Lips Tullian

Lips Tullian ist eine Sagengestalt aus dem deutschen Warndt.

Unter Karl Lohmeyers „Sagen der Saar“ findet sich „Die versunkene Stadt Grünegraut und der Räuberführer Lips Tullian“, die im deutschen Warndt am Unterlauf der Rossel und im Lauterbachtal tradiert wurde und die dort mindestens bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch lebendig war. Der Sagengestalt des Lips Tullian (= aus Toul stammend) liegt die historische Person eines Räuberhauptmanns zugrunde, der Anfang des 18. Jahrhunderts in Thüringen, im Harz und in Böhmen sein Unwesen trieb. In seinem Wirkungsgebiet hatte Lips Tullian, der mehrfach eingekerkert wurde und wieder entfliehen konnte und der dann 1715 in Dresden hingerichtet wurde, bei der Bevölkerung schon zu Lebzeiten einen vergleichbar positiven Nimbus wie der Schinderhannes im Rheinland. Anfang der 1970er Jahre erlebte Lips Tullian eine kurze Wiederauferstehung als populärer Comic-Held in der Tschechoslowakei.

Bei der Übertragung der Legende in den Warndt wandelte sich sein Bild, laut Lohmeyer hat er „den Warndt drangsaliert“ und taugte als Kinderschreck. Hier wurde er mit einer passenden lokalen Sage verknüpft, und zwar mit der Mär von der versunkenen Stadt Grünekraut. Sie bezog sich auf rätselhafte Mauerreste und Löcher im Wald bei den abgelegenen Waldwiesen in der Kräm, zwischen Ludweiler und Karlsbrunn in der heutigen Gemeinde Großrosseln. Ein Beleg für die auch hier lang währende Präsenz des Namens ist die Tatsache, dass einem Ludweiler Lokalpolitiker in den 1920er Jahren der – sicherlich nicht schmeichelhaft gemeinte – Spitzname Lips Tullian angehängt wurde. (Wortlaut der Sage im Ortsartikel Großrosseln).

(alle Informationen zu Lips Tullian nach einem Aufsatz von Thomas Dûchene in „Zur Geschichte des Warndts“, Zeitschrift des Heimatkundlichen Vereins Warndt, Ausgabe IV/2010, I/2011) (RP)