Merzig-Merchingen

 

Als bedeutendste Persönlichkeit des Bauerndorfes vor den Toren der Stadt Merzig gilt Pastor Johann Matthias Deutsch (1797-1858). Er war ab 1824 der erste Pastor in Merchingen, das alte Pfarrhaus gibt es noch. Pastor Deutschs Aktivitäten gingen aber weit über das Seelsorgerische hinaus. Er reformierte die Landwirtschaft der Region und gründete eine Landwirtschaftsschule. Nachdem er die Merchinger Bauern hatte überzeugen können, dass die stählerne Pflugschar besser war als die aus Holz, konnten sie ihr Land wesentlich ertragreicher beackern. Der Pastor brachte die Bauern auch dazu, auf den Hängen rund um das Dorf Obstbäume anzupflanzen; sie prägen bis heute das Bild der Umgebung.

Die Kirche, in der Pastor Deutsch die Messe las, wurde 1929 durch einen Neubau ersetzt. Die neue Kirche Sankt Agatha, heute eine Filialkirche von St. Peter in Merzig, gilt als bedeutendstes Bauwerk Merchingens. Mit ihrem unverwechselbaren, in die Breite gezogenen Turm sieht sie aus wie eine Festung. Erbaut hat sie der Wiener Architekt Clemens Holzmeister. Eine Informationstafel des 2012 geschaffenen Merchinger Dorfgeschichtsweges erläutert Einzelheiten. Der Dorfgeschichtsweg ist nach Clemens Holzmeister benannt.

Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob es Merchingen ist – damals Morichinga – , das 816 erstmals namentlich erwähnt wurde. Wenn ja, darf die Gemeinde auf ein mindestens 1200-jähriges Bestehen zurückblicken. Da man aber nur etwas, das bereits vorhanden ist, urkundlich erwähnen kann, dürfte der Ort noch älter sein. Man vermutet die Gründung im 5. oder 6. Jahrhundert n. Chr. als „Morich“. Aber auch davor haben in der Gegend schon Menschen gesiedelt.

Auch Merchingen war in der “großen” Geschichte und Politik dem Hin und Her zwischen dem Herzogtum Lothringen, Frankreich und Deutschland unterworfen. 1778/79 verlief hier die Grenze zwischen deutschem und französischem Territorium.

Bis heute ist Merchingen von der Landwirtschaft geprägt. Aber das Streben der Menschen nach großzügig bemessenem Wohnraum im Grünen treibt das Zusammenwachsen mit Merzig weiter an; immer näher rücken die Neubaugebiete längs der L 346, an deren Seiten sich das Dorf erstreckt, und die Merzig mit dem Haustadter Tal verbindet.

Vom Sportplatz über den Clemens-Holzmeister-Weg führt ein steiler Anstieg auf das kleine Plateau des Galgenberges. Ein weißes Kreuz schaut ins Land hinaus. Auf der L 346 unten im Dorf ist es aber kaum zu sehen. Dass es ist nicht ungefährlich ist, sich im Auto den Hals zu verdrehen, um einen Blick zu riskieren, erfährt die Protagonistin einer Erzählung von Waltraud Riehm, „Die Spur der Hexe“. Womit wir in Merchingen als Literaturschauplatz sind. Die in der Erzählung namenlose Journalistin erleidet bei dem Bemühen, das Kreuz auf dem Galgenberg in den Blick zu bekommen, einen tödlichen Unfall. Sie verbrennt in ihrem Auto. Ironie der Geschichte. Denn Jahrhunderte zuvor hat es dort oben, wo das weiße Kreuz grüßt, tatsächlich gebrannt. Die Scheiterhaufen, auf denen im Oktober 1593 die Hausfrau Lawers Barbel, ihre Schwester Wendels Sunna und deren Sohn Lorenz wegen angeblicher Hexerei hingerichtet wurden, müssen weithin sichtbar gelodert haben. Den Hexenprozess gegen Lawers Barbel auf Burg Montclair am 2. August 1593 hat Waltraud Riehm vierhundert Jahre später in ihrem Theaterstück „Die Zeit der Schuldlosen“ dargestellt. Eine Informationstafel des Dorfgeschichtsweges auf dem Galgenberg gibt auch hierüber Aufschluss. An der Tafel hat jemand Schießübungen veranstaltet – zehn Einschusslöcher sind zu zählen.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war Merchingen wieder Schauplatz schrecklicher Ereignisse. Der Beschuss durch amerikanische Artillerie und Jagdbomber forderte seine Opfer. Am 30. Dezember 1944 auch den Ehemann von Maria Croon. Die Croons hatten ihr Haus in der Merchinger Straße in Merzig. Die Stadt war geräumt, Familie Croon in Hüttersdorf untergekommen. Von dort hatte sich Nicolaus Croon mit einem Handwagen auf den Weg gemacht, um Wintersachen aus dem Haus in Merzig zu holen. Auf der Straße in Merchingen töteten ihn Splitter einer amerikanischen Artilleriegranate. In ihrem Roman „Die köstliche Mühsal“ hat Maria Croon das Ereignis noch einmal durchlebt, das sie zur Witwe machte.