/12
Die Kaardeplätsch
September 1946
In dem hübschen einstöckigen Schloßberghäuschen, das vor dem Höhleneingang liegt, wohnen die Neuhardts, eine vielköpfige Geschwisterschar, unter ihnen das Kattrinchen, eine bucklige Liliputanerin mit dünnem rötlichen Haar, runzliger, pergamentfarbener Stirn und wunderbar hellen, sandfarbenen, klugen Augen.
Während der Bombenangriffe der letzten Kriegswochen trieben sich russische Zwangsarbeiter unbeaufsichtigt in den zerstörten Straßen der Stadt und am Schloßberg herum. Die Neuhardts hatten ihnen oft etwas zugesteckt und sie vor dem Hungertod bewahrt, der so viele von ihren Genossen ereilte. Aus Dankbarkeit nahmen die Russen, nachdem die Amerikaner einmarschiert waren, das Häuschen der Neuhardts in Schutz und brachten den Geschwistern allerhand Nützliches bei, zum Beispiel die Zubereitung von Fliegenpilzen zu einer schmackhaften Mahlzeit mit einem anschließenden, angenehmen Meskalinräuschchen. Eine Sibirierin beherrschte das Wahrsagehandwerk und sagte der kleinen Kattrin auf den Kopf zu: „Du wirst das auch können, und besser als ich“. Obwohl sie es anfangs nicht glauben wollte, betreibt die hellsichtige Zwergin seither dieses überaus einträgliche Geschäft und hat Zulauf von überall her. Den Spitznamen hat sie weg: die Kaardeplätsch.
Während der langen Séancen, zu denen die Klienten wie im Ärztewartezimmer ausharren müssen, sitze ich öfter dabei und studiere ihre merkwürdige Praxis. Einmal, nach einem umfangreichen Schicksalsbild, das sie, wie ein Medium, mit tonlos leiernder Stimme bei ständig geschlossenen Augen einem jungen Mann geliefert hatte, saß sie bleich und atemlos da. „Des geht em durch Mark unn Penning“ stöhnte sie und grinste mit vor Erschöpfung verzerrtem Gesicht, „dodevunn werr ich ganz schlockerig“. Da hätte nichts mit den Karten zu tun, gestand sie mir, sondern das wäre „des zwette Gesicht“. Daß sie das hätte, sagte ihr schon die Sibirierin.
Weil sie nicht immer mit dem vollen Einsatz kann – „es strengt mich viel zu viel an“ – bedient sie die übrigen Kunden mehr wie die Bauerntöchter im Hinblick auf Milchkühe und Legehennen. Jetzt in der Hungerzeit ziehen wir alle hinauf zu den Gehöften der Sickinger Höh. Die Kattrin deckt die Karten auf, prophezeit eine glückhafte Zukunft und heimst dafür Provision ein in Form von Butter, Milch, Eiern und gelegentlich Kartoffeln. […]
aus Hans Leyer: Elmsfeuer, S. 457/458
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