Lutz Rathenow

geb. 22. Sept. 1952 in Jena

Foto: Reiner F. Oettinger, SR

Der in der DDR aufgewachsene Schriftsteller sagt von sich, dass er “ohne die Europawelle Saar später kein Dissident geworden wäre”.

Der Lyriker und Prosaautor Lutz Rathenow hört als Jugendlicher regelmäßig die Sendung „Hallo Twen“ auf der Europawelle des Saarländischen Rundfunks. Dass die DDR die von ihm geliebte Beatmusik und das Hören von Westsendern verbot, ist der Beginn seiner Entfremdung von diesem Staat. Als Student in Jena gründet er einen oppositionellen literarischen Arbeitskreis und gerät damit Mitte der 1970er Jahre ins Visier der Stasi. Nachdem er sich mit dem ausgebürgerten Wolf Biermann solidarisiert hat, wird er 1986 zwangsexmatrikuliert. Die Veröffentlichung eines Buches in einem bundesdeutschen Verlag bringt ihn 1980 in Untersuchungshaft. Er veröffentlicht weiterhin in Westverlagen, auch die SR-Literaturabteilung des SR sendet immer wieder Texte von Rathenow. Nach der Wende arbeitet er weiter als Lyriker, Kinderbuchautor und Mitarbeiter von Zeitschriften. 2011 wird er sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Welchen Einfluss das Hören der Europawelle Saar auf die Herausbildung seines politischen Bewusstseins gespielt hat, schildert er 1999 ausführlich in einem Beitrag für SR 2 KulturRadio (leicht gekürzter Text unter www.sr.de/Lutz_Rathenow Über Saarbrücken heißt es dort: „Meine Lebensgeschichte verband mich immer wieder mit dieser Stadt oder mit dem, was ich mir unter dieser Stadt vorstellte. […] Saarbrücken wäre sehr weit weg gewesen, wenn nicht die Europawelle Saar es nah an mich herangespielt hätte.“ Als Schüler wird für ihn die „Stimme Saarbrückens“ zur sympathischen „Stimme des Westens“. Rathenow wiederholt noch einmal seine Aussage vom Anfang des Essays, „ohne die Europawelle Saar nie Dissident geworden zu sein“, und fügt hinzu: „Ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinen experimentier- und honorarfreudigen Literaturredaktionen hätte ich sicher keiner bleiben können.“ (RP)