Jörg Ruthel

geb. 24. Juli 1958 in Bamberg

Zwei Jahre zuvor in Bamberg geboren, kommt Jörg Ruthel 1960 nach Saarbrücken und verbringt dort seine Kindheit und Jugend. Er schreibt: „Ich bin Saarbrücker, fühle mich durch familiäre Bindungen jedoch auch in Ost- und Süddeutschland zu Hause.“ (Klappentext zu „Zwischen gestern und hier“). Mit 21 geht er nach Frankreich (1979 Orléans, 1981 Paris, 1996 Straßburg) und lebt seitdem dort, ohne seine Verbindungen zum Saarland abreißen zu lassen. Er ist Mitglied im Saarländischen Schriftstellerverband.

Seit 1992 veröffentlicht Ruthel immer wieder in der saarländischen Literaturzeitschrift „Streckenläufer“ und in Anthologien. 2006 erscheint seine erste selbständige Buchveröffentlichung „Zeitfenster“ im Eigenverlag. Der sorgfältig gestaltete, mit Fotos illustrierte Band enthält 7 Zyklen mit insgesamt fast 60 Gedichten, ungereimt, in freien Rhythmen, kurz. Sie beinhalten u.a. Erinnerungen an Paris (namentlich etwa an das legendäre Café-Restaurant Lex Deux Magots in Saint Germain oder die Place du Trocadéro). Trotz der Verschiedenheit der zum großen Teil nicht im engeren Sinne lokalisierbaren Themen ist eines der unterschwelligen Motive des gesamten Bandes die Reflektion dessen, was für ihn Heimat bedeutet. „Nichts in mir / ist nur fremd oder anheimelnd“, heißt es in dem Gedicht „Zeitweise“. ZITAT

„Meinen ursprünglichen Wunsch, als Lyriker bekannt und erfolgreich zu werden, hat mein Lebenslauf – die eigentlich nicht geplanten Jahrzehnte in Frankreich – irgendwann zunichte werden lassen …“, sagt Ruthel im Rückblick.

Seine zweite Buchveröffentlichung ist ein Prosaband, „Zwischen gestern und hier“, erschienen in der Edition Topicana des Saarländischen Künstlerhauses in Zusammenarbeit mit dem Schriftstellerverband. Der Buchtitel spielt mit den deutsch-französischen Bedeutungsunterschieden; denn das deutsche „hier“ kann auch als das französische Wort für „gestern“ gelesen werden. Im bereits zitierten Klappentext erläutert Ruthel sein Verhältnis zur Sprache und zur Heimat: „Im Kindergarten und auf dem Schulhof habe ich die saarländische Mundart angenommen. Bei mir daheim aber waren sächsisch-thüringischer Singsang, O-Ton Berlin und Münchnerisch zu hören. Das schärfte mein Ohr für sprachliche Nuancen und brachte mir die Geographie Deutschlands sinnlich näher. Was ich an regional gefärbten Varianten der deutschen Sprache in meinem Elternhaus und bei Verwandtenbesuchen in beiden deutschen Staaten zu hören bekam, war eine Art musikalischer Belehrung über das Vieldeutige, Vorläufige des Wörtchens ‚Heimat‘. Kaum erwachsen, packte mich die Lust, diese Erfahrungen auf eine ganz neue Sprache auszuweiten. Und an einem anderen Land zu überprüfen. So kommt es, dass ich nun in Frankreich lebe, dort Familie habe und über dieses eine meiner beiden Länder in der anderen meiner beiden Sprachen schreibe.“

„Erzählungen aus Frankreich“ lautet der Untertitel des Prosabandes. Bei der Schilderung des Milieus von Managern und Selbständigen kommen Ruthel die Einblicke zugute, die er in seinem Beruf als Übersetzer für Großunternehmen aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft gewinnen kann. Wiederkehrendes Motiv sind – nicht so sehr durch Nationalität geprägte – Kulturunterschiede, wie sie in Betrieben, in der Wissenschaft oder im Privatleben aufeinandertreffen.

2017 ist Jörg Ruthel, wieder für Topicana, Herausgeber einer zweisprachigen saarländisch-lothringisch-elsässischen Anthologie, in der von saarländischer Seite Jörg W. Gronius, Erhard Schmied, Sonja Ruf und Ralph Schock vertreten sind. Ruthel, der die Übersetzungen der französischen Texte beisteuert, erinnert in seinem Vorwort an frühe eigene Frankreich-Erfahrungen durch Familienausflüge nach Lunéville, Bitche, Saverne und an die Chanson-Sendung von Pierre Séguy im Saarländischen Rundfunk. (RP)