Seit 1960 grüßt vom Hang des Fischerberges der unverwechselbare rot-weiße Kirchturm von St. Barbara die Reisenden, die unten längs der Saar im Auto oder Zug vorbeifahren. 1974 wurde das Dorf mit seinen etwa 800 EinwohnerInnen ein Gemeindebezirk von Beckingen. Urkunden aus dem Jahr 1220 erwähnen die Siedlung als Fuckingen; in späteren Jahrhunderten wurde Fuchkingen daraus, schließlich Fickingen. Obwohl der Name nicht auf das unaussprechliche Wort mit den vier Buchstaben zurückgeht, sondern wahrscheinlich auf den Vornamen eines Grundherren, beantragte die Gemeinde 1923 bei der Regierungskommission des Völkerbundes im Saargebiet eine Änderung des anstößig klingenden Namens. Seither heißt Fickingen Saarfels.
Relikte früherer Erwerbsquellen finden sich heute noch, verweisen auf Landwirtschaft und Weinbau, einen Mühlenbetrieb, auf Buntsand- und Kalksteinabbau mit Kalkgewinnung. Inzwischen ist Saarfels ein reiner Wohnort vor allem für die Beschäftigten der Industrie, des Handels und der Verwaltung längs der mittleren Saar. Ältestes Bauwerk ist die etwa 400 Jahre alte St. Barbara-Kapelle, die erste katholische Kirche im Ort, die nach Weihung der Pfarrkirche St. Barbara nach dem zweiten Schutzheiligen der Gemeinde Wendalinuskapelle genannt wird. Der Blick ins Saartal ist spektakulär und von Wetter zu Wetter anders. Für die Autorin Cäcilia Seiwert ist Saarfels der Schauplatz behüteter Kindheitsjahre. Die hat sie in ihrem Buch „Den Vögeln der Himmel“ für die Nachwelt festgehalten und dabei ihrem Saarfels ein Denkmal gesetzt. ZITAT
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Das richtige Papier – Gedanken beim Drachenbauen zum Fortschritt der Zivilisation
Cäcilia und Bernhard Seiwert bauen mit Hilfe ihres Vaters einen Drachen aus Tapetenleisten, Papier und Wurstschnur, um ihn auf den Saarfelser Wiesen steigen zu lassen. Dabei denken sie darüber nach, warum Zeitungspapier für den Drachenbau nicht in Frage kommt. Das weckt in den LeserInnen Erinnerungen, die zahlreiche saarländische Kinder der 1950er und 1960er Jahre teilen.
Meinem Opa mütterlicherseits ging […] der Kauf eigens für die Toilette aufgerollter Papierstreifen entschieden zu weit. Wozu hatte man denn die lokale Tageszeitung abonniert? Etwa nur zum Lesen? Und so konnte man Opa ein Mal in der Woche in der Küche bei einer Arbeit beobachten, die ausnahmsweise mal nichts mit dem Essen zu tun hatte – wenn überhaupt, dann in umgekehrter Richtung.
Mit einem eigens dafür reservierten Schlachtmesser zerschnitt der alte Herr die Zeitungsseiten so klein, dass sich am Ende ein ansehnlicher Stapel im DIN-A-5-Format vor ihm auftürmte. Mit einer robusten Nadel, durch deren Öhr sogar ein Kamel knapp hindurch gepasst hätte, und mit der normalerweise Gummis in haltlos gewordene Unter- oder Schlafhosen gezogen wurden, mit dieser Nadel also spießte Opa respektlos, aber ungemein pragmatisch im Umgang mit den wesentlichen Teilen unserer freien Presse unserer erst so jungen Demokratie, Blatt für Blatt auf die unverwüstliche Wurstschnur auf. Kam ein Bündel zusammen, band er zu guter Letzt eine Schlaufe darauf und hängte das Ganze an einen Nagel, der sich im Klohäuschen, draußen im Hausgarten, links oben, gleich neben der Tür in Reichweite des geschäftigen Besuchers befand.
aus: Cäcilia Seiwert: Den Vögeln der Himmel. Impressionen einer Kindheit in den 1960er Jahren. Merzig 2009, S. 13 f.
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