Alena Wagnerová
geb. 18. Mai 1936 in Brünn (Tschechoslowakei)
Alena Wagnerová ist eine deutsch-tschechische Autorin, die in Saarbrücken und Prag lebt. Sie ist weniger regional als in überregionalen Medien, Verlagen und Institutionen präsent. Hervorgetreten ist sie mit belletristischen Texten, überwiegend aber mit Sachbüchern zu Frauen- und Familienthemen sowie zu Aspekten der tschechischen Geschichte und der deutsch-tschechischen Beziehungen.
Studium der Biologie und Pädagogik und Theaterwissenschaft in Brünn. Arbeitet an der Fakultät für Veterinärmedizin. Promotion. Theaterdramaturgin. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, als die Freiräume in der Tschechoslowakei größer werden, entdeckt sie ihre Neigung zum Schreiben. 1966 als Schriftstellerin und Publizistin nach Prag. 1969 Übersiedlung nach Saarbrücken. Alena Wagnerová gibt dafür „private Gründe“ an: „Ich habe meinen Mann kennen gelernt. Ich bin keine Emigrantin.“ Ihr Mann ist der Saarbrücker Buchhändler Karlheinz Köhler.
In ihrer Bibliografie findet sich nur eine belletristische Buchveröffentlichung, die Erzählung „Die Doppelkapelle“ von 1982 (in Tschechisch geschrieben und ins Deutsche übersetzt), sie hat in Zeitungen, Zeitschriften und in Sammelbänden aber immer wieder erzählende Texte veröffentlicht.
Am Anfang ihrer publizistischen Tätigkeit in Deutschland stehen Frauen- und Familienthemen. Am Rande vermerkt: In ihr Buch „Scheiden aus der Ehe“ hat sie als Beispiel für die Arbeitsweisen eines Arbeits-Duos ein Interview mit den Saarbrücker Autoren Gerhard Bungert und Klaus-Michael-Mallmann aufgenommen.
In ihren Publikationen zur tschechisch-deutschen Geschichte greift sie Themen auf, die in der öffentlichen Diskussion bis dahin vernachlässigt worden sind. 1990 befasst sie sich mit der Frage, was Flucht und Vertreibung im Leben von Menschen ausgelöst haben, die damals Kinder waren. 2008 erinnert sie an das Schicksal der „anderen Deutschen aus den Sudeten“, jener nämlich, die als Gegner von Hitlers Annexionspolitik Repressionen ausgesetzt sind, nach dem Krieg dann als Antifaschisten nicht vertrieben werden, aber unter dem deutschfeindlichen Klima zu leiden haben. Im Grußwort von Lenka Reinerová heißt es: „Alena Wagnerová hat nach einem der angreifbarsten, aber auch verdienstvollsten Themen gegriffen: Antifaschisten im sudetendeutschen Grenzgebiet.“
Sie schreibt eine Biografie von Kafkas Freundin Milena Jesenská und Lebensbilder anderer Prager Frauen, begibt sich auf die Lebensspuren der böhmischen Baronin Sidonie Nadherny, zeichnet das Leben der Familie Kafka nach und gibt Musikerbriefe von Smetana, Dvořák und Janáček heraus.
2022 tritt Alena Wagnerová wieder als Erzählerin mit einer Buchveröffentlichung an die Öffentlichkeit. Die Texte des Bandes „Im Leben unterwegs“, erschienen im Klagenfurter Wieser-Verlag, sind in deutscher und tschechischer Sprache verfasst und wurden seit Mitte der 60er Jahre in Zeitschriften veröffentlicht.
2023 erinnert die Autorin mit einem im Saarbrücker Geistkirch-Verlag erschienenen Text-Bild-Band an Andrea Neumann, die 2020 im Alter von 51 Jahren gestorbene bedeutende saarländische Malerin. Die Malerin und die Schriftstellerin, die sich vorher nicht begegnet sind, lernen sich im ersten Halbjahr 2016 kennen, als sie gemeinsam Stipendiatinnen in Schloss Wiepersdorf (Brandenburg) sind. „Sich im Schweigen zu verstehen, so kann ich die Begegnungen zwischen Andrea Neumann und mir bezeichnen“, schreibt Alena Wagnerová. Die Endlichkeit des Lebens habe sie dort eingeholt: „Mich im Wort – sie letztlich im Leben“. Das Buch sollte ein gemeinsames Projekt der beiden Frauen werden, der frühe Tod von Andrea Neumann hat das verhindert. Nun hat die Autorin in memoriam Bilder von Andrea Neumann, von denen man annehmen muss, dass sie in Wiepersdorf entstanden sind, zusammen mit eigenen Texten als großformatigen 36-seitigen Band herausgegeben.
Über die Bilder von Andrea Neumann sagt Alena Wagnerová: „Im Mittelpunkt ihrer Kunst steht der Mensch in seinem unvollendeten, suchenden Dasein. Dafür wählte sie für ihre figurative Malerei auch die heute ungewöhnliche Technik der Eitempera, aufgetragen auf die Baumwolle, die ihre Bilder durchsichtiger und weicher machten.“
Der Text besteht hauptsächlich aus Tagebucheinträgen von Wagnerová aus jener Wiepersdorfer Zeit von Januar bis Juli 2016, in die ihr 80. Geburtstag fällt. In knappen, oft aphoristisch zugespitzten Formulierungen reflektiert sie über sich („Zweifel an mir selbst. Die rationale Erkenntnis läßt die Bedürfnisse der Seele unerfüllt.“), über das Alter („Alt wird man zuerst in den Augen der anderen.“) und über den Tod („Wir alle werden sterben – na gut – aber auch ich?“).
Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit engagiert Alena Wagnerová sich auch in der saarländischen Kulturszene, ist eine Zeitlang Vorsitzende des saarländischen Schriftstellerverbands (VS). Sie findet ein Engagement um so notwendiger, als sie eine „strukturelle, historisch gegebene Schwäche des saarländischen Bürgertums“ diagnostiziert hat, so dass hier, nicht durch eine breite, wertorientierte Bürgerschicht abgefedert, „der Neoliberalismus mit seinem Maßstab der kurzfristigen wirtschaftlichen Effektivität, gekoppelt mit dem ‚neuen‘ Verständnis der Kultur als bloße Unterhaltung“, voll durchgeschlagen und die Errungenschaften der 70er und 80er Jahre zerstört habe. Ihr Fazit 2002: „Eine Region im Werden fällt zurück in selbstgewählte Provinzialität und Selbstgefälligkeit.“
In einer Serie für die „Saarbrücker Zeitung“ befasst sie sich 2000 mit der Geschichte tschechischer Zwangsarbeiter in Saarbrücken und Umgebung.
Alena Wagnerová war Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Sektion Frauenforschung, sowie Mitglied des P.E.N.-Zentrum Deutschland. (RP)