Friedrich Schön

(auch Friedrich Wilhelm Schön)

geb. 30. Aug. 1879 in St. Johann/Saar, gest. 10. Jan.1946 in Berlin-Wannsee

Schön, Friedrich (um 1940)

Schön, Friedrich (um 1940)

Friedrich Schön, mit dem – soweit öffentlich wahrnehmbar – im Raum Saarbrücken belletristische Mundartliteratur und (wissenschaftliche) Mundartforschung beginnen, ist heute allenfalls noch besonders Interessierten ein Begriff. Aber auch diese kennen oft nur knapp eine Handvoll seiner Werke in und zur Mundart des Raumes Saarbrücken. Allerdings war sein in allein über 20 selbstständigen Veröffentlichungen sichtbares Schaffen weitaus umfangreicher angelegt.

Seinem 1922 erschienenen Gedichtband „‘s Saarbricker Herz – Dichtungen in Saarbrücker Mundart“ stellt Schön das Kapitel „Aus meiner Jugendzeit“ voran.

Geboren ist er in der damals noch selbstständigen Stadt St. Johann, wo die Familie seiner Mutter, nach dem Dreißigjährigen Krieg aus dem Schwäbischen zugewandert, mittlerweile zu den „Alldahiesigen“ zählt, den Alteingesessenen, für die dieser Umstand neben einen gewissen Bürgerstolz auch eine starke Bindung an die Heimatstadt begründet. Der Vater dagegen ist Pfälzer aus der Kuseler Gegend, also ein „Hergelaafener“.

In die Volksschule kommt Friedrich ein Jahr später als üblich, warum, dazu hat er nur Mutmaßungen: Vielleicht sei er noch zu schwach gewesen, oder der Vater, selbst Lehrer, habe es für besser gehalten, ihm zunächst selbst Unterricht im Lesen und Schreiben zu geben. An Erinnerungen an die ersten Schuljahre ist ihm nur weniges geblieben: Entsetzliche Angst, es gäbe Krieg, was andere Kinder ihm einredeten.

Jenseits der Saar in der Nachbarstadt Saarbrücken besucht er das Ludwigsgymnasium, damals zunächst noch in der Friedenskirche untergebracht. Dort trifft er, wie auch von diesem in seinen Erinnerungen erwähnt, mit Karl Lohmeyer zusammen, und die lebenslange, später durch regen Briefwechsel gepflegte Freundschaft nimmt ihren Anfang. Prägende Erlebnisse stehen im Zusammenhang mit der Schlacht bei Spichern am 6. August 1870: Zum einen die feierliche Überführung der sterblichen Überreste der Gefallenen ins Ehrental, zum anderen das große Fest zum 25. Jahrestag auf dem Exerzierplatz am Fuß des Spicherer Bergs.

Mundartpionier

Schöns erste „Dichtungen“ sind dennoch keine patriotischen Hymnen, sondern Liebesgedichte eines Schuljünglings in Hochdeutsch. Als sein erstes Mundartgedicht nennt er das 1897 entstandene „Die Kneedele“. Sein erstes Buch folgt schon 1901, das schmale Bändchen „For Schbaß unn for Ernschd! Schdiggelcher – In Saarbrigger Deidsch verzeehld vunn Scheene Fridderich. – Sang Gehann-Saarbrigge“.

Das Studium (Philologie in Halle und Berlin, Theologie und Philosophie in Heidelberg) schließt er 1907 ab. Nach der in Mannheim abgelegten Lehrerprüfung tritt er 1908 seine erste Stelle an, zunächst noch in der Rheinprovinz, und zwar in Mettmann bei Düsseldorf, später geht er nach Wetzlar. Schon diese Dienstorte scheinen weit von Saarbrücken entfernt. Noch wesentlich weiter weg führt ihn der spätere Berufsweg; nach Pommern, zunächst in die Lehrerseminare Anklam und Franzburg. Ab 1916 ist er Studienrat in Pyritz (Stettiner Hinterland im heute polnischen Hinterpommern). In der Heimat weilt er nur noch ab und zu besuchsweise; ein Umstand, der in deutlichem Kontrast dazu steht, dass er in jenen Jahren, wie mehrere Werke belegen, zum Saarbrücker Mundartpionier schlechthin wurde.

Die Bildung der Großstadt Saarbrücken 1909 ist ihm Anlass zur Veröffentlichung seiner Sammlung „Kinderlieder und Kinderspiele des Saarbrücker Landes“.

Im nächsten Jahr folgt mit doppeltem Umfang unter dem neuen Titel „Dehemm in Saarbrigge!“ die Neuauflage seines ersten Buches, außer Gedichten auch fünf Prosatexte. Das Themenfeld ist weit gespannt. Im ersten Teil „Land und Leute“ findet sich Typisches aus dem Alltagsleben in St. Johann (u.a. Sitten und Gebräuche, Sprache, Arbeitsleben, Kinderszenen), ein Anhang dazu bringt Historisches, insbesondere aus der Nachbarstadt Saarbrücken. Im zweiten Teil – „Lyrisches“ – geht es u.a. um Liebe. Der dritte Teil, „Prosadichtungen“, greift diese Gedanken wieder auf. Immer wieder taucht der Spitzname der St. Johanner auf: „Schbräwe“ (= Stare). Schön erklärt ihn so, dass sie, schwarzweiß gekleidet, diesen Vögeln ähneln, wenn sie zwischen ihren Feldern lustwandeln.

Mundartforscher

Seine Veröffentlichungen beschränken sich jedoch nicht auf Heimatdichtungen, nach und nach werden auch Arbeiten zur Mundartforschung veröffentlicht.

Zwei Beiträge in der „Saarbrücker Zeitung“, „Grammatik der Saarbrücker Mundart“ (1908, durch das nachgenannte Wörterbuch von ihm als „überholt“ bezeichnet) und „Auffallende Abweichungen der Saarbrücker Mundart vom Hochdeutschen und ihre Erklärung …“ (1914)“ sind Vorarbeiten zu seinem „Wörterbuch der Mundart des Saarbrücker Landes nebst einer Grammatik der Mundart“ (1922). Dieses Wörterbuch beschränkt sich nicht auf die rheinfränkische Mundart von Stadt und Kreis Saarbrücken, sondern orientiert sich an der früheren Grafschaft Nassau-Saarbrücken und umfasst neben dem Kreis Ottweiler auch kleinere Teile des Kreises Saarlouis, mithin also auch Gebiete des moselfränkischen Sprachraums. Ausdrücklich bezieht sich Schön auf bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichende Vorarbeiten älterer Forscher, er ist jedoch der Erste, der all diese Arbeiten, vereint mit seinen eigenen, in eine zugängliche Form gebracht hat.

Weitere Arbeiten gelten der Mundartdichtung außerhalb der Saargegend, beginnend 1918 mit der „Geschichte der fränkischen Mundartdichtung“. Drei Bände seiner „Geschichte der deutschen Mundartdichtung“ folgen (1920, 1921, 1931).

Gleichwohl wächst auch das dichterische Werk. 1922 erscheint, gegenüber 1901 und 1910 wiederum erweitert und neu betitelt, „‘s Saarbricker Herz“ mit einem Geleitwort von Karl Lohmeyer und schließlich 1940 „Dehemm an der Saar“, bezeichnet als Band 1 einer Reihe, die indessen nicht mehr fortgeführt werden kann. Aus seinen Mundartgedichten ragt eines besonders heraus, nämlich „Die Rußklümpchen“, allein dadurch schon populär geworden, dass es sogar über Jahrzehnte in Schullesebüchern stand, weil in kindgerechter Form vier aus verschiedenen Richtungen zusammengetroffene Rußflocken die Säulen (Bergbau, Schwerindustrie, Eisenbahn, Landwirtschaft) beschreiben, auf denen der (wenn auch sehr bescheidene) Wohlstand im Land beruht. ZITAT

Es entstehen auch einige Arbeiten fürs Theater, so „Die Alldahiesigen oder die Alten und die Jungen – Ein Lustspiel aus Saarbrückens guter stolzer Zeit“ (1932) und „Das deutsche Herz“ (1933).

In der Grauzone

Werke in der Grauzone zwischen vaterländisch-heldisch bis nationalistisch-kriegerisch finden sich erstmals 1916 mit „Zum neuen Deutschland! Zehn Vaterlandslieder in Wort und Weise“ und „Zum Schwert das Lied! Gedichte aus dem Weltkriege 1914-15“, dann aber vermehrt in den späteren Schaffensjahren: 1933 „Deutsches Heldentum an der Saar“ sowie 1938 „Das Heldenlied der deutschen Stadt Saarbrücken“ Teil 1 bis 3 (nur als Manuskript) und „Grenzland-Novellen von der Saar“ (gewidmet Hermann Röchling), ferner 1939 „Heimat und Vaterland –  Gedichte aus deutschen Gauen“ sowie (nur als Manuskript) „Siegfrieds Siege, Not und Wiedererwachen – Ein Heldenlied von Deutschlands Schicksal 1914-1918 und 1933-1938“. Zu einem Text des NS- Kulturgauwarts Kurt Kölsch, „Das Lied vom Westwall“ schreibt er 1940 Melodie und Klavierbegleitung und vertreibt beides im Selbstverlag.

Selbst seiner neuen Heimat widmet er kleinere Veröffentlichungen, so 1930 „Pyritz: ein pommersches Stadtbild“ und 1937 als Doppelblatt „Das schöne Stettin – ein Sonettenkranz“.

Sein letztes großes Werk aber widmet sich wieder einem Heimatthema: 1940 „Das Gänsegretel von Fechingen – Lebensroman einer Fürstin der Rokokozeit“. (→ Katharina Kest)

Kränkungen

Über 20 selbstständige Veröffentlichungen (unveröffentlicht bleibt z.B. eine von Reinhard erwähnte Dramatisierung des Buches Hiob), dazu zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Lesungen und Rundfunksendungen – dieses vielfältige und umfangreiche Gesamtwerk könnte darüber hinwegtäuschen, dass es ihm über viele Jahre alles andere als gut geht. Seine erste Frau stirbt 1931; der Witwer hat zwei kleine Söhne zu versorgen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und eine stark angeschlagene Gesundheit machen ihm schwer zu schaffen. Dazu kommt die ausbleibende positive Resonanz auf sein Werk. Seine bis zuletzt gehegte Hoffnung auf den Doktortitel als Lohn für seine Mundartforschung erfüllt sich nicht.

Belastend dürfte sich auch das Urteil Ewald Reinhards in dessen „Literaturgeschichte des Saargebietes“ (ca. 1926) auswirken. Er erwähnt als Schöns Vorbilder Karl August Woll, Peter Joseph Rottmann, Johann Peter Hebel und den niederdeutschen Dichter Klaus Groth. Deutlich betont er, dass Schön z.B. nur „versucht“ habe, ein Heimatbuch zu schaffen, bei ihm jedoch der Wille besser sei als die Tat. Es fehle ihm an Originalität, Schwung und wortschöpferischer Kraft, es entstehe der Eindruck „künstlicher Reimereien“, allenfalls seine Mundartprosa sei „etwas befriedigender“.

Als nicht weniger kränkend empfunden hätte Schön sicher auch die freundlich-herablassende postume Wertung W.H. Recktenwalds, der Schön 1958 zwar Fleiß und Liebe sowie ein heimatnahes deutsches Herz zubilligt, aber einschränkt, Gesinnung und Streben hielten nicht Schritt mit Phantasie und sprachlichem Gestaltungsvermögen.

Es spricht also einiges dafür, dass Schöns in den 1930er sehr angegriffene Gesundheit nicht zuletzt auch von seelischen Belastungen verursacht wird. Wohl auch aus diesem Grund wird er entgegen der ursprünglichen Planung nicht Herausgeber der Anthologie „Unser scheen frehlich Saar“ (1933), die gleichwohl zahlreiche seiner Gedichte enthält. Seine zweite Frau schreibt 1935 an Karl Lohmeyer, ihr Mann liege mit einem völligen Nervenzusammenbruch in einem Sanatorium in Braunlage. Etwas erholt, veröffentlicht er 1937 eine „Studie zur neueren saarpfälzischen Literatur“, findet aber nicht zur alten Leistungsfähigkeit zurück. Ein Übriges bringen auch die Lasten des Zweiten Weltkrieges. Im Krankenhaus in Berlin-Wannsee stirbt er 1946 an Erschöpfung, Hunger und völliger Entkräftung.

Selbst Ewald Reinhard lobt uneingeschränkt Friedrich Schöns Arbeiten zur Mundartkunde und billigt ihnen „dauernden Wert“ zu. Den Wert seines belletristischen Werks sieht er aber nur darin, dass Schön das „Augenmerk auf die bisher verachtete Mundart gelenkt und damit einem größeren Poeten den Weg gezeigt hat“. Wer dies sein soll, darüber schweigt er sich aus, wohl auch mangels Masse, zumal seine wenigen eigenen einschlägigen Beiträge in „Unser scheen frehlich Saar“ zwar in aller Bescheidenheit am Buchanfang den vielen Schöns vorangestellt sind, aber dennoch wenig zweifelhaft belegen, dass er damit nicht sich selbst meinen kann.

Ungeachtet der Wertungen von Schöns dichterischer Bedeutung bleibt festzuhalten, dass er sich um die Mundart des Saarbrücker Raumes verdient gemacht hat. Seiner Heimatstadt Saarbrücken war dies zu keiner Zeit Anlass zu einer wie auch immer gearteten Ehrung. So bleibt als einzige, wenigstens Eingeweihten sichtbare, Würdigung wohl die von Karl Lohmeyer seiner Sammlung „Die Sagen des Saarbrücker und Birkenfelder Landes“ (1920/1924) vorangestellte Widmung: „Dem Dialektdichter des Saarbrücker Landes Friedrich Schön zugeeignet“.

Peter Eckert