Friedrich Schlomo Rülf
geb. 13. Mai 1896 in Braunschweig, gest. 13. Aug. 1976 in Vevey (Schweiz)
Schlomo Rülf hat als Saarbrücker Rabbiner in der Zeit vor der Volksabstimmung von 1935 für den Status quo gekämpft und sich dann für Ausreisemöglichkeiten der saarländischen Juden eingesetzt.
Er studiert in Breslau am Rabbinerseminar jüdische Theologie; promoviert an der Universität Erlangen mit einer Arbeit über den Philosophen Immanuel Kant; im Ersten Weltkrieg ist er Feldhilfsgeistlicher, 1923 bis 1936 Rabbiner und Leiter der Religionsschule des Schulvereins am Hamburger Tempel, 1926 Rabbiner in Bamberg.
1929 wird Schlomo Rülf Rabbiner in Saarbrücken. Die Gemeinde umfasst die Stadt und den Landreis Saarbrücken. In seinen Erinnerungen beschreibt er die Atmosphäre in der Stadt zu der Zeit, als das Saargebiet nach dem Ersten Weltkrieg dem Völkerbund untersteht, als „international, denn sie war eine Brücke von Mitteleuropa zur westlichen Welt“. Man habe „noch im liberalen Geist des Rheinlands vor dem Weltkriege“ gelebt. Die Juden hätten sich „in einer solchen Atmosphäre von Arbeit, Zufriedenheit und Fortschritt wohl fühlen“ können.
Das ändert sich, nachdem Hitler im Reich an die Macht gekommen ist und dann verstärkt im Vorfeld der saarländischen Volksabstimmung vom 13. Januar 1935. Schon ab 1933, also noch zur Völkerbundszeit, setzen im Saarland Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte ein. Deshalb, und wegen weiterer ständig zunehmender Repressionen und der antijüdischen Stimmung in der Stadt verlassen bereits 1933 jüdische Einwohner die Stadt.
Nachdem 1934 vor allem Kinder und Jugendliche von Mitschülern angegriffen und von Lehrern und Lehrherren diskriminiert werden und auch Lehrer, die keine Nazis sind, die Übergriffe dulden und die jüdischen Schüler vom Gymnasium verwiesen werden, betreibt Schlomo Rülf die Gründung einer eigenen Schule in der alten Schillerschule. In Wort und Schrift tritt er gegen die Nationalsozialisten auf und wirbt im Vorfeld der Abstimmung für den Status quo. Mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gründet er einen Widerstandskreis, der sich „Komitee“ nennt und im Untergrund wirken soll.
Nach dem 13. Januar 1935 kommt es im Saarland zu antijüdischen Ausschreitungen, so dass der Ausreisedruck noch einmal steigt. Als jüdischer Vertreter beim Völkerbund ist Rülf maßgeblich daran beteiligt, den Nazis ein Abkommen abzuringen, das den Rechtsstatus der Juden des Saargebietes bis zum 29. Februar 1936 nicht verändert und jedem die Möglichkeit der Ausreise unter Mitnahme seiner Vermögenswerte lässt.
Für Herbert Jochum, den Vorsitzenden der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes, ist Schlomo Rülf zur Zeit seines Wirkens in Saarbrücken „eine der bedeutendsten Personen der saarländischen Zeitgeschichte“ geworden. Er kritisiert: „Die Leistungen des von ihm gegründeten und geleiteten jüdischen ‚Komitees‘ im Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind in der saarländischen Widerstandsgeschichte nie erkannt und gewürdigt worden.“
Rülf emigriert Anfang Januar 1935 nach Palästina, wo er bis 1951 als Lehrer, Schulleiter und Rabbiner tätig ist. In dieser Zeit entsteht die Idee eines „Israel-Hilfswerks der Saar-Juden“, die in Nahariya an der Weizmann-Schule eine Küche zur Schulspeisung und Kochunterricht finanziert. In Nahariya im Norden Israels wirkt Rülf ab 1937 bis zu seiner Pensionierung als Lehrer und Schulleiter. Im Ruhestand widmet er sich sozialen Aufgaben. 1951 kehrt er nach Saarbrücken zurück, hält die Weiherede bei der Eröffnung der neuen Synagoge am Beethovenplatz und bleibt für ein Jahr als Gemeinderabbiner.1 Mehrmals kommt er später zu kurzen Aufenthalten nach Saarbrücken. Er stirbt im Alter von 80 Jahren auf einer Reise in der Schweiz.
Die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes (CJAS) stiftet 1997 die Friedrich-Schlomo-Rülf-Medaille für Personen, Institutionen oder Initiativen, die sich um die Verständigung zwischen Juden und Christen verdient gemacht haben. Seit 2008 heißt der Platz vor dem Saarcenter in Saarbrücken Rabbiner-Rülf-Platz. Er wird 2012/13 völlig neu gestaltet und im November 2013 neu eingeweiht.2
Schlomo Rülfs Erinnerungen erscheinen 1964 unter dem Titel „Ströme im dürren Land“ bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart. Der St. Ingberter Röhrig-Verlag veröffentlicht 2013 eine Neuauflage mit einem Nachwort von Herbert Jochum. 2015 zeigt der SR Gabi Heleen Bollingers Dokumentation „Geschichte weitererzählen: Der Rabbiner Schlomo Rülf“. Der 28-minütige Film wird an Karfreitag 2021, achtzig Jahre nach der Auswanderung des Rabbiners, noch einmal ausgestrahlt. (RP)