1310 erstmals erwähnt, hat der Ortsname den gleichen Ursprung wie Bexbach. Der Zusatz, der sich durch die geografische Lage und die Mündung des Bexbachs in die Blies erklärt, diente der Unterscheidung. Der Ort gehörte zur Zeit der urkundlichen Ersterwähnung zur Grafschaft Zweibrücken, die ihn 1461 an das Kloster Wörschweiler verpfändete. Nach dessen Auflösung 1558 unter der Hoheit des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken, wurde er 1755 an Nassau-Saarbrücken getauscht. Dem Bürgermeisteramt Limbach war Niederbexbach als selbstständige Gemeinde bis zur Eingliederung nach Bexbach 1974 zugeordnet.
Im Rahmen der Gebietsreform musste Niederbexbach weite Teile seiner Gemarkung (links der Blies) an die Stadt Neunkirchen abtreten. Zu Niederbexbach gehört die „Woogsacker Mühle“. Sie war samt weiterer weitläufiger Besitzungen im 14. Jahrhundert dem Zweibrücker Ritter Peter Wadsack (auch Wazack, Wadtsacker) eigen, auf den die Angehörigen der Familie Weizsäcker ihre Herkunft berufen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren jene Weizsäcker nachweislich Betreiber der Mühle, deren Nachfahren im 20. Jahrhundert hohe staatliche Funktionen innehatten – Richard, Ernst Ulrich, Carl Friedrich von Weizsäcker etwa. Zu Niederbexbach gehört das bald 250 Jahre alte „Holzauwehr“ in der Blies, das als noch verlässlich funktionierendes Beispiel für vorindustrielle Be- und Entwässerungstechnik Denkmalschutz genießt.
In Niederbexbach verbrachte Jörg Hugo Staab seine Jugend. Vom Sohn des katholischen Lehrers in Niederbexbach stammt die Erzählung „Der lange Philipp“, die auf das größte Unglück auf der Frankenholzer Grube, die Schlagwetterexplosion des 1. Dezember 1897 mit 57 Todesopfern, rekurriert. ZITAT
Der lange Philipp
Ein schöner Tag war’s! Die freundliche Sonne lag strahlend über der hügeligen, waldreichen Landschaft des Westrichs, über unserem Heimatdorf Niederbexbach. Ich spielte mit den Nachbarskindern in deren Hof unterm Nußbaum. Der Hof lag offen, wie das so üblich im Dorfe, nicht eingezäunt, zwischen Straße und Haus.
So hatten wir Dorfkinder Gelegenheit, alles mitzuerleben, was die vorbei ziehende Straße uns zeigte. Die meisten Einwohner des Dorfes waren damals, um das Jahr 1880 Bergmannsfamilien, tapfer arbeitende Menschen, die neben ihrem schweren Bergmannsberufe auch noch Landwirtschaft betrieben.
Das Kommen und Gehen der Bergleute war für uns Kinder eine genaue Einteilung des Tages. Wie die Väter, Brüder und Onkel zur Arbeit gingen oder von ihr kamen, so waren bei den Arbeiterfamilien die Essenszeiten, die häusliche Arbeit und die Feierstunden im Tag verteilt. Wir kannten alle die auf der Straße vorbeigehenden Bergleute, nicht nur die aus unserem Ort, sondern auch jene, die zu Fuß von Limbach und Altstadt durch unser Dorf zur Arbeit mußten. An jenem Vormittag nun, als wir mitten im schönsten Spielen. waren, wurden wir auf eine Gestalt aufmerksam, die schwankend auf der Straße von Mittelbexbach herunterkam. Wir erkannten gleich den „langen Philipp“ von Limbach, der seinen Beinamen von seiner übermäßigen Körperlänge hatte. Einige von uns Kindern kicherten, und einer, der dicke Paul, meinte: „Gucken emol, der is jo vollg’soff!“ – Es war nämlich nicht die Zeit der Heimkunft der Bergleute, und wenn ein solcher so mitten in der Arbeitszeit und noch dazu schwankend daherkam, so mußte man annehmen, daß er „bloo“ – gemacht hatte, und „Bloomache“ war bei uns Kindern gleichbedeutend mit betrunken sein.
Inzwischen war der lange Philipp an unserem Spielplatz herangekommen, voller Kohlenruß das Gesicht; da, wo der rinnende Schweiß den Ruß fortgeschwemmt hatte, trat in hellen Streifen eine gelbbleiche Haut hervor. Die Augen hielt er starr in die Weite gerichtet. Sein blauer, verwaschener Arbeitskittel war am rechten Ärmel und auf dem Rücken zerrissen, und sein Atem ging keuchend. Wir Kinder konnten uns das Wesen des langen Philipp nicht erklären, als er von der Straße abbog, in den Hof hereintrat und sich erschöpft an den dicken Stamm des Nußbaumes anlehnte.
Wir waren erschrocken zurückgewichen und begafften lautlos den langen Philipp, wie er nun mit geschlossenen Augen und schlaff herabhängenden Armen dort lehnte, als er plötzlich vom Stamme abrutschte und ohnmächtig seitlich hinschlug, so daß wir Kinder mit Geschrei auseinanderstoben und eines ängstlich die Nachbarsfrau aus dem Hause rief. Aus respektvoller Entfernung sahen wir dann zu, wie die Nachbarin, unterstützt von ihrem erwachsenen Sohne, den ohnmächtigen langen Philipp ins Haus schaffte.
Wir Kinder hatten das Vorgefallene bald vergessen und uns dem Spiele wieder hingegeben. Mittags erzählte mir mein Vater, welche Bewandtnis es mit dem langen Philipp hatte. In der Frankenholzer Kohlengrube war in der Nacht zuvor das große Grubenunglück geschehen. Eine Kohlenstaubexplosion, sog. „schlagendes Wetter“, hatte furchtbar im Bergwerk gewütet. Achtundvierzig Knappen waren tot, verbrannt oder verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit, viele schwer verletzt und zum Krüppel geworden. Bei den Bergungsarbeiten war auch der lange Philipp als „tot“ zutage gefördert worden.
Auf einer Bahre trug man ihn zum Frankenholzer Knappschaftslazarett. Auf dem Wege dorthin, in der frischen Luft, kam er nun plötzlich wieder zu Bewußtsein. Er war lediglich durch den Luftdruck eine Strecke weit durch den Stollen geschleudert worden, zum Glück aus dem Bereich der brennenden Gasschwaden, ohne eine ernstliche Verletzung erhalten zu haben.
Der furchtbare Schrecken der schlagenden Wetter hielt seine Gedanken noch verwirrt, und mit einem Sprunge war er von der Bahre herunter und seinen Trägern im Dunkel der Nacht entflohen. So eilte er befangenen Sinnes den weiten Weg von Frankenholz über Ober-, Mittel- und Niederbexbach seiner Heimat Limbach zu. Inzwischen war es Tag geworden. Die Nachricht von dem schrecklichen Unglück war in umliegende Ortschaften gedrungen. Wer Angehörige in der Frankenholzer Grube wußte, machte sich auf dorthin. So kam es, daß der lange Philipp das väterliche Haus leer fand, als er heimgelangte. Die Nachbarn sagten ihm, seine Eltern seien schon hinauf nach Frankenholz geeilt, in größter Sorge um ihn. Nun machte sich unser Philipp nach kurzer Rast wieder auf den Weg nach Frankenholz, um seinen besorgten Eltern die Gewißheit seiner Rettung zu bringen. Als er nach diesem anstrengenden Marsche in Frankenholz ankam und nach seinen Eltern Umschau hielt, wurde ihm mitgeteilt, daß sie schon wieder nach Limbach zurück seien. Jetzt nahm Philipp den Weg nochmals unter die Füße, kam aber diesmal nur bis Niederbexbach, wo er mitten in unserer Kinderschar ohnmächtig zusammenbrach.
Der lange Philipp schwor sich in den ersten Tagen nach dem Unglück, nie wieder ins Bergwerk zu gehen. Doch nach einem dreiwöchigen Erholungsurlaub fand er sich wieder als treuer Knappe bei seiner Belegschaft ein. Wenn ich ihm von da an vor unserem Hause vorbei zur Arbeit gehen sah, unterbrach ich fast immer mein Spiel und staunte als zu einem Besonderen zu ihm auf.
Jörg Hugo Staab: Der lange Philipp
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Die Erzählung, die sich quasi vor der Haustür des Autors abspielte, fand Aufnahme in saarländischen Schullesebüchern und erschien verstreut auch überregional. Jörg Hugo Staab lebte und arbeitete später als Grafiker und Bildhauer in München.