Wadgassen

 

Statue Johannes Kirschweng vor dem Zeitungsmuseum in Wadgassen

Wadgassen, eine Gemeinde im Landkreis Saarlouis, ist im Tal des linken Saar-Nebenflusses Bist am Rande des Warndt gelegen. Das alte Wadgassen, seit der Gebietsreform einer von sechs Ortsteilen der neu gebildeten Gemeinde Wadgassen, hat eine traditionsreiche, zunächst überwiegend klerikal, seit dem 19. Jahrhundert auch industriell geprägte Geschichte. Es ist der Heimatort von Johannes Kirschweng, einem der bedeutenden saarländischen Dichter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die schriftliche Überlieferung in Wadgassen beginnt mit königlichem Besuch. Im Jahre 902 stellte der ostfränkische König Ludwig das Kind in der „villa Wadegozzinga“ eine Urkunde für den Trierer Erzbischof aus. 1080 schenkte König Heinrich IV. den Hof (villa) Wadgassen dem Grafen vom Saargau Siegebert. Sein Sohn Friedrich, Graf von Saarbrücken, bestimmte in seinem Testament, dass dort ein Augustinerchorherrenstift errichtet werden sollte. 1135 wurde das vom Prämonstratenserorden übernommene Kloster errichtet. Es entwickelte sich bis zum 18. Jahrhundert auch dank zahlreicher Schenkungen, vorwiegend von Adeligen, zu einem bedeutenden geistlichen Zentrum an der Saar, das über umfangreichen weltlichen Besitz verfügte. Die weiß gekleideten Chorherren des Ordens sahen ihre Aufgabe vor allem in der Ausübung des Gottesdienstes. Zahlreiche Pfarreien, darunter Berus mit der Orannakapelle, wurden von Wadgassen betreut.

Innerhalb des Ordens war Wadgassen auch Sitz eines mehrere Klöster umfassenden Ordensbezirkes, der Zirkarie Wadgassen, was auf eine gewisse Bedeutung des Klosters innerhalb des Ordens schließen lässt. Bereits im 17. Jahrhundert zeichnete ein Chorherr unter Nutzung des Klosterarchivs die Geschichte der Ordensniederlassung auf. Umfangreiche Neubauten im 17. und 18. Jahrhundert ließen eine prachtvolle Klosteranlage entstehen.

Das Kloster, gelegen an Saar und am Rande des Warndt, war vielfach Streitpunkt zwischen den Saarbrücker Grafen (der Stifterfamilie) und den Herzögen von Lothringen, die sich als Landesherr betrachteten. Beide einigten sich schließlich 1581 und Lothringen verzichtete auf Wadgassen.

Im Zuge einer Grenzbereinigung zwischen dem Fürstentum Nassau-Saarbrücken und dem Königreich Frankreich, das 1766 offiziell vom Herzogtum Lothringen Besitz genommen hatte, kam die Prämonstratenserabtei Wadgassen zu Frankreich. Ihre rechts der Saar gelegenen Besitzungen erhielt Nassau-Saarbrücken als Landesherr.

Eine Mühle auf den Ruinen des Klosters

Im Zuge der Französischen Revolution von 1789 und ihrer kirchenfeindlichen Politik wurde auch das Kloster Wadgassen aufgelöst. Lange hatte es sich gegen seine Auflösung gewehrt, da es seiner Auffassung nach kein rein französisches Kloster war. Das Thema stand sowohl auf der Tagesordnung der französischen Nationalversammlung als auch des deutschen Reichstages, hatte Wadgassen doch umfangreiche Besitzungen auf deutschem Boden. Es nützte nichts, das Kloster wurde aufgehoben. Anfang September 1792 flüchtete der letzte Abt Bordier mit den bei ihm gebliebenen Ordensmitgliedern über die Saar auf deutsches Gebiet, um schließlich in dem nahe Prag gelegenen Kloster Strahov Zuflucht zu finden, ohne jemals wieder in sein Kloster zurückkehren zu können.

Bei der Säkularisation des Klosters wurden zunächst die in Frankreich gelegenen Besitzungen versteigert, nach der Eroberung und Annexion des linksrheinischen Gebietes 1798 auch die dortigen Güter. Das Klostergebäude ging in Privatbesitz über und wurde teilweise niedergelegt und diente als Steinbruch. So erwarb der Wallerfanger Steingutfabrikant Nicolas Villeroy einen Teil des Klosters und errichtete eine Mühle. Auch die Steinkohlengrube des Klosters in Hostenbach ging in seinen Besitz über, um mit der Steinkohle seine Brennöfen in Wallerfangen zu befeuern.

An eine Wiedererrichtung des Klosters war nicht mehr zu denken, wenn auch der letzte Abt Bordier bei seinem Ableben einen bedeutenden Geldbetrag hinterließ – er stammte aus der 1792 mitgenommenen Klosterkasse – und diesen testamentarisch für die Wiederherstellung des Klosters bestimmte.

Wadgassen wurde 1815 preußisch. Die neuen protestantischen Landesherren ließen die Wiederherstellung der säkularisierten katholischen Klöster nicht zu.

Im 19. Jahrhundert nahm der Ort Wadgassen eine rasante Entwicklung. Bis zur Auflösung war Wadgassen das Kloster mit den dazugehörigen Gebäuden in der Umgebung. Um 1820 hatte das Dorf Wadgassen nur 79 Bewohner in 9 Feuerstellen. Am Ende des Jahrhunderts war es eine Industriegemeinde mit 1.997 Einwohnern. Bei der Organisation der neuen preußischen Kommunalverwaltung kam Wadgassen wie die übrigen im 18. Jahrhundert zur Klosterherrschaft gehörenden Dörfer zur Bürgermeisterei Differten. Der Ort Differten hatte damals knapp über 600 Einwohner.

Wesentlicher Impuls für die Entwicklung von Wadgassen war die 1842/43 in den ehemaligen Klostergebäuden errichtete Glashütte von Villeroy, Boch, Karcher & Co. Der Betrieb erreichte einen enormen Aufschwung und hatte eine große Produktpalette. Zählte man 1883 bereits 325 Beschäftigte, waren es 1893 schon 503. Zahlreiche Glasmacher und Glasbläser kamen aus der lothringischen Glasindustrie und ließen sich in Wadgassen nieder. Der Betrieb, der in den 1880er Jahren ganz von der Firma Villeroy & Boch übernommen wurde, stellte 1986 seine Serienproduktion ein.

Der Ausbau der Verkehrswege und der Anschluss an das Eisenbahnnetz verbesserten die Absatzwege. Handel und Handwerk boomten in Wadgassen. Die zunächst ungeplante Siedlungserweiterung wurde gegen Ende des Jahrhunderts in geordnete Bahnen gelenkt.

Abbildung des Blocks auf dem Statur sitztViele der nicht nur neuen Bewohner von Wadgassen bauten sich ein Eigenheim, für das sie sehr viele Mühen auf sich nahmen. Der Schriftsteller Johannes Kirschweng berichtet über das Haus seines Großvaters, in dem er nach seinem Rückzug nach Wadgassen bis zu seinem Tod lebte. ZITAT

Auch im 20. Jahrhundert nahm Wadgassen eine wenn auch nicht mehr so starke Entwicklung wie im 19. Jahrhundert. Der moderne Industrieort hatte 1910 bereits 2.716 Einwohner, 1987 waren es 4.137. Wadgassen überragte seine Nachbargemeinden und wurde namengebend für das sich aus der einstigen Bürgermeisterei Differten entwickelnde Amt Wadgassen, das im Zuge der Gebietsreform 1974 zur Gemeinde Wadgassen (2017: 18.098 Einwohner auf 25,93 km2) wurde, während die einstige Gemeinde Wadgassen, der Heimatort des Schriftstellers Johannes Kirschweng, seither Ortsteil dieser Gemeinde ist.

In der Wadgasser Kirche Maria Heimsuchung, von 1880 bis 1882 an Stelle einer älteren Kirche für die wachsende Gemeinde errichtet, feierte der junge Priester Johannes Kirschweng 1924 seine Primiz. Hier las er als Privatgeistlicher seine Messe und half bei Bedarf dem örtlichen Pfarrer aus.

Einer der profiliertesten saarländischen Mundartautoren, Peter Eckert, lebt seit Jahrzehnten in Wadgassen-Differten, ist allerdings in Saarbrücken-Burbach aufgewachsen und schreibt immer noch in Saarbrücker Platt.

Das Prämonstratenserkloster und die Glashütte auf ihrem Gelände bestimmten die Geschichte des Ortes Wadgassen und wirkten prägend auf den Schriftsteller Johannes Kirschweng. Viele Zeugnisse erinnern in Wadgassen an diese Zeiten.

Im ehemaligen Wirtschaftshof der Abtei befindet sich heute das Deutsche Zeitungsmuseum, das zur Stiftung saarländischer Kulturbesitz gehört. Die heute noch vorhandenen Reste des Klosters stehen seitens der saarländischen Denkmalpflege unter Ensembleschutz.

Zeitungsmuseum Wadgassen