13. Bismarckbrücke
Im Treppenabgang zum Willi-Graf-Ufer ist an einem Brückenpfeiler eine Gedenktafel angebracht, die das fünfte Flugblatt der Weißen Rose zitiert: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch,
e h e s z u s p ä t i s t.“
An der Bismarckbrücke stellen wir uns die Frage, wann und wo genau Wilhelm Bollinger nach Willi Grafs Verhaftung das Vervielfältigungsgerät in die Saar geworfen hat. Was war geschehen? Nachdem bereits die BBC über die Hinrichtung der Geschwister Scholl am 22. Februar 1943 berichtet hatte, rechnete auch Heinz Bollinger in Freiburg mit seiner Verhaftung. Am 5. März 1943 war es so weit: die Gestapo stand vor der Tür. Bollingers Vermieterin vertröstete sie geistesgegenwärtig auf den Abend, so dass Heinz Bollinger Zeit gewann, um sich vorzubereiten und die Gefährten zu warnen. Ein Freund aus Burbach, der spätere saarländische Schriftsteller Werner Reinert („In diesem Land“; „Der Dicke muss weg“), damals nach einer in Stalingrad erlittenen
Kriegsverletzung bei einer Genesungskompanie in Straßburg, war bei Heinz Bollinger in Freiburg zu Besuch. Er übernahm es, nach Saarbrücken zu fahren und Wilhelm Bollinger über die Verhaftung seines Bruders zu informieren. Wilhelm Bollinger packte daraufhin alles – Waffen, Flugblätter, Abzugsgerät und die beim Vervielfältigen benutzten Gummihandschuhe – in einen Koffer und versenkte diesen in der Saar. Dies teilte Werner Reinert Anneliese Knoop-Graf im September 1985 mit. [1]
Von wo schleppte Wilhelm Bollinger den Koffer an die Saar? Wo war das Risiko, erwischt zu werden, geringer? Dem Reservelazarett in der Virchowstraße lag die Bismarckbrücke am nächsten. Von seiner Wohnung in der Wilhelmstraße 12 in Burbach führte der kürzeste Weg an die Saar – allerdings teilweise durch Burbacher Hüttengelände – zur Schanzenbergbrücke. Über sie führt die kürzeste Verbindung zwischen Burbach und Alt-Saarbrücken. Wie, wo und wann Wilhelm Bollinger den Koffer tatsächlich in die Saar warf, werden wir wohl nicht mehr erfahren.
[1] Nach Knoop-Graf, Anneliese / Jens, Inge (Hrsg.): Willi Graf. Briefe und Aufzeichnungen. Frankfurt am Main 1988, S. 314