Mathias Ludwig Schroeder

geb. 28. April 1904 in Malstatt-Burbach, gest. 05.Mai 1950 in Hilden/Rheinland

Stadtarchiv Hilden Wikipedia

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Auf den Listen typischer Vertreter der Literatur der Arbeitswelt sucht man Mathias Ludwig Schroeder meist vergeblich – und das, obwohl sein eigenes Berufsleben die solide Basis fast seines gesamten literarischen Schaffens bildet.

Dass Mathias Ludwig Schroeder sowohl Installateur war als auch Autor, ist schlichte Tatsache. Um den Gattungsbegriff „Arbeiterdichter“ auf ihn anzuwenden, muss man seine eigene idealistische Definition („Dichter und Arbeiter – Von der Bestimmung der Arbeiterdichtung“, Kevelaer 1949) mit in Betracht ziehen:

„[…]  sie haben Ziele, die sie nicht sehen, aber sie versuchen abgeklärt und erläutert dorthin zu kommen, wo sie Verwirklichungswertes finden. […] Alle Dichter und vor allem die ‚Arbeiterdichter‘ haben dieses Endziel hinter ihren Augen, das Ordnende, den Ausgleich, die Liebe, den Frieden […]! Und immer wieder Friede und Güte, um zum Besten und Höchsten zu kommen, damit alles vollkommen werde im Sinne einer göttlichen Ordnung, in der die Ursachen aller bisherigen Menschensünden, angefangen vom Hunger, Krieg, Ausbeutertum, Tyrannis, Unruhe, Bangen, Neid und Diebstahl ausgeschlossen, und nur noch die kleinen, rein menschlichen Sünden das Leben beleben werden.“

Allein schon das daraus sprechende verzeihende Lächeln und die Tatsache, dass seine Schilderungen vordergründig zumeist banales Alltagsgeschehen darstellen, scheint auszureichen, sein Werk der Trivialliteratur zuzurechnen, aber vielleicht war es gerade das, was seine zahlreichen Leser suchten.

„Alle Achtung Männer!“

Geboren ist Mathias Ludwig Schroeder 1904 in Malstatt, fünf Jahre bevor Malstatt-Burbach in der Großstadt Saarbrücken aufging. Wurzeln konnte er hier jedoch nicht schlagen. Die Familie (Vater aus der Eifel, Mutter aus dem Trierer Land) lebte hier nur, weil der Vater bei der Burbacher Hütte arbeitete.

Als er eine Anstellung als ungelernter Arbeiter bei den Trierer Stadtwerken findet, zieht die Familie noch in Mathias‘ Geburtsjahr um nach Trier. Wegen eines schweren Arbeitsunfalls (1909) liegt der Vater drei Jahre im Krankenhaus und wird dann wegen der bleibenden schweren Behinderung als Pförtner im Gaswerk beschäftigt. Der tragische Unfall bildet die Grundlage zu einer der durchweg ernsten „Acht Werkmanngeschichten“ in Schroeders erstem Buch „Alle Achtung Männer!“ (1936).

Ein Leben in Armut ist die Folge. Mathias, genannt Mathes, muss schon früh mitarbeiten und auch die drei jüngeren Geschwister beaufsichtigen. Zehnjährig erlebt er den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, mit 13 (1917) verliert er seine Mutter. Er ist der Älteste und versorgt nun den Haushalt mit mittlerweile fünf Geschwistern, unter den Belastungen des Krieges noch schwieriger, als es in Friedenszeiten schon gewesen wäre.

Dennoch trägt er mit Geld, das er als Zeitungsjunge – auch mit zahlreichen Extrablättern – verdient, zum Lebensunterhalt bei. Zwangsläufig gerät er in der Garnisonstadt Trier ständig in Kontakt mit Soldaten aller Dienstgrade, die ihn bald schon kennen. Als der Vater wieder heiratet, gelingt es dem Jungen daher, sich ohne Wissen der Eltern bei der Feldpost zu melden; er schleppt Postsäcke in Zügen, die sie zur Front bringen.

Aus den Erlebnissen dieser Zeit entstehen später seine Bücher „Peter der Soldatenjunge“ (1936) und „Peter bei der Feldpost“ (1938). Die zunehmend katastrophale Versorgungslage (z.B. „Steckrübenwinter“) verarbeitet er im dritten Band „Peter auf Hamsterfahrt“ (1938).

Im wirklichen Leben geht es jetzt weiter mit dem Einstieg in Berufsleben. Die erste Lehre als Schlosser endet nach einem Dreivierteljahr beim Tod des Meisters. Verbindungen des Vaters verhelfen ihm zu einer Lehrstelle als Gas- und Wasserinstallateur bei den Stadtwerken Trier (1919-1922). Überwiegend heitere Erlebnisse der Lehrzeit erzählt er u.a. in seinen Büchern „Der lachende Hammer“ (1937), „Lachende Kameradschaft“ (1937), „Immer etwas auf dem Kerbholz“ (1944)

„Auf zerrissenen Sohlen“

Im Anschluss geht er „auf Walze“, zunächst nach Solingen, das er verlässt, als 1923 mit Besetzung der zunächst unbesetzt gebliebenen Teile des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen der so genannte Ruhrkampf beginnt.

Er setzt sein Wanderleben fort, verweilt kurzfristig an Orten in ganz Deutschland, verdient sein Geld als Handwerker, aber z.B. auch als Zauberkünstler, Straßensänger oder Fensterputzer. Erlebnisse dieser Zeit verarbeitet er in „Auf zerrissenen Sohlen – Mein Vagabundenbuch“ (1942). Dann kehrt er zurück nach Solingen zu wechselnden Betrieben und schließlich 1928 zu den städtischen Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken. Er arbeitet zunächst als Gas- und Wasserinstallateur und wird dann eingesetzt in einem der in der Nachbarstadt Hilden unterhalten Pumpwerke.

Hier, in Hilden, wird Schroeder heimisch; er heiratet 1931, so gut wie mittellos. Das Paar hat eine Tochter.

Inzwischen hat er seine schriftstellerische Arbeit aufgenommen, zunächst allerdings mit mäßigem Echo, nur langsam stellen sich erste kleine Erfolge ein. Den ersten Text, redaktionell verändert und neu betitelt, drucken die „Münchener Neuesten Nachrichten“. Als erstes Honorar bringt der Geldbriefträger 50 Pfennig, gemessen an 25 Pfennig Stundenlohn der Ehefrau beim Bauern durchaus nennenswert – bis die Frau auf dem Abschnitt der Postanweisung entdeckt, dass es 50 Mark sein müssen.

Auf die Einnahmen aus schriftstellerischer Arbeit wird die Familie schon bald angewiesen sein. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 wird Schroeder im September als politisch unzuverlässig aus dem städtischen Dienst entfernt. Hausdurchsuchungen und andere Verfolgungen schließen sich an.

„Deutsche Brüder lassen Saarkumpels grüßen“

Gleichwohl entwickelt sich eine Freundschaft zum arrivierten, fünfzehn Jahre älteren Arbeiterdichter Heinrich Lersch. Die Mär, dieser sei schon bald auf ihn aufmerksam geworden, stellt Schroeder selbst richtig und bekennt, er selbst habe ihn auf sich aufmerksam gemacht. Lersch habe ihn mit „Schafskopp“ und „dummer Hund“ auf den richtigen Weg getrieben und ihn gelehrt, das Gute vom Dreck zu unterscheiden.

Ähnlich rustikal zeigt sich der Umgangston, als Schroeder, der „Trierer Junge“ sich im Vorfeld der Saar-Abstimmung auch an seine Geburtsstadt erinnert und das dazu verfasste Gedicht an Lersch schickt:

„Oo Welchland! Bist garnet so dumm, du Schafsgesicht!

Aber: und wenn Dir das Herze bricht!

Deutsche Brüder lassen Saarkumpels grüßen:

Saarland ist Deutschland, und wenn wir’s holen müssen!“

Lersch kommentiert: „Lieber Mattes, […] häng Dich doch nicht an Deiner eigenen Unfähigkeit auf, […] das geht nicht über Agitation heraus, leider, es soll aber Dichtung sein. […] Also innigstes Beileid auf Deine Mistgeburten.“ (zitiert nach: Günter Scholdt – Die Saarabstimmung 1935 aus der Sicht von Schriftstellern und Publizisten – Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend – XLV – 1997)

Dieser kurze Auszug wird gelegentlich so gedeutet, nicht Lersch, sondern Schroeder habe den Nazis nahegestanden. Richtig ist, dass Lersch, obwohl sozialistisch-katholisch geprägt, z.B. 1933 zu 88 deutschen Schriftstellern gehört, die ein Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichnen.

Über Mathias Ludwig Schroeder hingegen berichtet am 12.10.2019 innerhalb einer Artikelserie über die Zeit des Dritten Reiches die „Rheinische Post“, dass er einer Widerstandsgruppe angehörte, die sich 1934 in Hilden bildete.

Wie auch immer: In den ihm verbleibenden Jahren wird Lersch (er verstirbt 46jährig schon 1936) zu Schroeders Förderer und Freund. Er selbst steht bereits in Verbindung zum Junge Generation Verlag in Berlin, dessen Programm vorwiegend auf NS-Jugendliteratur ausgerichtet ist. So gelangen wohl auch Schroeders drei „Peter“-Bände an diesen Verlag. Andere Bücher Schroeders erscheinen aber bei Verlagen mit breiterem Spektrum wie Langen-Müller, Herder, Bertelsmann.

Waren es zunächst überwiegend kleine, fast anekdotisch geprägte Geschichtchen in Schroeders Büchern, wendet er sich nun etwas längeren Texten zu. Genannt seien „Männer und Herzen” (1939) oder „Das Beichtrohr“ (1941). Mundart (am ehesten als abgeschwächtes Rheinisch) kommt in Schroeders Texten nur sehr selten vor und wenn, dann als sparsame Farbtupfer, die die Ausdrucksweise einer einzelnen Person andeutet.

Bereits 1940 wird Schroeder zur Wehrmacht eingezogen, aufgrund seiner handwerklichen Vorbildung naheliegend ist der Einsatz als Baupionier. Eine Verwundung bringt ihn 1942 ein Vierteljahr ins Lazarett. Danach geht es vorübergehend zum Einsatz an der Ostfront. In Kriegsgefangenschaft gerät er allerdings bei den Briten.

„Benze uff Kolben“

Schon Ende 1945 kann er zurückkehren und nimmt umgehend seine schriftstellerische Tätigkeit wieder auf. So erscheinen Texte von ihm z.B. in „Aufwärts“, der neuen Jugendzeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Auch eine Reihe längerer Texte hatte er schon begonnen – wie „Der Zauberer“ (1947) oder „Klees mit dem Kännchen“ (1948), wenn nicht gar schon vor dem Krieg fertiggestellt wie „Benze uff Kolben”, die Geschichte eines Autonarren, die erst 1950 erscheinen kann.

Recht bescheiden nehmen sich dagegen die, wohl für den schmalen Geldbeutel gedachten, Heftchen der Kleinen Reihe von Butzon & Bercker in Kevelaer aus. Auf jeweils 32 Seiten im Postkartenformat erscheint 1949 „Dichter und Arbeiter“, seine Überlegungen zur Arbeiterdichtung, sowie 1950 „Kapitäne der Landstraße“ und „Männer im Gasstrudel“.

Weitere beim List-Verlag geplante Bände erscheinen aber nicht mehr, z.B. „Das Himmelshaus“, „Meister von eigenen Gnaden“, „Till“ (die heitere Geschichte eines jungen Vaters).

Die Gefahren der Nazi-Zeit und des Krieges hatte er, wenn auch nicht ohne Blessuren, überstanden. Soeben hatte er begonnen mit der Aufzeichnung seiner schlimmen, durchaus nicht heroisch verbrämten Erinnerungen an seine Soldatenzeit unter dem Titel „Zum Wolchow“. (Der Fluss Wolchow in Nordwestrussland entspringt dem Ilmensee zwischen St. Petersburg und Moskau.) Die letzten am 2. Mai niedergeschriebenen Worte des bis dahin fünfseitigen Manuskripts sind:

„Der Frost klirrte unter ihren Füßen. ‚Das verdammte Rußland soll der Teufel holen!‘, sagte der Gefreite Grohe. ‚Das haben wir schon vor 25 Jahren gesagt‘“

Am 5. Mai 1950, er arbeitet an seinem Haus, das er wieder voll bewohnbar machen will, trifft ihn 46jährig ein tödlicher Stromschlag.

Longseller

Zum Jahrestag 1951 gedenkt der Südwestfunk des Verstorbenen mit einer Sendung, in der neben anderen Texten auch das „Wolchow“-Fragment verlesen wird.

Die Stadt Hilden, die ihm zur Heimat geworden ist, weist ihm auf dem Hauptfriedhof ein Ehrengrab zu und stiftet einen Gedenkstein mit einer Bronzeplakette, die eine Szene aus der Erzählung „Das Beichtrohr“ zeigt.

Im Folgejahr erscheint Schroeders erster Roman, mit dem er sich möglicherweise neue literarische Wege öffnen will: „Das Mädchen auf dem Rappen“ (1951).

Bliebe noch zu erwähnen, dass Mathia auch nach Schroeders Tod einige seiner Werke das wurden, was man später „Longseller“ nannte. Soweit Auflagenzahlen genannt werden, sind diese durchaus respektabel: „Der lachende Hammer“ z.B. liegt über 20.000, „Das Beichtrohr“ fast bei 90.000, „Lehrbuben – Lausbuben“ fast 100.000 Exemplaren. Vier seiner Bände werden 2022/23 von der Deutschen Nationalbibliothek digitalisiert, sind allerdings nur im Lesesaal einsehbar. Es handelt sich um: „Der lachende Hammer“, „Lehrbuben, Lausbuben“, „Das Beichtrohr“ und „Der Zauberer“.
Peter Eckert