Reinhard Klimmt
geb. 16. Aug. 1942 in Berlin
Reinhard Klimmt ist ein saarländischer Politiker, der auch als Büchernarr bekannt ist sowie als Autor und Herausgeber von Sachbüchern; weniger bekannt sind seine frühen literarischen Texte.
Eltern: beide Lehrer aus Berlin. Ausgebombt, über Rügen und das Emsland in das kleine Dorf Engter bei Osnabrück gezogen. Volksschule in Engter. Gymnasium in Osnabrück, Cello-Unterricht am Konservatorium. Abitur.
Klimmt kommt 1962 zum Geschichtsstudium nach Saarbrücken. „Saarbrücken – ursprünglich als Durchgangsstation gedacht – nahm mich schnell gefangen“ („Auf dieser Grenze lebe ich“). Ab Dezember 1963 zeichnet er, seinerzeit schon Chefredakteur der Schülerzeitung in Osnabrück, als Chefredakteur der von der Saarbrücker Studentenschaft herausgegebenen Zeitschrift „speculum“. Hier veröffentlicht er auch literarische Texte. Die Situationen: Zwei Männer morgens in einem Zimmer beim Aufbruch zur Arbeit: der eine stark und grobschlächtig, der andere schwächlich, „kommt mit der Arbeit nicht zurecht, macht irgendwann sicher schlapp. – Enttäuschte Männer in einem Saarbrücker Sex-Kino: „Nicht eine einzige Brustwarze, Sie, nicht eine einzige.“ – Arbeiter beim Klauen eines Betonmischers von einer Baustelle: „Diese ewige Malocherei, ich habs satt!“ – Ein Professor nach seiner letzten Vorlesung: Eben noch hat er über den gesellschaftlichen Nutzeffekt des geisteswissenschaftlichen Studiums gesprochen, da wird er in der Kneipe von einem Typen im Blaumann niedergestreckt. – Eine Glosse von 1964 ist ein Beispiel für die Kritik an der gerade eingerichteten Europawelle und am SR-Intendanten Franz Mai.
Mit der Nr. 2 des Jahrgangs 1965 verabschiedet er sich mit den anderen Redakteuren von dem Blatt; in einer Erklärung unter der Überschrift „Die Redaktion ist müde“ heißt es zur Begründung: „um den Anschluss an den Proviantwagen der Brotwissenschaften nicht zu verlieren, der lautrumpelnd durch den Campus fährt, und Examen und Wohlbehaustheit in seinem Trosse hat“.
Klimmt wird Hilfsassistent bei dem Landeshistoriker Friedrich Prinz, eine Doktorarbeit über den Sicherheitsdienst der SS beendet er nicht. „Das Netz des politischen Engagements zog sich immer enger um mich zusammen“, schreibt er. Er macht zügig Karriere. Zuerst ist er Mitglied im Studentenparlament, 1964 tritt er in die SPD ein, ab 1970 ist er saarländischer Juso-Vorsitzender: „damit lief alles auf den Punkt zu, an dem ich mich zu entscheiden hatte, ob ich an der Universität Fuß fassen oder mit meinem politischen Engagement Ernst machen wollte.“ Er entscheidet sich für die Politik, kommt 1975 er in den Landtag, wird 1985 Fraktionsvorsitzender, 1996 Landesvorsitzender, 1998 Ministerpräsident bis zur Wahlniederlage der SPD 1999, dann Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen.
Dass Klimmt nach kurzer Amtszeit als Bundesminister stürzt, hängt mit seiner Fußballleidenschaft zusammen: 1996 bis 1998 ist er Präsident des 1. FC Saarbrücken, dann von 1998 bis 2013 dessen Aufsichtsratsvorsitzender; seine Unterschrift unter einen Sponsorenvertrag bringt ihm einen Strafbefehl ein, er tritt als Minister und als Vorsitzender der Landespartei zurück.
Neben dem Fußball und dem Sammeln afrikanischer Masken gilt Klimmts Leidenschaft den Büchern. Im Lauf der Zeit hat er sich eine große Sammlung angelegt. „In gewisser Weise stehe ich auf der Grenze zwischen einem Bibliophilen und einem Bibliomanen“, sagt er Georg Bense in einem Gespräch für die „Saarbrücker Hefte“ (2010, Nr. 104). In der Presse wird Klimmt gern als Büchernarr“ bezeichnet. Dabei gilt sein besonderes Interesse den Taschenbüchern der 50er und 60er Jahre. In „Auf dieser Grenze lebe ich“ schreibt er über die Bücher: „Sie sind wahre Freunde, meckern nie, bringen uns in andere Welten und Zeiten, lassen uns andere Leben leben und sind – wenn man einigermaßen ordentlich ist – stets zur Hand, wenn sie gebraucht werden, was selbst die besten Kameraden nicht garantieren können.“ Klimmt ist Inhaber des Antiquariats „Der Büchergärtner“ und Teilhaber der Buchhandlung St. Johann in Saarbrücken.
Reinhard Klimmt ist als Autor und Herausgeber von Büchern zu seinen Interessengebieten Saar-Geschichte, Fußball und Bücher hervorgetreten. 2003 hat er, angelehnt an einen Buchtitel seines Freundes Alfred Gulden, das Buch „Auf dieser Grenze lebe ich“ veröffentlicht, es „handelt von den Themen, die mein Leben in der Politik am stärksten geprägt haben“, ist biographisch geprägt, spart Privates aber aus. (RP)