Carolin Römer
geb. 11. März 1963 in Kirn
Den Kopf voller Ideen, wollte sie einen Roman schreiben. Zehn Jahre später ist ihr sechster erschienen; der sechste Krimi um einen irischen Ex-Bullen und Teilzeit-Koch namens Fin O’Malley. Und die Figur gewinnt von Mal zu Mal an Tiefe, wird vielschichtiger und macht neugierig auf neue Fälle. Zum Glück weiß Carolin Römer immer schon, wie sie ihre Geschichte im nächsten Buch weitererzählen wird.
Carolin Römer wächst in Kirn an der Nahe auf. Dort besucht sie das Staatliche Neusprachliche Gymnasium, macht 1982 ihr Abitur. Anschließend geht sie nach Saarbrücken, wo sie an der Werkkunstschule Grafikdesign (u.a. bei Oskar Holweck) studiert. Nach drei Semestern dann die Umorientierung. Römer absolviert beim Saarländischen Rundfunk / Fernsehen die Ausbildung zur Cutterin. Der Filmschnitt ist auch heute (2022) noch ihr „Brotberuf“; an weit über hundert Reportagen, Dokumentationen und Fernsehspielen (u.a. „Tatort“) hat sie inzwischen mitgearbeitet.
Filmschnitt ist eine komplexe, kreative Tätigkeit; sie verlangt ästhetisches Feingefühl, ein gutes Gedächtnis, Geduld (mit unentschlossenen Autoren) und erzählerisches Talent. Film ist eine Erzählung in Bildern und Tönen. Dass Römer schließlich auch den Weg zum „anderen“, ursprünglichen Erzählen mit Worten findet, ist nicht verwunderlich. Auch die Wahl des Genres und des Ortes sind nur konsequent. Ihre Bücherregale stehen voller Kriminalromane und sie kennt Irland von vielen regelmäßigen Besuchen.
Foley, County Donegal
Irland, die „grüne Insel“, steht auf der Liste der Sehnsuchtsziele der Deutschen seit Anfang der 1970er Jahre weit oben. Der Südwesten mit dem Ring of Kerry und der Dingle-Halbinsel ist nach wie vor ein Toppziel. Für Römer: „super-schön, aber auch sehr touristisch.“ Der rauere Nordwesten, wo die Republik an das britische Nordirland grenzt, liegt ihr eher; das County Donegal mit seinen steilen Klippen und einsamen Sandstränden, Moor- und Heidelandschaften – das ist ihre Welt („Ich bin Naturmensch.“).
Und eben Fischerdörfchen wie Foley. Auf der Landkarte wird man den Ort allerdings vergeblich suchen; er ist fiktiv, quasi ein Destillat aus einem Dutzend dieser typischen Nester, die aus wenig mehr als Laden-Tankstelle-Postagentur, Kirche und Kneipe bestehen. Der Name „Foley“ kommt aus dem irischen Gälisch; foghlai bedeutet „Strandräuber“.
DS Finbar O’Malley
In dieses Räubernest verschlägt es Römers Helden (oder: Anti-Helden), den Dubliner Detective Sergeant Fin O’Malley zu Beginn der Erzählreihe (Bd.1 „Die irische Meerjungfrau“, 2011). Dass der Stadtmensch erst mit der neuen Umgebung fremdelt, sich bald aber voll integriert und am Ende sogar den Dienst quittiert, um in Foley zu bleiben, ahnt der Leser bald. Denn für O’Malley „ist Polizeiarbeit keine Herzensangelegenheit“. Er hängt lieber im Dorf-Pub, dem „Fisherman“, ab und lauscht den Gesprächen der Einheimischen. Der Pub – das ist „das Wohnzimmer der Iren.“
Das stringente Ermitteln nach den Regeln der irischen Polizei, der Garda, wird Sache einer anderen Figur. Ab dem zweiten Band der Reihe („Greed Castle“) darf O’Malley sich mit einer „richtigen“ Polizistin streiten: Detective Inspector Caitlin da Silva. Der Hauptfigur einen sidekick zu geben, eine Reibungsfläche, ist ein probates Mittel, den Handlungsstrang „Verbrechensaufklärung“ voranzutreiben. Sherlock Holmes hatte seinen Dr. Watson, >Tom Hillenbrand lässt seinen Xavier Kieffer sich mit Kommissarin Lobato kabbeln …
Krimi plus X
Aber es geht Carolin Römer nicht nur um die Krimi-Handlung. Die O’Malley-Reihe gehört nicht in die „hard-boiled“-Abteilung. Irland mit seiner überwältigenden Natur, seinen Menschen, der reichen Geschichte und Mythologie, der komplexen gesellschaftlichen und politischen Lage – das alles sind Themen, mit denen die Autorin und ihre Figur sich auseinandersetzen. Die Krimihandlung, sagt sie, ist nicht Selbstzweck, sie soll „in den Lebenslauf der Figur reinpassen.“
Auch ist Irland für sie alles andere als ein Paradies. Der laxe Umgang mit Umweltschutzgesetzen (Stichwort: Torfabbau), die Macht der Industrie (beispielsweise in „Alle Schuld will Sühne“), der unterschwellige Konflikt in Nordirland (in „Nachtgespenster“) bieten reale Hintergründe für die Romane. Aber nicht mehr. Römer will nicht belehren, jeder Verweis „muss in der Geschichte weiterbringen.“
Generationen von Autoren haben sich schon an der irischen Landschaft abgearbeitet und nach originellen Formulierungen gesucht, um die wellenumtosten Klippen oder die sanften grünen Hügel zu beschreiben. Römer gelingen immer wieder neue poetische und humorvolle Bilder. ZITAT
Ein feiner Humor zeichnet dieses Erzählen aus. So können auch Themen angesprochen werden, die erwartbar, abgegriffen sind, von der Mythenwelt bis hin zum „irischen Charakter“. Römer betrachtet die Klischees als Klischees; ironisch eben. Auch das verrät fundierte Kenntnis der Kultur.
Wer allerdings glaubt, Römers Irland-Krimis ersetzten einen Reiseführer (so, wie es etwa Jörg Bongs – alias Jean-Luc Bannalecs – Bretagne-Krimis oder >Tom Hillenbrands Luxemburg-Romane tun), wird sich getäuscht sehen. Stadtpläne und touristische Informationen findet sie „langweilig“; sie halten den Fluss der Geschichte nur auf. Und um die Geschichte geht es ja; im Roman wie im Film. pmk