Spiesen-Elversberg

 

Ein typischer Doppelort mit gleichwertig langer Dorftradition, wovon es im Saarland ja etliche gibt (z.B. Erfweiler-Ehlingen oder Bubach Calmesweiler), ist die Gemeinde am Südrand des Landkreises nicht. Spiesen kann auf eine lange Dorfgeschichte zurückblicken (urkundliche Ersterwähnung im Jahre 1195 dank einer Schenkungsurkunde, in der „eine Hufe bei Spizze“ genannt wird) Elversberg hingegen nicht.

Über Jahrhunderte hinweg mussten die Untertanen Streitigkeiten über die jeweiligen Grundbesitzanteile, vor allem der Klöster Neumünster (1576 aufgehoben) und Wadgassen, über sich ergehen lassen. Mit der Einführung der Reformation gewannen die Grafen von Ottweiler bzw. die Grafen von Nassau-Saarbrücken erheblichen Einfluss, annektierten immer wieder auch Spiesen, auf das sie Anspruch erhoben. Mit den territorialen Anrainern gab es permanent Grenzstreitigkeiten, vor allem mit der Reichsherrschaft von der Leyen/Blieskastel. An der südlichen Gemarkungs- bzw. Landkreisgrenze zum Saarpfalz-Kreis hin dokumentieren bis heute imposante Grenzsteine diese Auseinandersetzungen im 17. und 18. Jahrhundert, die zwangsläufig erst mit dem Einzug der Französischen Revolution ein Ende fanden. An der alten Banngrenze zu Rohrbach (Ortsteil von St. Ingbert) stand einst die Spieser Mühle (1538 erbaut, im Dreißigjährigen Krieg zerstört, 1813 wiedererrichtet, 1898 geschlossen). Die Stadt Friedrichsthal (!) baute hier – um 1900 – ihr Wasserwerk Spiesermühltal.

Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde Spiesen preußisch und der Bürgermeisterei Neunkirchen im Kreis Ottweiler zugeschlagen. Das sich auch hier ausbreitende Kohlerevier ließ mit dem 1847 angehauenen Heinitzstollen wenige Jahre später eine neue Kolonistensiedlung entstehen. Hierfür mussten Spiesen und Neunkirchen 1872 in etwa gleiche Bannteile für die neu gebildete Gemeinde Elversberg abtreten.

In der Folgezeit setzte für Spiesen und auch Elversberg ein rasanter Bevölkerungsanstieg innerhalb von nur 20 Jahren (zwischen 1861 und 1885) ein. Allein in Spiesen verdreifachte sich die Zahl von rund 900 auf etwa 3.000 Einwohner. Im Jahre 1905 überschritt Elversberg bereits die 5.000er-Marke.

Zeitzeuge dieser Entwicklung wurde ein junger, aus Westpommern stammender Mediziner, der ab etwa 1910 in Elversberg als Knappschaftsarzt praktizierte: Bernhard Trittelvitz. In seinen 1934 erstmals erschienenen Erinnerungen „Meine Patienten die Kumpels und ich: 27 Jahre Arzt an der Saar“ blickt er fast schon wehmütig zurück: durchaus selbstironisch, aber auch in stramm deutschnationaler Gesinnung. Aus diesem Blickwinkel beschreibt er „Mein Dorf im Krieg“ und den „Kampf an der Saar“, zwei der drei Hauptkapitel, die sich den lokalen Erlebnissen während des 1. Weltkriegs und den Erfahrungen der Saargebietszeit bis zum Vorabend der Saarabstimmung widmen.

Während der Zeit des Nationalsozialismus, in den Jahren 1937 bis 1939, wurde von Elversberger Bürgern auf Spieser Gemarkung ein Aussichtsturm errichtet, der am 8. Juli 1939 als „Adolf-Hitler-Turm“ eingeweiht wurde. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er in Galgenbergturm umbenannt und gilt seither als Wahrzeichen der Doppelgemeinde (beide selbständigen Orte wurden im Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 zusammengelegt). Der Turm ist Mittelpunkt des Naherholungsgebiets Galgenberg, der ab 1989 um einen großen Rosengarten ergänzt wurde. Nicht von ungefähr wirbt Spiesen-Elversberg für sich ganz selbstbewusst als „die Wohngemeinde im Grünen!“ In der Tat ist die mittlerweile rund 13.000 Einwohner zählende Gemeinde von Wäldern umgeben, die z. T. dem Saarkohlewald zugerechnet werden. Der durch den Niedergang der Montanindustrie bedingte Strukturwandel hatte schließlich auch sie erfasst. Gleichwohl bemüht man sich in Spiesen-Elversberg, die lokale (Industrie-) Geschichte auch in zwei Heimatmuseen vor dem Vergessen zu bewahren.

Intensiv mit der Bergbau- und Arbeitergeschichte beschäftigte sich viele Jahre der in Spiesen geborene Publizist Gerhard Bungert. Mit seinem Co-Autor Klaus Michael Mallmann verfasste er anfangs Zeitungsbeiträge, Radiofeatures und Hörspiele zur regionalen Kultur- und Sozialgeschichte, schließlich 1979 ein Theaterstück über die Anfänge der Bergarbeiterbewegung („Eckstein ist Trumpf“) sowie drei Bände mit „Bergmannsgeschichten von der Saar“.

Bungert und der ebenfalls hier geborene Mundart-Entertainer Schorsch Seitz haben sich 2016 als erste mit einem Gipsabdruck ihrer Hände in einer Elversberger „Wall of Fame“ verewigen dürfen. Es folgten 2019 der Musikproduzent, Komponist und Sänger Frank Farian, der seine musikalischen Anfangsjahre in Elversberg verbracht hat, Farians Elversberger musikalischer Weggefährte Hans-Jörg Mayer, der Gitarrist Alexander Beyrodt, der ein Jahr nach seiner Geburt mit seiner Familie hierher gezogen ist, sowie die Schlagersängerin Anne-Karin, die als Anne-Karin Mayer in Elversberg zur Welt gekommen ist.

Zu nennen wäre auch der 2011 gestorbene Jazz-Pianist Fritz Maldener, der Anfang der 60er Jahre in Spiesen sein erstes Studio hatte und bis Anfang der 90er Jahre dort bzw. in Elversberg gewohnt hat.

Für sportliche Schlagzeilen auch außerhalb des Saarlandes sorgt spätestens seit 2013 die SV Elversberg im Profifußball (z. Z. Regionalliga Südwest). Die Vereinsgeschichte reicht bis ins Jahr 1907 zurück. Die dem Stadion den Namen gebende „Kaiserlinde“ (1913 zu Ehren von Kaiser Wilhelm II. gepflanzt) stürzte Ende März 2015 während des Orkans „Niklas“ um.

Nach eigenen Angaben lebt der aus Mainz stammende Jugendbuch- und Fantasy-Autor Jens Schumacher „am Ende einer Sackgasse irgendwo im Saarland“ – bekanntermaßen in Spiesen.

Der gebürtige Neunkircher Klaus Brabänder, von Hause aus Bauingenieur, lebt und schreibt in Elversberg. Sein Krimi „Für Eich“, bei dem es um Terrorismus und/oder Mafia geht, spielt in Spiesen-Elversberg.