Heiliger Wendelin

Lebte 6./7. Jahrhundert aller Wahrscheinlichkeit nach in der Umgebung von Tholey

„Wandalinus“ war einer jener gottesfürchtigen Männer, die zur Zeit des Bischofs Magnerich (gestorben nach 578) in der Wildnis des “Vosagus” (Waldgebiet von den Vogesen bis in den Hunsrück) als Eremiten oder in kleinen Gemeinschaften lebten. Zu ihnen gehörte auch Ingobertus. So steht es in der Magnerich-Vita, die Eberwin, Abt von St. Martin in Trier und von Tholey, um das Jahr 1000 verfasste.

seitliche Ganzkörperaufnahmeufnahme der Statue

Bronze Wendelinfigur vor dem Mia-Münster-Haus in St. Wendel. Foto: Martin Oberhauser

Die neuere Forschung setzt die Lebenszeit des aus romanofränkischem Raum stammenden Wendelin rund 70 Jahre später an und gesellt ihn zu einem Kreis von Klerikern und Laien um Bischof Paulus von Verdun (gestorben 648/649): “Aussteiger”, die gewillt waren, ihr Leben nach dem Vorbild des “irischen Christusboten” Kolumban auszurichten.

Nach einer der ersten, um 1300 verfassten lateinischen Legende entstammte  Wendelinus dem Lande der Schotten, … entsagte allem Besitz und entschloß sich sogar zu einem Einsiedlerleben im Ordensgewand.   Aus diesem Grunde machte ihn der Allmächtige auf Erden berühmt und verklärte ihn durch aufsehenerregende Wunderzeichen.” Und: “Jeder Einsichtige erkennt, daß unterschiedslos von nah und fern das Lob seines Grabes ertönt; sie alle preisen einstimmig die Unbegreiflichkeit seines hilfreichen Eingreifens.
(Verfasser unbekannt. Ins Deutsche übersetzt von Alois Selzer. Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 1965/66)

Was den Stadtheiligen weit über das St. Wendeler Land hinaus vertraut machte, war die Verwandlung seines Einsiedlerdaseins in ein Hirtenleben. Im “Passional” “Der Heiligen Leben und Leiden” von 1471/1472 erschien diese (ebenfalls anonyme) Legende erstmals auf Deutsch und im Druck. (Hier ein Auszug in einer Neufassung von Severin Rüttgers, Insel Verlag 1933):

Aufnahme des oberen Teils der betenden Tumba.

Tumba-Deckplatte mit St. Wendelin und den Schafen in der Basilika St. Wendel. Foto: Martin Oberhauser

Als Sohn eines schottischen Königs tritt Wendelin zunächst als Viehhirte eines räuberischen Edelmanns auf. Der Edelmann gab ihm Speis und bat ihn, dass er ihm des Viehes hüte. Des unter wand sich Sankt Wendel mit großem Fleiß, und trieb es auf das Feld und suchet viele Stätten, dar das Vieh Weide hätt. Und wie weit und fern er das Vieh auch trieb, er kam doch allweg zur rechten Zeit heim zu des Edelmanns Hof, und das Vieh nahm gar sehr zu bei ihm. Zum Dank baute ihm der reuige Edelmann eine kleine Zell, nicht weit von einem Mönchkloster.
Zum ersten Mal auch werden Stadt San Wendel und Kloster thol beim Namen genannt.

Und zur rechten Zeit, als nach den aufeinanderfolgenden Kriegen des 17. Jahrhunderts Stadt und Land, Handel und Wandel darniederlagen, verfasste der St. Wendeler Pfarrer Nikolaus Keller um 1700 eine neue, mit viel Lokalkolorit angereicherte Legendenversion. Er schildert das Entrückungswunder als ein Luftmirakel und lässt es im liebliche Bosenbachtal geschehen, dort wo schon „ein kleiners Bet(t)häusgen“ stand:

Darstellung an der Tumba. Er wird als Mönch darfgestellt, in der rechten Hand ain Stock, in der linken die Bibel

Tumba Detailausnahme, Wendelin als Abt. Foto: Martin Oberhauser

Als S: Wendel einmahl eine hefftige begierd hatte seine Heerd zu verlaßen, und sich zu seiner einöden zu begeben, siehe da ward er durch die allmach Gottes sambt seinen Schaffen in die lufft erhebt, und in Kurtzer weil in seiner Einöde sanfftiglich niedergesetzt. … An selbrigem ort, wo die Schaff weideten, ware kein waßer, deswegen S: Wendel sein gebett zu Gott verrichtete + seinen Hirtenstab mit großem Vertrauen in die Erd stieße und durch Gott eine frische Brunnquell hervor brachte, dieser brun ist noch jetziger zeit unweit von der stadt S: Wendel vierkantig in stein eingefast und S: Wendels Bunnen genant. Jährlich am Montag. in der Creutz wochen wird er in der Proceßion von dem H. Pastor geweihet, – der Brauch wird heute an Pfingstmontag praktiziert – und von männiglich und allerley Unheyl von Menschen und Viehe abzuwenden schier Täglich besucht.
(Nikolaus Keller: Beschreibung Des tugendreichen Lebens deß H. Einsidler und Abtß Wendelini. Saarlouis 1704, Ausgabe Colmar 1744)
Das Begräbnis- und Gespannwunder, siehe Tholey

Die Anzahl an Reimlegenden, Lobgesängen, Pilgerliedern, Bittgebeten, Segenssprüchen ist durch die Verbreitung des Kultes dermaßen angestiegen, dass hier der Hinweis darauf genügen sollte.
(Literatur: Alois Selzer: St. Wendelin. Leben und
Verehrung eines alemannisch-fränkischen Volksheiligen, 2. Aufl Mödling bei Wien 1962) (GO)