Wadern-Dagstuhl
Das Territorium der späteren Herrschaft Dagstuhl schenkte 802 Karl der Große dem Erzbischof von Trier. Die Burg, die den Namen gab, ließ um 1290 ein Ritter von Saarbrücken bauen, der bereits als Burggraf auf der nahe gelegenen Grimburg saß. Die Herren auf Burg Dagstuhl lebten im Mittelalter und der frühen Neuzeit von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Abgaben ihrer leibeigenen Bauern, während sie das Land vor Raubrittern schützen sollten.1
Dieses Dagstuhl und die Walddörfer der Umgebung machte Claus Schmauch, ohne Anspruch auf historische Exaktheit, zum Schauplatz seines Romans „Im Hexenwahn“. Darin erzählt er von den Bauernaufständen Anfang des 15. Jahrhunderts und dem aus Aberglauben genährten religiösen Fanatismus der Menschen. Die Schäfertochter Gertrud Haas aus dem „Grunddorfe Bardenbach“ begeht die „Todsünde“, sich ihren Geliebten selbst auszusuchen, den Junker von Burg Dagstuhl. Damit sie kein anderer bekommt, wenn sie selbst sie schon nicht haben können, liefern der Schweinehirt Hann („Sauhann“) und die anderen Dorfburschen die schöne junge Frau lieber dem Hexen-Tod auf dem Scheiterhaufen aus. ZITAT
Die Burg wechselte mehrmals die Herren, bis sie 1726-1759 abgebrochen wurde. Überlebt haben sie zahlreiche Sagen und Legenden, die immer wieder aus dem Nebel der Geschichte aufscheinen. Die Weiße Frau, die auf ewig nachts herumgeistern muss, weil der zu ihrer Erlösung ausersehene Schäfer seinen Mund nicht halten kann. Burgvogt Reinert, der erst in ein Pferd verwandelt und dann in eine Flasche gebannt wird. Oder Ritter Bodo, dem seine goldene Beinprothese zum Verhängnis wird.
Graf Joseph Anton von Öttingen-Baldern und zu Sötern ließ zu Füßen der Burgruine als neues Domizil Schloss Dagstuhl bauen, wo er mit seiner Familie ab 1760 residierte. Im Gefolge der Französischen Revolution wurde der französische Staat 1792 Eigentümer des Schlosses. 1806 erwarb es Wilhelm Albert de Lasalle von Louisenthal (1765-1854) und zog mit seiner Frau Marie Lucie d’Augier (1775-1854) und seinen Kindern hier ein. Eines von ihnen war die 1811 in Metz geborene Tochter Octavie. Sie lebte auf Schloss Dagstuhl bis 1890 und wurde als „Malergräfin“ Octavie de Lasalle von Louisenthal bekannt. 2 Der letzte Erbe des Schlosses, Theodor de Lasalle von Louisenthal, war auf Grund einer Schizophrenie entmündigt, als 1957 der Orden der Franziskanerinnen von Waldbreitbach Schloss Dagstuhl übernahm und 1961, zwei Jahre nach dem Tode Theodor de Lasalles, ein Altenheim einrichtete.
Seit 1989 ist Schloss Dagstuhl Eigentum des Saarlandes und seit 1990 Sitz des Leibniz Zentrums für Informatik.
Das moderne Dagstuhl, 1974 nach Wadern eingemeindet, entwickelte sich aus einer Eisenbahnersiedlung. Als im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Primstalbahn von Wemmetsweiler nach Nonnweiler gebaut wurde, sollte auch das Verwaltungszentrum Wadern einen Bahnhof erhalten. Er wurde in Dagstuhl in Betrieb genommen, im Dezember 1897, und nicht ganz 100 Jahre später wieder stillgelegt. (1993). Seine wirtschaftliche Bedeutung bezieht Dagstuhl heute nicht nur vom Leibniz-Zentrum für Informatik, sondern auch vom größten hier ansässigen Betrieb, dem Einkaufszentrum HACO. Dessen Geschichte begann mit einem Laden für Lebensmittel, Weine und Spirituosen, den Franz Haas 1936 am Markt in Wadern eröffnete. Haas wurde später Ehrenbürger von Wadern. Denkmalschutz genießt in Wadern und Dagstuhl inzwischen das Ensemble „Ausweichsitz der Saarländischen Landesregierung“. Es stammt aus den Jahren 1962-1963; bei seinem Bau wurden Bunker und Stollen der Wehrmacht aus den 1930er Jahren wieder flott gemacht. In diesem „Ausweichsitz“ sollte die politische Führung des Saarlandes im Ernstfall einen Atomkrieg überleben. Zum Glück musste die Anlage nie ihre Tauglichkeit beweisen – sie hätte es nie gekonnt.