Ensdorf
Ensdorf im Kreis Saarlouis ist im Ursprung ein typisches “Straßendorf”. Es liegt rechts der Saar am Fluss, längs der B 51, der Hauptdurchgangsstraße des Ortes. In Ensdorf verlaufen drei Transportwege nebeneinander: der Fluss, die Bahnlinie Saarbrücken-Trier und die noch immer dicht befahrene Autostraße. Über Ensdorf erhebt sich 150 Meter hoch die Bergehalde Duhamel. Seit 2016 grüßt von ihrem Plateau als weithin sichtbare Landmarke das “Saar-Polygon”: Zeichen der Hoffnung, dass nach dem Ende des Bergbaues und dem Strukturwandel wieder bessere Zeiten kommen.
1974 sollte Ensdorf im Rahmen der saarländischen Gebiets- und Verwaltungsreform nach Schwalbach eingemeindet werden. Doch die Bürgerinnen und Bürger ließen mit ihren Protesten nicht locker, und so erhielt die Gemeinde 1982 ihre Eigenständigkeit zurück.
Der CDU-Politiker Peter Altmaier und Herbert Martin, saarländischer Fußballnationalspieler 1950 – 1956 (ja, das gab es zu Johannes Hoffmanns Zeiten), stammen von hier. Ensdorf ist aber auch der Geburtsort des bedeutenden saarländischen Literatur-Übersetzers Eugen Helmlé (1927-2000). Eine sehr viel größere Rolle als die des Geburtsortes spielte die Gemeinde in seinem Leben nicht, aber immerhin befanden sich nicht nur die Eltern und die ein Jahr ältere Schwester Adelheid in Ensdorf, als er zur Welt kam, sondern überhaupt die ersten Dinge, die der kleine Eugen mit seinen eigenen Augen sah. Vielleicht hat er ja auch noch am Fuße oder im Schatten der Bergehalde Duhamel im Dreck gespielt. Schon bald nach Eugens Geburt zogen die Helmles nach Saarlouis. Eugen senior war Konditormeister und im schwäbischen Backnang aufgewachsen. In Saarlouis lebten damals bereits seine beiden Brüder, der Bäcker Friedrich und der Metzger Paul Helmle. Sie sprachen ihren Familiennamen wie die schwäbische Verkleinerung des Wortes Helm aus. Auch in Saarlouis hielt es die Helmles nicht lange. 1932 zogen sie nach Neuweiler. Und damit waren die Ensdorfer und Saarlouiser Episoden im Leben des Eugen Helmlé bereits beendet.
Im Raum Ensdorf lebten und arbeiteten Menschen schon im 2. Jahrtausend v. Chr. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort 1179 als Besitztum der Abtei Wadgassen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Ensdorf durch den Steinkohlebergbau zum betriebsamen Industriestandort. Der Ensdorfer Stollen wurde ab 1833 gebaut, um Kohle von der Grube “Kronprinz Friedrich Wilhelm” in Schwalbach über rund 2400 Meter zur Saar zu transportieren, damit sie dort auf Schiffe verladen werden konnte. Damals gab es noch keine Eisenbahn und keinen Anschluss Ensdorfs ans Eisenbahnnetz. Die unterirdischen Kohletransporte begannen 1842. Anfangs zogen Pferde die Kohlenwagen, 1895 wurde die Strecke mechanisiert, 1910 stellte der Stollen den Betrieb wieder ein. 1988 wurde das
Stollenmundloch restauriert. Im Eingangsbereich wurde eine Lore aus dem Kohlentransport platziert.1
Auch Handwerk und Handel nahmen Aufschwung, während die Bergehalde von Grube Duhamel wuchs und wuchs. In guten Zeiten sicherte das Bergwerk Ensdorf – entstanden 1957 durch Zusammenschluss der Gruben Duhamel und Griesborn – noch 4000 Männern, Frauen und ihren Familien die Existenz.
Auch das Ende des Saarbergbaues, an das oben auf der Halde das Polygon erinnert, wurde in Ensdorf vollzogen. Am 30. Juni 2012 stellte als letztes das “Bergwerk Saar” mit einer Mettenschicht seinen Betrieb ein. Inzwischen ist auch das Kraftwerk Ensdorf stillgelegt. Der Bahnhof, der Ensdorf an das Schienennetz Trier-Saarbrücken anschloss, ist längst nur noch “Haltepunkt.”
Das Saar-Polygon, eine begehbare Groß-Skulptur aus feuerverzinktem Stahl, nimmt je nach Betrachtungswinkel verschiedene Formen an. Von den Seiten und unten von der Autobahn aus gesehen scheint sie etwas Schreitendes oder Fort-Schreitendes darzustellen. Halb von vorne etwas Einstürzendes, und von vorne betrachtet ein Tor – ein “Tor in die Zukunft”, wie die Architekten es wollten. Der Grundriss ist ein Z. Die schräg aufsteigenden Stahlpfeiler mit den eingebauten Treppen – insgesamt 130 Stufen – erheben sich 30 Meter hoch. Verbunden werden sie durch ein 35 Meter langes Querstück mit begehbarer Aussichtsplattform. 2
Im Spätherbst 1944, während des Zweiten Weltkriegs, waren beide Ufer der Saar von Dillingen bis Ensdorf schwer umkämpft, woran noch heute Westwall-Bunker erinnern. Auch im heutigen Park hinter dem Ensdorfer Rathaus ist noch ein solches Relikt zu sehen. Nur wenige Schritte vom Bunker entfernt liegt der Eingang zum Ensdorfer Stollen. Hier suchte die Bevölkerung Schutz vor der US-Artillerie und den US-Jagdbombern ebenso wie vor den Sprengkommandos der Wehrmacht, die verbrannte Erde hinterlassen sollten. Stefan Heym hat diese Episode 1948 in seinem autobiographischen Kriegsroman “The Crusaders” (“Kreuzfahrer von heute” bzw. “Bitterer Lorbeer”) erzählt und damit Ensdorf als Literaturschauplatz verewigt. ZITAT
(IP)