Katja Bohlander-Sahner

geb. 5. Okt. 1979 in Neunkirchen Saar

Katja Bohlander-Sahner schreibt zunächst Untrerhaltungsromane, die auf dem Dorf spielen, ihre Helden sind nicht mehr ganz junge, eher durchschnittliche Menschen, die unversehens in eine große, erotisch aufgeladene Geschichte geraten. Spätestens mit der Wiederveröffentlichung von „Im Dorf, da wohnen Tiger“ hat die Autorin sich allerdings aus der Unterhaltungsliteratur herausgeschrieben, wie ihr für 2023 angekündigter Roman beweist.

Katja Bohlander-Sahner stammt aus Neunkirchen, sie wohnt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Hirzweiler, dem „ländlichsten aller sechs Illinger Ortsteile“ (Homepage der Stadt). Sie ist Diplom-Psychologin, hat in Saarbrücken Psychologie und Kriminalistik studiert, als Migrationsberaterin gearbeitet. Hat in Bad Kreuznach Kreatives Schreiben belegt und spricht im Podcast „Katjas und Inas Buchgestöber“ über das Lesen und Schreiben. Ist Mitglied der Gruppe „schreib:raum“ in Saarbrücken. “Zur Zeit kümmert sie sich um ihre Familie und arbeitet an weiteren Büchern.“ (Verlags-Info 2021)  Sie sagt: „Gute Geschichten erzählen und die Leser unterhalten, das sind meine Ziele.“

Man hat es geahnt: Auch auf dem Land passieren die krassesten Sachen. „Im Dorf, da wohnen Tiger“, lautet denn auch der Titel von Katja Bohlander-Sahners erstem, noch im Selbstverlag erschienenem Roman. Da bewegen sich ein Mann und eine Frau, die eigentlich nur gute Freunde sein wollen, hart am Rand der Erotik; die Lebensgefährtin entpuppt sich nach langer monogamer Beziehung plötzlich als bisexuell; der Sohn erwischt die Mutter beim Seitensprung; es herrscht Gewalt in der Ehe; nicht alle Menschen entstammen einer ehelichen Beziehung; die unbewältigte Vorgeschichte des Protagonisten reicht nach Afrika; zwei Familien sind auf schicksalhafte Weise miteinander verstrickt.

Erzählt wird auf mehreren Zeitebenen, an mehreren Orten, Handlungsstränge brechen vorläufig ab, wenn es gerade spannend wird. Aber alles bleibt übersichtlich, die Autorin hilft mit Orts- und Zeitangaben am Anfang der Kapitel. Hauptorte sind Hirzweiler und das nahegelegene Mainzweiler. Lokalkolorit wird nicht ausgebreitet, die Dialoge werden auf Hochdeutsch geführt, das Augenmerk liegt ganz auf den menschlichen Beziehungen.

Offenbar hat sich diese Machart für die Autorin so bewährt, dass sie sie auch beim ersten Roman, der bei einem regulären Verlag erscheint, beibehält: „Vom Schwimmen in fremden Gewässern“ in der saarländischen Edition Schaumberg. Bei einer Buchvorstellung in Mainzweiler sagt die Autorin, dass der Roman zwar in Hirzweiler spiele, aber die Ereignisse sich hätten genauso gut in Mainzweiler zutragen können („Saarbrücker Zeitung“ 21.11.21).  Diesmal ist alles noch ein bisschen spektakulärer. Es gibt mehr Sexszenen als im Vorgängerroman, ein älterer Mann hat ein Verhältnis mit einer viel jüngeren Frau, auch hier beobachtet der Sohn die Mutter beim außerehelichen Sex, die Tochter outet sich als lesbisch, ein Mann missbraucht die minderjährige Tochter des befreundeten Ehepaars, der verschollene Sohn gerät in Italien in mafiöse Strukturen, die Mutter stirbt (Selbstmord?), eine Zwangsprostituierte wird ermordet, eine Frau kommt mit neuer Identität ins Zeugenschutzprogramm. Und dann, authentisch klingend, aber erfunden:  Die Immunität eines „hohen Ministers“ der Großen Koalition unter Angela Merkel wird aufgehoben wegen Anstiftung zum Mord an einer rumänischen Staatsbürgerin, die als Prosituierte Kontakt mit dem Minister gehabt haben sollte.

Man fragt sich, wie sich die Autorin bei ihrem nächsten Buch noch steigern will. Die „Wiesbacher Sinfonie“ kommt anders daher. Das Buch trägt nicht mehr die Gattungsbezeichnung „Roman“, der Umfang ist deutlich reduziert auf rund 170 Seiten (statt zuletzt 489), die Handlung ist konzentrierter, die Anzahl der Krassheiten begrenzt, statt in Hirz- und in Mainzweiler ist Angelpunkt des Geschehens jetzt Wiesbach, Ortsteil von Eppelborn. Aber ein großer Teil spielt in Italien. Bei zwei älteren Ehepaaren ist die Leidenschaft längst erloschen, da verliebt sich Hals über Kopf ein fast 50-jähriger Lehrer des Illtal-Gymnasiums in die ebenfalls verheiratete Paula. „Paula ist ein einziger Honigtopf. So fühlt sie sich: Süß und cremig und weich. Und Klemens ist der Löffel, der hineintauchen wird.“ Alles ist wunderbar, die Beteiligten reden selber schon von „Klischee“, bis das Schicksal zuschlägt…

Bei den Sex-Szenen kommt diesmal eine neue Variante ins Spiel: „Der Erotikthriller ‚Shades of Grey‘ ist noch lange nicht erschienen, da spürt Minka Richter, dass ihr etwas fehlt.“ Und so geht sie denn eine sadomasochistische Beziehung zu einem Saarbrücker Psychologen ein. Am Ende nimmt alles eine unerwartete Wendung, und es bleibt die Erkenntnis: „Das Leben funktioniert nur als Zusammenspiel.“ (RP)