Oberthal

 

Die kleine Gemeinde liegt inmitten des Kreises St. Wendel. Ihre vier Orte haben sich bei der Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 mit Erfolg der Eingemeindung in die Kreisstadt widersetzt.

Die Landschaft steckt voller “verwunschener Orte”. Felsen, Schluchten und Höhlen sind hier seit eh und je Schauplätze für Wiedergänger und Naturdämonen.

Auf den Spuren von Rudof Just

Zeichnung des Gasthauses

Gasthaus Just, Foto: Werner Rauber

In Oberthal ist 1891 Rudolf Just geboren, Lehrer und großer Liebhaber seiner Heimat. Er kannte die Sagen, ließ sich von den “Alten im Dorf” Geschichten erzählen, und wurde in freier Nacherzählung zum Heimatdichter des oberen Bliestals. Die Schauplätze seiner Erzählungen liegen an Wanderwegen.

In Oberthal führt die Scheuerbergstraße an den Südhang des Leißberges. Parkplatz am Schullandheim. Von dort geht es rechts ab zur „Teufelskanzel“, einem Felsvorsprung mit überwältigendem Ausblick. Zudem sei sie einer der vielen Plätze, wo der teuflische Wiedergänger Rixius Varus, legendärer Statthalter Kaisers Diokletian, in herbstlichen Sturmnächten sein Unwesen treibt.

Etwas weiter kommt man zur „Wildfrauhöhle“. Den schalenförmigen Felsen hat Rudolf Just in seiner 223 Seiten langen und letzten Heimaterzählung “Wildfrau’s Häuschen” zur Behausung einer Zigeunerin gemacht. Er erinnert sich: „Als Buben gingen wir stets mit Beklemmung an Wildfraus Häuschen vorbei. ‚Senn stell‘, mahnte mein treuer Schulkamerad, der Rechenhannes, sonscht kemmt die Wellfra’u, on den se fängt, der moß die hoorig Detz (Brüste) drinke“. Das im Nachwort.

Über den Guten Buren, der inschriftlicht “sein Heilwasser bis auf den heutigen Tag” spendet, geht es die Alte Trierer Straße hinunter nach Güdesweiler.

Kreuz aus Holz mit Jesus-Figur

Wegekreuz

Zurück zum Ausgangspunkt. Der Saarland-Rundwanderweg führt am Oberthaler Bruch entlang, einer Moorlandschaft „mit seinen Sümpfen und Tümpeln, seinen Sandhübeln und Heideflächen, seinen Schlehdornhecken und Kieferngruppen, die zu bizarren Formen verwachsen sind und dich in Mondnächten anstarren wie Spukgestalten und drohende Ungeheuer“ (“Hansjäbs Kreuz im Oberthaler Bruch”, 1952).

Zwei Jahre zuvor erschien die Erzählung “Wenn der Wildkirschenbaum blüht”, eine “auf wahrer Begebenheit ruhende” Rötelkrämer-Geschichte. Just hatte sie in den “Strickstuben” aufgelesen. Sie handelt von der Liebe der Müller-Len aus der angesehenen Wackenmühle und dem Hecken-Hannes, Sohn eines Rötelkrämers. Das kann nicht gut gehen und nimmt ein traurig-schönes Ende. Im Weiherwald finden beide unterm Wildkirschenbaum den Tod. ZITAT

„Die Wackenmühle, umrahmt von himmelhohen Pappeln und umlagert von Obstgärten und fruchtbaren Wiesen,“ ist die inzwischen stillgelegte, von Ferienhäusern umgebene Wackenborner Mühle am Gombach, der bei Bliesen in die Blies mündet.

Bei der Vorstellung des 1995 erschienenen 2. Bandes von Justs Gesammelten Werken mit dem Titel “Wenn der Wildkirschenbaum blüht” fasste der “Verein für Geschichte und Heimatkunde Oberthal” den Entschluss, vor Ort einen Wildkirschenbaum neu zu pflanzen. Das ist mittlerweile geschehen. Dicht dabei ein Holzkreuz von 1777: Auf dem Heimweg von Tholey nach Oberthal ist hier der Musiker Mathias Gerrje im Schnee erfroren.

Am Feldwirtschaftsweg nach Marpingen-Alsweiler (bzw. Tholey) kommt man zwischen Feld und Wald an Baum und Kreuz vorbei.

Im Ortsteil Gronig kommt 1948 der Schriftsteller Hans Therre zur Welt. 1979 geht er nach Berlin, wo er bis 2009 als Übersetzer und freier Autor arbeitet, unterbrochen durch längere Aufenthalte in Paris und Portugal. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin kehrt er 2009 ins Saarland zurück. Er lebt in Gonnesweiler (Gemeinde Nohfelden) unweit des Bostalsees. In dem auf drei Bände angelegten, unverkennbar autobiographisch angelegten Werk „Elsterbach“ Untertitel: „Eine Art Heimatroman“, verarbeitet er die schwierige Rückkehr in die alte Heimat. Mit Blick auf eine nicht immer glückliche Kindheit, auf Krieg und Nazi-Vergangenheit wird Heimat sogar als „Tatort“, als „vermintes Terrain“ (Bd. 1, S.20) bezeichnet. „Elsterbach“ ist eher Lamento als Loblied. Die Zeit hat die alten Dörfer „vernichtet“. Dem kleinen Dorf in Portugal, in dem er drei Jahre gelebt hat, fühlt sich Therres Roman-Alter-Ego Anders Nieheim sogar eher „heimatlich“ verbunden, als Elsterbach (d.i. Gronig) oder Grüneiche (d.i. Gonnesweiler). Die stärkste „Heimat-Bindung“ findet der Autor über die Sprache. „Hier, wo ich groß geworden bin, habe ich gar kein Deutsch gesprochen. In der Schule haben sie mich ausgelacht, ich konnte ja nur meinen Dialekt. Das war meine Heimat-Sprache gewesen…“