Johann Christoph Sachse
geb. 13. Aug. 1762 in Cobstädt (Landkreis Gotha), gest. 20. Juni 1822 in Teplitz-Schönau (Böhmen)
Sachse ist bekannt durch seine Lebenserinnerungen, die Goethe unter dem Titel „Der deutsche Gil Blas“ herausgibt.
Sachses Vater verspielt mit windigen Geschäften sein Vermögen und das seiner Frau. Der Sohn führt ein abenteuerliches Wanderleben und verdient sich seinen Unterhalt in wechselnden Stellungen als Diener. Auch nach seiner Hochzeit 1784 mit einer Frau aus Weimar gibt er sein unstetes Leben nicht auf. Nachdem er sich beim Herzog von Weimar um eine Stelle als „Lakai oder Bibliotheksdiener“ beworben hat, verschafft der Dichter und Minister Johann Wolfgang von Goethe ihm 1800 eine feste Stelle als Bibliothekshelfer in der Weimarer Bibliothek. Er gibt an, dort 122.000 Bücher registriert und gestempelt zu haben, es ist das Ende seines Wanderlebens.
Der deutsche Gil Blas
Goethe ist beeindruckt von Sachses Lebensgeschichte und setzt sich wiederholt für ihn ein, wenn er in Schwierigkeiten gerät. Er sieht in Sachse den Fall eines „von Kindheit an hin- und widergetriebenen Mannes“, dessen „Charakter gut von Haus aus“ ist, dessen Gemütszustand „freylich durch langwieriges, kaum zu ertragendes Haus- und Familienkreuz immer mehr geschärft und verbittert worden“ ist.
Goethe hat sich immer schon für die Lebensschicksale sogenannter einfacher Menschen interessiert und sich sich für die Veröffentlichung ihrer Autobiographien eingesetzt. Als er erfährt, dass der Weimarer Bibliotheksdiener sein Leben aufgeschrieben hat, vermittelt er eine Buchveröffentlichung bei seinem Verleger Cotta. Das Werk erscheint 1822, wenige Wochen vor Sachses Tod. Goethe hat ein Vorwort beigesteuert und dem Buch in Anspielung auf einen Romanhelden des französischen Autors Alain-René Lesage den Titel gegeben: „Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers – Von ihm selbst verfaßt“.
Nach Sachses Tod meint Goethe am 16. Juli 1822 in einem Brief an seinen Sohn August: „Eigentlich habe ich ihn durch Herausgabe seiner Lebensgeschichte totgeschlagen; er wusste nicht, wo er mit dem wenigen Geld hinsollte.“
Abenteuer in Homburg
Sachses erzählt in dem Buch auch von einer Episode, die im Gebiet des heutigen Saarlandes spielt. Im 1. Koalitionskrieg der alten europäischen Mächte gegen das revolutionäre Frankreich wird 1793 Mainz von preußischen und österreichischen Truppen belagert. Die Stadt ist von Franzosen besetzt, deutsche Jakobiner um Georg Forster haben die Mainzer Republik ausgerufen. Sachse dient beim Königlich Preußischen Feldproviantamt. Nach dem Abzug der Franzosen soll er Vorräte aus der Stadt schaffen. Er kommt über Oberstein an der Nahe, Birkenfeld, Ottweiler, Fürth, Saarbrücken, Homburg und Zweibrücken nach Blieskastel, „wo ich bald mein Grab gefunden hätte“. Hier zieht er sich nämlich eine Ruhrinfektion zu, „worauf ich nach Homburg, dem Standquartier, eilte, wo ich zu meinem Glück in der dasigen Bruchischen Apotheke einquartiert, und so gut behandelt wurde, daß ich nach einigen Wochen wieder ausgehen konnte“.
Da nun aber die Franzosen von Bitsch her in die Stadt einrücken, versteckt Sachse sich im Kellerlabor der Apotheke. Nachdem er sich wieder nach oben gewagt hat, assistiert er dem Apotheker, der einen verletzten Franzosen behandelt. Dabei werden sie von sächsischen Husaren erwischt, und die Situation droht für die beiden Helfer gefährlich zu werden. Doch sie können sich dem Zugriff entziehen, weil einer der Husaren ein alter Bekannter von Sachse ist, während der Apotheker sachlich argumentiert, „die Apotheke sei ein privilegiertes Haus, in welchem die leidende Menschheit Schutz finden müsse“.
Damit ist Sachses saarländisches Abenteuer aber noch nicht beendet. Gegen Abend kommt die Nachricht, „daß sich die Franzosen zurückgezogen und die Preußen bei dem Lustschlosse, dem Karlsberge, postiert hätten“. Als Sachse sich in der Dunkelheit zu den Preußen durchschlagen will, trifft ihn eine preußische Kugel fast am Kopf, und zu allem Unglück wird er auch noch als Spion festgenommen. Aber auch hier gelingt es dem „deutschen Gil Blas“, sich herauszureden, und er kann seinen Weg fortsetzen zu neuen Abenteuern. (RP)