Francesco Sanzo

geb. 10. Okt. 1947 in Chiaravalle, Kalabrien

Francesco Sanzo ist ein aus Italien stammender saarländischer Bauunternehmer, der nach dem Rückzug aus seiner Firma zahlreiche Bücher veröffentlicht. Seine Autobiographie ist eines der raren Selbstzeugnisse von Zuwanderern aus der Zeit des deutschen Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg und gibt zugleich ungeschminkte Einblicke in die Machenschaften der Baubranche.

Sanzo hat es im Saarland weit gebracht. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Bergdorf in Kalabrien, von dem er erzählt: „Mein Geburtsort liegt in den Hügeln der Apenninen, tief unten am Stiefel. Zum Meer, nach Soverato, sind es etwa zwanzig Kilometer. Um Chiaravalle, das etwa 550 m hoch liegt, wächst an einigen Hängen Wein, außerdem findet man überall Olivenhaine und Kastanienwälder.“ („Zwei Kellenschwinger im Strom der Zeit“)

Die Familie ist sozial abgestiegen, die Eltern leben trotz harter Arbeit mit den fünf Kindern in Armut. Francesco Sanzos Vater war Inhaber einer gut gehenden Baufirma in Äthiopien, bis der Ausgang des italienischen Abessinienkrieges (1935 – 1941) dem ein Ende gesetzt hat. Der Vater versucht zunächst, die Familie als Tagelöhner durchzubringen, dann betreiben sie eine kleine Landwirtschaft, die auf die Dauer zu wenig abwirft, so dass der Mann 1954 zum ersten Mal für eine Saison als sogenannter Gastarbeiter nach Deutschland geht. Von Schleusern durch die Schweiz gebracht, kommt er über Frankreich nach Bliesransbach im Saarland (heute Ortsteil von Kleinblittersdorf nahe Saarbrücken).

Anfang in Bliesransbach

Der Sohn schildert, wie er schon als Kind im elterlichen Betrieb mitarbeiten muss, vor allem seit der Vater während eines Großteil des Jahres nicht zu Hause ist. Sich selber beschreibt er als von Statur eher klein, aber kräftig, willensstark, durchtrieben, clever, geschäftstüchtig, wissbegierig auf alles außerhalb der Schule. Die Bubenstreiche der Clique sind nicht immer harmlos, manchmal lebensgefährlich, Konflikte werden mit körperlicher Gewalt ausgetragen.

Mit 11 ½ Jahren, im Mai 1959, folgt Francesco dem Vater zum ersten Mal nach Deutschland, sie wohnen in Bliesransbach, der Junge findet Arbeit in einer Fabrik in Brebach, bis man auf sein Alter aufmerksam wird. Er bleibt mit dem Vater bis zum Winter im Saarland, hilft beim Bauern auf dem Wintringer Hof und lernt im Saarbrücker Polizeisportverein Judo und Karate.

Ab März 1961, da ist er 13 Jahre alt, kommt Francesco Sanzo alljährlich ins Saarland. Er arbeitet am Bau bis zum Wintereinbruch und erfährt am eigenen Leib, wie den Italienern nur die härteste, schmutzigste Arbeit zugeteilt wird, wie sie von den Polieren schikaniert werden, in Baracken hausen; die Deutschen meiden den Kontakt mit den „Gastarbeitern“, beschimpfen sie als „Spaghettifresser“.

Im Lauf der Jahre bessert sich die Einstellung der Deutschen gegenüber den Italienern, sie beginnen italienische Spezialitäten zu schätzen, der erste Italiener eröffnet in Saarbrücken eine Eisdiele, später entstehen Pizzerien und italienische Restaurants. Zu den Baustellen, an denen Sanzo arbeitet, gehören der Saarländische Rundfunk und das Saarlandmuseum. Voller Selbstbewusstsein stellt er im Nachhinein fest: Auch Italiener haben Deutschland wiederaufgebaut.

Ein italienischer Saarländer

Sanzos Traum ist es, viel Geld zu verdienen und dann nach Italien zurückzukehren. Doch ab 1966 bleibt er ganz im Saarland – es ist nun doch nicht, wie er seine Biografie nennt, eine „Flucht auf Zeit“, sondern auf Dauer. Bei allem inneren Vorbehalt gegenüber der deutschen Mentalität ist er fest entschlossen, sich hier zu integrieren und nach oben zu arbeiten, und das gelingt ihm auch.

Dabei will Sanzo seine italienische Identität bewahren, er definiert sich als „italienischer Saarländer“. Von der deutschen Mentalität fühlt er sich oft irritiert. Ein Beispiel dafür, was für ihn „typisch deutsch“ ist: „Sie waren nicht in der Lage, ein Problem selbst zu lösen, und riefen, wenn ihnen etwas nicht passte, sofort die Polizei.“ In seiner Heimat „nahm man das Recht selbst in die Hand“. Oft fühlt er sich ungerecht behandelt.

Schon früh eignet Sanzo sich nützliche Fertigkeiten an, u. a. als Maurer und Kranfahrer und ein bisschen auch als Kfz-Mechaniker. 1971 heiratet er die Deutsch-Französin Danièle, es wird eine Verbindung fürs ganze Leben, aus der Ehe gehen drei Söhne hervor. Immer noch in Baufirmen beschäftigt, baut er nach Feierabend weitgehend mit eigenen Händen ein Haus für die Familie in Ormesheim, in das sie im Dezember 1973 einziehen. Dann beginnt er, in Schwarzarbeit für Bekannte Garagen und Häuser zu bauen. Schließlich legalisiert er das Geschäft, gründet eine eigene Baufirma, später auch ein Immobilienunternehmen.

Hier zählt mein Gesetz

Die Geschäfte gehen gut, doch die Usancen in der Baubranche sind hart. Immer wieder hat Sanzo es mit betrügerischen Immobilienhändlern, zahlungsunwilligen Auftraggebern, korrupten Verwaltungen zu tun. Er kommt zu dem Schluss, dass es in Deutschland auch nicht anders zugeht als in Italien. Aber er ist robust genug, sich nicht unterkriegen zu lassen. Notfalls treibt er ausstehende Gelder mal mit dem Messer in der Hand ein. Vom Umgang mit einem Anwalt, der Unterlagen nicht mehr herausrücken will, berichtet er: „Ich nahm ihn bei der Krawatte und drohte, ihn aufzuhängen. Er sah mir an, dass ich keine leere Drohung ausstieß, und rückte meine Unterlagen heraus.“

Als seine Sekretärin ihn darauf aufmerksam macht, dass eine geplante Mieterhöhung gegen deutsches Mietrecht verstößt, antwortet er ihr: „Mich interessiert das Gesetzbuch nicht, hier zählt mein Gesetz.“  Relativ offen spricht er das Thema Mafia an, auch im Saarland ist eine Organisation“ von Sizilianern aktiv. Sanzo widersteht deren Versuchen, ihn als Mitglied zu werben, er lehnt auch ihr Angebot ab, für ihn einen Widersacher zu beseitigen, kann sich aber der Zusammenarbeit mit der „Organisation“ nicht ganz entziehen.

Sanzo arbeitet so hart, dass er kaum noch ein Privatleben hat. Erst spät gönnt er sich den ersten Urlaub, erfüllt sich einen Kindertraum und leistet sich seinen ersten Ferrari. Ab 2010 zieht er sich langsam aus dem Geschäft zurück, seine Söhne haben inzwischen ihre eigenen Firmen. „Ich übernehme praktisch nur noch ein paar Kontrollfunktionen und stehe ihnen heute mit Rat und Tat zur Seite“, heißt es in „Ein Junge mit zwei leeren Flaschen“.

Vom Bauunternehmer zum Autor

Dieses Buch, das er später mit geringfügigen Veränderungen unter dem Titel „Flucht auf Zeit“ wieder auflegt, erzählt schnörkellos die Geschichte seines Lebens. 2018 wird, eingetragen auf seine Frau, der Sanzo-Verlag gegründet, in dem ausschließlich Titel von Francesco Sanzo veröffentlicht werden. In diesem Jahr erscheint sein erster Krimi um den Kommissar Scherff, „Tod in der Hahnenklamm“. Mit diesem Buch übt Sanzo Rache mit literarischen Mitteln. Im wahren Leben hat er es seinerzeit abgelehnt, dass die Mafia sich um den betrügerischen Herrn Dölmann kümmert, jetzt lässt er ihn auf dem Papier sterben. Innerhalb von 4 Jahren erscheinen 8 Folgen der Reihe, bis der Autor seinen Helden 2022 aus dem Leben scheiden lässt („Kommissar Scherff – Sein eigener Fall“).

Wie seine Krimis speisen sich auch Sanzos andere Romane aus eigenem Erleben. „Angelo – Frucht der Gewalt“ berichtet vom abenteuerlichen Leben eines Mannes, den er als Kind in seinem Heimatdorf kennengelernt hat. „Haus der Zuflucht“ erzählt, wie die „Organisation“ aus einer verschworenen Gemeinschaft cleverer sizilianischer Jungs hervorgegangen ist.

Darüber hinaus sind aus Geschichten, die Sanzo seinen Enkeln erzählt hat, auch drei Kinderbücher entstanden.

In Francesco Sanzos Elternhaus gab es keine Bücher, in seiner Autobiografie erwähnt er mehrfach, wie sehr er es bereut, nicht deutsch schreiben gelernt zu haben. Nun ist er als Autor produktiv, seine Bücher verfasst er handschriftlich auf Italienisch, lässt sie übersetzen, bedient sich auch professioneller Lektorinnen und legt selber noch einmal letzte Hand an.

Rastlos wie er ist, betätigt Sanzo sich auch als Tüftler, er erfindet einen sparsamen Motor, einen Hausanker, Dachdeckerzubehör. Manches existiert nur auf dem Papier, ein Produkt allerdings hat es zur Marktreife geschafft: ein Wunderbesen, der Besen, Schaufel und Kantenschneider vereint. (RP)