Klaus Behringer ist nicht nur durch sein Schreiben, sondern auch durch zahlreiche Aktivitäten sehr präsent im saarländischen Literaturbetrieb. (In seinem Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „10 Jahre Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass“ 2006 sagte er ironisch : „Niemand ist überhaupt saarländer als ich!“)
Behringer hat an der Universität des Saarlandes Physik, Mathematik und Erziehungswissenschaften studiert. Nach kurzer Lehramtstätigkeit ist er 1992 auf eigenen Wunsch aus dem Schuldienst ausgeschieden und betätigt sich seitdem freiberuflich. Als sein Arbeitsgebiet nennt er den Grenzbereich zwischen Literatur und Journalismus, namentlich erzählende und reportierende Prosa, Essayistik, Kritik, Fotografie. Als Mitglied eines Kollektivs ist er Buchverleger sowie Herausgeber einer Zeitschrift; er ist als Herausgeber und Gestalter mehrerer Bücher hervorgetreten.
Bei dem genannten Verlag handelt es sich um den Saarbrücker PoCul-Verlag, dessen Träger der PoCul-Verein für Politik und Cultur Saarbrücken e.V. ist. Auf der Homepage des Verlages heißt es zur Rolle Behringers: „Bei PoCul gehört er wie Epit [d.i. Peter Herbertz] zu den Gründern, er hat einige der 1988 nach dem Zerfall der Stadtzeitung-Saarbrücken-Redaktion versprengten, abgenabelten und verprellten Redakteure versammelt und mit ihnen eine neue politisch-literarische Zeitschrift gegründet: den STRECKENLÆUFER, aus der Einsicht heraus oder dem Irrtum, dass man zum gemeinsamen Weiterentwickeln aus selbst- oder fremdverschuldeter Unmündigkeit auch ein externes Organ brauche, ja, dass er ohne ein solches nicht leben könne.“ Der „Streckenläufer“ erscheint seit 1990 und ist immer noch die einzige als Printmedium erscheinende Literaturzeitschrift des Saarlandes.
Behringer war Teilnehmer an Hans Arnfrid Astels Literaturseminar an der Saar-Uni.
Seit 1995 ist Klaus Behringer Vorsitzender des Landesverbands Saar des VS Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (= Fachgruppe 8 Literatur in Fachbereich 8 Medien innerhalb der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di). (RP)
ZITAT
Zitat von Klaus Behringer
Herz der Grünen Finsternis 1
18. Juli, Göttelborn Grube, Werkstatt der Industriekultur
Im Gästezimmer: Beton und Glas, nackt neongrün wasserblau & schwarz, kein Bett, aber Nachttischlämpchen mit Schirm! und auf dem Schirm im Dickicht ein röhrender Hirsch! Der Urwald ist nahe.
19. Juli, Göttelborn, Zukunftsstandort
Paolo, der brasilianische Komponist, bemängelt die Korruption; sie sei offensichtlich, denn nichts von dem Versprochenen – er habe, um 7 von Presslufthämmern geweckt, lange die Zukunfts-Broschüre studiert – nichts von dem Versprochenen sei vorhanden.
21. Juli, Göttelborn Grube, Interaktionslabor
Gestern schon geschwänzt und heute relativ spät vor die Webcams getreten, nur um festzustellen, dass die Tänzerinnen gar nicht da sind, und Götz schon seit gestern Abend im Wald steckt, aber keiner weiß wo – und wie einen dort finden?
23. Juli, Grube Göttelborn
Das britische Team hat das Chemielabor entdeckt, früher genutzt offenbar für grobe Gesteins-Analysen. Alles liegt herum wie in einer Teufelsküche aus dem Mittelalter, rauch- & rußgrau, und Katsura muss darin vor der Kamera somnambulen ganz in Weiß.
23. Juli, Jagdschloss Philippsborn, allein am Gartentisch
Die Anderen schon abgefahren. Bestelle noch, obwohl es lange dauern wird, im Innern feiert man eine Wildnis-Hochzeit. Götz hockt am Feuer bei den Förstern und den Hunden. Ich aber nehme den Waldweg über Steinbachschacht spät in der Dämmerung, leicht rollen leicht rumpeln werde ich nach Hause, über der Nauwiese wird das Geißblatt duften, und nichts kann mir passieren.
24. Juli, Grube
Die Geobotaniker sind also die Waldmenschen, die Orang-Utans, und wenn das alles Schwindel sein mag, wie die Megaherbivorentheoretiker behaupten, dann kann man den Geobotanikern immerhin eine große, ja romantische Waldsehnsucht attestieren: Sie glauben, der Urwald sei dem Menschen ursprünglich, sein Miriquidi, seine Ur-Heimat.
25. Juli, Grube Göttelborn, Büro des M-Planers
Hat der sich vorgestellt, dass 5 Jahre nach ihm an seinem Schreibtisch im leeren Büro einer vom Verschwinden im Miriquidi träumen wird? Schnell nochmal runter zur Gazelle (Megaherbivore!?) vor der Weißkaue. Habe dort die Karten vergessen, und ohne Landkarten keine Traumproduktion.
25. Juli, Wolfsgarten
Auf dem Kasberg auf die alte Straße Richtung Jagdschloss abgezweigt, um den Waldweg zu nehmen. Inzwischen völlig finster unter acht Achtel Wolkendecke. Halte an und suche den Fußpfad zur Landstraße. Stille, nur das innere Klopfen. Da, ein Schuss! Sehr laut = ganz nahe. Wieso jagt hier wer im Urwald? Nachtsichtgerät, Restlichtverstärker? Bin ich gemeint? Atemlos gewendet, zurück bergan so schnell ich kann.
26. Juli, in der Bronx
Zu Raschid, der verpasst mir eine Tetanolspritze. Mein Arm schwillt.
26. Juli, Grube
Beim Schlendern durch die weiten öden Gänge Veronica gefunden, die Tänzerin, allein im Parkettzimmer. Dies sei ihr Trainingsraum, der schönste, der sauberste, eben ein VIP-Room. Alles auf Englisch. Das sei aber kein Sommer? Sie stamme aus Lima. Wo im Winter 99% Luftfeuchte… gut für die Haut.
27. Juli, graue Galerie
Katsura tanzt mit sich selbst, Sensoren an Armen und Händen. Im Handumdrehen schaltet sie sich in eine andere Welt.
29. Juli, in der Bronx
Eigentlich naiv, Paolos Glaube, irgendeine Magie der Gedichte gehe über ins eigene Werk, obwohl so völlig zerhackt und granuliert, dass man nichtmal mehr das Ausgangsmaterial Sprache erkennt. Fast eine schamanische Vorstellung, da sei noch etwas Lyrik enthalten.
30. Juli, Grube, Verlesesaal
In einem Wagen aus dem Dép. Essonne ist Veros Boyfriend angekommen. Prächtiges Lockenhaar, ein Bonarien. Im Verlesesaal jongliert er mit Keulen. Vero sei völlig erschöpft. Abreise morgen. Wird nix mehr aus meinen Fotos, und: Was sie jetzt noch nicht in den Kasten getanzt haben, bleibt außen vor.
30. Juli, Riegelsberg Süd
Nicht durch den Nacht-Wald, sondern über die Landstraße (seit dem Schuss). Da ich Riegelsberg Süd erreiche, stehen dort 2 Dutzend junge Menschen, gerade mit der letzten S1 angekommen. Steige in die Bahn, welche sogleich startet, 02:05. Der Fahrer rast wie eine Wildsau, und 02:15 bin ich zu Hause.
31. Juli, Göttelborn Grube, Küche
Vero bringt noch einmal den großen Abzug aus dem Grauen Raum, wo sie ganz in weiß tanzt. — Sie meint nur, ich müsse die Mülltüte oben auf dem Steg wegretuschieren.
31. Juli, Riegelsberg Süd
Wieder die letzte S1 bekommen. Die Sitze dreckig, ausgedrückte Subutex-Packungen und braun verknasterte Kaffeelöffel mit verbogenem Stiel.
1. August, Internet, Interaktionslabor
The director of the Lab: The others went to the debriefing and final dinner with me tonight, after some driving through countryside we found a small a quite restaurant which specializes in »Schnitzel«, a famous german standard dinner, and they had about 18 different kinds of schnitzels.
4. August, Netzbachtal
…folge dem Asfalt zum ehemaligen Schacht. Tabula rasa. Ein eiserner Deckel deckt den Schacht, den sie mit Bauschutt verfüllt haben – oder mit Asbest-Sondermüll, wie ursprünglich geplant? Kollege Merbold ist nie hier gewesen. Ähnelt der SS-20-Raketenstation Stolzenhain, mitten aus dichtem Wald weit hinausschweifende Pläne, Raketen, Weltraumtraining, und dann mit Müll und Scheiße zugeschüttet. Heute pionieren Birken.
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