geb. 19. Aug. 1946 in Merzig/Saar
Promovierte Historikerin, wissenschaftliche Publizistin, Fernsehredakteurin, Saarbrücker Stadtteilautorin, Mitarbeiterin bei Literaturland Saar
Nach dem Abitur am Staatlichen Mädchenrealgymnasium in Merzig absolviert Inge Plettenberg ein Volontariat bei der „Saarbrücker Zeitung“. 1969-1975 Studium der Geschichte, Anglistik und Slavistik (Nebenfach) an der Universität des Saarlandes. 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Geschichte und Anglistik. 1986 Promotion mit Arbeit über „Die Sowjetunion im Völkerbund, 1934-1939“, als Buch veröffentlicht im Kölner Pahl-Rugenstein-Verlag.
1985-1989 Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Regionalgeschichtlichen Museum des Stadtverbandes Saarbrücken. 1988-2004 freie Fernsehjournalistin und -realisatorin. 2004-2011 Fernsehredakteurin beim Saarländischen Rundfunk (Fernsehspiel, verantwortlich für Saarbrücker „Tatort“, zuletzt Leiterin der Programmgruppe „Regionale Kultur“ und Redaktionsleiterin der Magazinsendung „Kulturspiegel“).
Seit 1987 tritt Inge Plettenberg mit zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen insbesondere zum Thema Zwangsarbeit unter dem Nationalsozialismus im Saarland hervor.
Seit 2013 Freie wissenschaftliche Mitarbeiterin des „Weltkulturerbe Völklinger Hütte – Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur“ mit den Themenschwerpunkten „Hermann Röchling“ und „Zwangsarbeit“. 2016-2018 Mitarbeit am Internet-Portal „Literaturland Saarland“, dort zuständig für den Landkreis Merzig-Wadern.
2011/2012 ist Inge Plettenberg Stadtteilautorin der Landeshauptstadt Saarbrücken für das Wohngebiet Eschberg. Zwölf Monate lang erforscht sie gründlich Gegenwart und Geschichte eines Stadtteils, der seit Ende der 1950er Jahre „buchstäblich aus dem Acker gestampft“ wurde. In 28 Reportagen über Menschen und Zustände, die 2013 im St. Ingberter Conte-Verlag als Buch erschienen sind, wird ein Stadtteil lebendig, der mehr ist als eine „Stadt aus der Retorte“. ZITAT
Zitat von Inge Plettenberg
Zwölf Monate Eschberg – der Aufstieg
Am 21. September 2011 hatte mich der Kulturdezernent der Landeshauptstadt als neue Saarbrücker Stadtteilautorin vorgestellt, nachdem aus einer Reihe von Bewerbungen meine mit dem Konzept einer Dokumentation des Eschbergs ausgewählt worden war. Zwölf Monate lang wollte ich vom Gestern und Heute eines Stadtteils erzählen, der nicht in Jahrhunderten gewachsen ist, sondern Ende der 1950er bis in die ersten 1960er Jahre buchstäblich aus dem Acker gestampft wurde, wobei eine idyllische bäuerliche Landschaft, ein 200 Jahre alter Gutshof und ein weithin sichtbares Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert von der Bildfläche verschwanden. Die “Stadt aus der Retorte”, die an dieser Stelle entstand, war jedoch anno 1963, als die ersten Bewohner in die genormten Neubauten einzogen, nicht die, die sie heute ist. Wesentliche Einrichtungen, die man zum Leben braucht, fehlten. Aus dem “Kinderberg” ist ein “Rentnerberg” geworden.
Der Berg, manchmal nebelverhangen, manchmal eine ferne Verheißung. In Augenhöhe mit ihm gelangen wir erst auf einem der Hügel Saarbrückens, die gegenüber liegen. Also hinauf auf den Winterberg, in den 9. Stock des Klinikums, oder über den Geisberg hinauf auf die Streuobstwiese beim Wasserturm von Bischmisheim. Da liegt er vor uns, der Eschberg, zu jeder Tageszeit in einem anderen Licht.
Ich bin im November 1998 auf den Eschberg gezogen, ohne irgendeine Vorstellung von der Geschichte und Entwicklung des Stadtteils. Die Postagentur, die Apotheke, die Arztpraxis und ein kleiner Einkaufsmarkt waren die einzigen Bezugspunkte, und natürlich der Wald, in dem man stundenlang walken, joggen oder einfach nur spazieren gehen kann. Ansonsten war das ein Ort zum Schlafen zwischen den Arbeitstagen. Meine Wohnung im fünften Stockeines Zeilenhochhauses hatte ich einer Kollegin abgekauft, die sie wiederum von einer Tante geerbt hatte. Bei der ersten Besichtigung hing noch der Bademantel der alten Eigentümerin an der Schlafzimmertür, und am Bett standen die Pantoffeln. Es war, als werde die Tante jeden Moment den Raum betreten, aber das konnte nicht sein, denn Betty Reinartz war kurz zuvor gestorben. Ich habe sie nie kennen gelernt. Ihr Kaufvertrag für die Wohnung datiert von 1969.
Als ich 1965 nach dem Abitur nach Saarbrücken kam, um Journalistin, vielleicht aber auch Schauspielerin zu werden, zog mich der Blick auf diese „Beton-Satellitenstadt“ nicht besonders an, auch später nicht. Sie erschien mir als Inbegriff von Spießertum und Langeweile, so charismatisch wie eine verlassene Kneippanlage, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass auf Besucher dort etwas Schönes, geschweige denn Aufregendes wartete. Eines Tages musste ich dann doch hinauf, um für die Saarbrücker Zeitung über das Carl-Duisberg-Haus zu berichten. Meine Abneigung gegen die Betonwüste hat das eher noch verstärkt. Diese unpersönlichen Häuser. Bungalows ebenerdig und Bungalows am Hang, Hochhäuser mit zwölf Stockwerken und solche mit nur sechs, Eternitdächer, Wetterseiten mit Eternit beschlagen, und dann die Garagen. Die Konfusion verbreitenden Ringstraßen. Und die Namen: Tilsiter, Memeler, Königsberger, Danziger Straße. Mecklenburg-, Pommern -, Schlesien-, Westpreußenring. Alles demonstrative Erinnerungen an verlorene deutsche Ostgebiete. Gebiete, die das von Hitler geführte “Großdeutsche Reich” nach der Niederlage am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte abtreten müssen. Zum Teil sind sie dann ja wieder „heimgeholt“ worden, zumindest die Städte und Landschaften, die damals noch Teil der DDR, der Deutschen Demokratischen Republik, waren. Die Namensgebung entsprach dem politischen Klima der 1960er Jahre. Wir waren in der Hochphase des Kalten Krieges mit dem Bau der Mauer in Berlin und der Kuba-Krise, und in Vietnam starteten die USA einen Vernichtungskrieg, in dem mehr Bomben als im Zweiten Weltkrieg abgeworfen wurden.
Heute habe ich mich auf dem Eschberg gut eingelebt, bin selbst einer von diesen Spießern, aber auch neugierig darauf, was sich zwischen den Hochhäusern tut. Die Betonwüste lebt. Die Gärten, die sich die Planer auf ihren Reißbrettern ausmalten, sind in Jahrzehnten gewachsen. Wenn man sie heute sieht, kann man sich halbwegs vorstellen, was die Architekten gemeint haben oder gemeint haben könnten.
Aus: Inge Plettenberg. Leben im Stadtteil. Eschberg. St. Ingbert 2013
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2021 legt Inge Plettenberg das Buch „Mordfall Röchling“ vor. Bis dahin galt der Fall des Juniorchefs der Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke Carl Theodor Röchling, der 1944 nach einem Kontrollgang durchs Völklinger Werk tot aufgefunden wurde, als nicht endgültig aufgeklärt. Als Ergebnis ihrer Forschungen kommt Plettenberg nun zu einem eindeutigen Ergebnis: Es war Mord, die Täter gehörten nicht zum SS-Sicherheitsdienst, sondern waren russische Zwangsarbeiter. (RP)