In Fenne entstand im 19. Jahrhundert eine der bekanntesten Hohlglashütten im Deutschen Reich. Seit Napoleon 1812 die Karlsbrunner Glashütte nach Fenne verlegen ließ, wurde hier bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs im großen Stil Glas produziert 1 .
In der Fenner Marmeladenfabrik wurden die berühmten „Lollys“ und der „Fenner Harz“ hergestellt. Die Schriftstellerin Ulrike Kolb stammt aus der Eigentümerfamilie der Fabrik, nach ihr war der „Ulli Pudding“ benannt 2 . In ihrem Roman „Schönes Leben“ beschreibt Ulrike Kolb einen Unfall in der Marmeladenfabrik. Der Roman ist überwiegend fiktional, der Unfall hat sich tatsächlich ereignet, er ist hier aber aus der Phantasie der Autorin gestaltet. ZITAT
Zum Verständnis des Zitats: Luise ist durch den Tod ihres Mannes Robert unversehens zur Fabrikbesitzerin. Egon Schanz arbeitet als Marmeladenkocher in der Fabrik.
Um die Mittagszeit passierte es. Der süßliche Gestank hatte sich in die Schwefelschwaden gemischt, die von der anderen Seite des Flusses herübertrieben, Luise dachte noch, er verpestet die ganze Gegend, das Zeug macht einen blöde im Kopf, ihr war übel. Sie konnte nichts Süßes mehr sehn, geschweige denn essen. Die Kochkessel füllten den hinteren Raum der Fabrikhalle aus, und wenn man vom Haupteingang her kam, einem großen, gebogenen Tor im Stil der Jahrhundertwende, glänzten einem die Kessel rotgolden aus dem Dunkel entgegen. Sie waren immer frisch geputzt und vermittelten den Eindruck solider Prosperität. Wenn Luises Stimmung Höhepunkte erreichte, konnte sie sich sogar an dem Anblick der Kesselanlage erfreuen. Hier wird doch pures Gold gekocht, pures Gold, mein Schätzchen, so des seligen Roberts scherzhafte Rede.
Niemand wusste, warum der kochende Saft plötzlich über die Kesselränder trat. Es ging in Windeseile. Noch bevor Egon Schanz der Katastrophe gewahr wurde, hatte sich das Teufelszeug bereits über den Boden der Fabrikhalle ausgebreitet, eilte in Form schäumender, mächtiger Zungen auseinander und fuhr zischend über die nassen Fliesen. Es war ein irrwitziges Schauspiel. Jeder Versuch, sich der Heizanlage zu nähern um das Feuer zu löschen, scheiterte an der Temperatur des durch die Halle rasenden Schaums. Wer versuchte, dieser Tatsache zu trotzen, verbrannte sich die Fußsohlen, so dass er schreiend kehrt machte und sich an den Rand des ausgeflossenen Sirupsees flüchtete wie an einen rettenden Strand. Es strömte und strömte aus den Kesseln, es kroich in alle Ecken und Ritzen, es nahm seinen unaufhaltsamen Lauf in die Fugen zwischen den Platten und Holzbohlen, seinen unfassbar geschwinden Lauf, es umspülte di Gegenstände, riss Eimer mit sich, drang unter den Türen hindurch in die nebenliegenden Räume, floss aus dem Tor hinaus auf den Fabrikhof und beruhigte sich erst draußen in der Kälte, wo sich dunkle, aber immer noch auslaufende Lachen bildeten, die in dicken schwarzen Rinnsalen mündeten. Hilflos standen die Arbeiterinnen dabei und sahen erwartungsvoll auf den Marmeladenkocher, den ein Lachanfall schüttelte. Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und stieß dabei verrückte Laute aus. Die Arbeiterinnen versuchten schließlich, mit Schrubbern, Schippen, Eimern, Lappen und allem, was aufzutreiben war an mehr oder weniger geeignetem Gerät, von den Rändern her die Masse aufzufangen oder zumindest Ihrem Fluss Einhalt zu gebieten. Böden, Treppen, Gegenstände, alles war in kürzester Zeit verharzt und verklebt. Kein Ding, das nicht pappte. Die Fabrikhalle hatte sich in eine einzige große braunschwarze Lache verwandelt. Als der Schaum sich niedergelegt hatte, blieb ein schwarzglänzender, heißdampfender Spiegel zurück.
Aus: Ulrike Kolb: Schönes Leben. Erstausgabe Köln 1990, wiederaufgelegt Saarbrücken 2002. Mit freundlicher Genehmigung des Conte-Verlags
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