geb. 11. Mai 1897 in Lautzkirchen (Blieskastel), gest. 13. Febr. 1980 in Hainfeld bei Landau
Nikolaus Lauer war katholischer Theologe, „Pilger“-Chefredakteur und machte die Biographie der Blieskasteler Gräfin Marianne von der Leyen zu einem Roman.
Früh wurde Nikolaus Lauer eine Laufbahn in der katholischen Kirche vorbestimmt. So besuchte er das Gymnasium des Bischöflichen Konvikts in Speyer und machte dort 1916 Abitur. Unmittelbar danach wurde er eingezogen; im gerade entfesselt tobenden Ersten Weltkrieg fand er als Soldat im Sanitätsdienst Verwendung.
Als nach Kriegsende in München die Räterepublik ausgerufen und Kurt Eisner zum ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern berufen worden war, schloss Lauer sich dem Freikorps Epp an. Dieser rechte Freiwilligenverband trat zum ersten Mal bei der Niederschlagung der Münchener Räterepublik in Erscheinung und war für seinen kaltblütigen Umgang mit Zivilisten und Gefangenen berüchtigt. So war das Freikorps, aus dem später viele führende Nazis hervorgingen, unmittelbar beteiligt an der Ermordung des eingekerkerten Anarchietheoretikers Gustav Landauer.
Nikolaus Lauer studierte danach Philosophie und katholische Theologie zunächst in Würzburg, danach in Trier. Am 22. Juni 1922 wurde er zum Priester geweiht. Es folgte eine Kaplanstelle in Ludwigshafen, ehe ihn der Speyerer Bischof Ludwig Sebastian im Januar 1925 zum „Bischöflichen Sekretär“ und zum Direktor des Studentenheims St. Josef beförderte. 1928 wurde er Domvikar und bald darauf Religionslehrer an der Lehrerinnenbildungsanstalt St. Magdalena der Dominikanerinnen. Dort lernte er Edith Stein kennen, die bis 1931 am gleichen Institut Deutsch unterrichtete. Mit ihr pflegte er in dieser Zeit intensive Kontakte. Die Karmeliterin sollte als Benedicta a Cruce später (1942) von den Nazis in Auschwitz ermordet werden. Die Ordensfrau ist am 11. Oktober 1998 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen worden.
Von September 1927 an oblag Nikolaus Lauer zudem die Schriftleitung der Diözesanzeitung „Der christliche Pilger“. Ende Mai 1941 wurde das Bistumsorgan von den Nazis verboten, auch Lauer selbst wurde jegliche publizistische Tätigkeit untersagt. Mehrmals nahm ihn die Gestapo in Gewahrsam und unterzog ihn Verhören. 1942 wurde ihm eine Pfarrstelle im südpfälzischen Insheim zugeteilt. Dort erlebte er das Kriegsende. Bald darauf wurde ihm wieder die Chefredaktion des Bistumsblattes übertragen, eine Tätigkeit, die er bis 1966 ausübte. Zudem oblag ihm bis an sein Lebensende die redaktionelle Betreuung des „Pilger-Kalenders“, des Jahrbuchs der Diözese Speyer. Nikolaus Lauer war außerdem Herausgeber der kirchlichen Periodika „Jugend und Kirche“ sowie „Credo“.
Während dieser Laufbahn im Kirchendienst betätigte er sich als Schriftsteller. Bereits 1924 hatte er in München das „geistliche Spiel in einem Vorpiel und vier Aufzügen“ mit dem Titel „Abels Opfer“ veröffentlicht. Es folgten viele volks- und heimatkundliche Texte, aber auch religiöse Schriften, darunter religiös motivierte Biographien wie etwa jene über den aus Blieskastel stammenden, späteren Kardinal von München Joseph Wendel (1901-1960).
Zu seinem eigentlichen Metier wurde dann aber der historische Roman, der nachdrücklich auf die Geschichte und Persönlichkeiten seiner saarpfälzischen Heimatregion Bezug nahm. Im „Pirminius“ (1959) wird der Schutzherr der Pfalz auch in seinem Wirken im Bliesgau und angrenzenden Gebieten dargestellt. Am bekanntesten ist freilich sein Roman „Das Schloss an der Blies“, der 1950 erschien und in dem er sich mit der Lebensgeschichte der Blieskasteler Gräfin Marianne von der Leyen beschäftigt. ZITAT
Zitat von Nikolaus Lauer
[…] erst bei St. Ingbert, dem ersten Dorf, wo das Leyen-Wappen an Rathaus und Kirche prangte, gewannen sie freies Gelände. Doch der Ort schien verstört und ausgestorben; die wenigen Menschen, die am Wege waren, sahen dem Gefährt mit großen, erschrockenen Augen nach. Vom Kirchturm aber drang ein seltsames Läuten, wie es weder Sebald noch Christoph in ihrer Heimat je vernommen hatten: in kurzen, harten Stößen schlug die große Glocke dreimal an, dann folgte wiederum in drei harten Stößen eine hellere Glocke nach; erst wenn dies Zeichengeläut verklungen war, setzte der Chor der Glocken ein.
„Was soll dies bedeuten, Christoph?“
Aber Christoph wußte es auch nicht, und der Kutscher fuhr immerzu, kam an dem langen Weiher von Würzbach vorbei, ließ Dörfer und Höfe zurück und eilte, vor Nacht und Dunkel im Schloß zu Blieskastel anzukommen. Seltsam war, daß von überall her das eigenartige Geläut zu ihnen drang, die kurzen harten Glockenschläge, als stieße einem Menschen, das Herzweh auf; daß man kein Lachen hörte, keinen Schalmeienton, wiewohl es für die Hirten längst an der Zeit war, mit ihren Herden heimzufahren. Wo ein Mensch um die Ecke huschte, starrte er dem Gefährt eine Weile nach, und wo eine Kapelle am Wege stand, hörte man das Gebetsgemurmel von vielen Menschen, dumpf und gedrückt.
Das Städtlein Blieskastel lag bereits im Dämmergrau, undeutlich hob sich auf einem breiten, hohen Felsen über dem Häusergewirr die schwere Masse des Schlosses ab. Eine einzige Kutsche kam ihnen entgegen, darinnen saß, auf einen goldenen Stock gestützt, ein älterer Herr in schwarzem Staatskleid, allein und stumm. Als das Saarbrücker Gefährt zu der steilen Schloßstraße einbog, um die Höhe und den Hof des Schlosses zu erreichen, preschten livrierte Reiter wie hastende Schatten an ihnen vorüber, die strebten nach allen Richtungen hin. Was war hier geschehen?
Mühsam gewannen die Pferde den steilen Hang, nun mußte die Einfahrt zum Schloßhof sich auftun. Zwei trübe Lampen brannten an den Pylonen, daneben wuchteten die Mauern von Schloßkirche, Konvent und lateinischer Schule empor: da trat ein Gardist auf das Gefährt zu und fiel den Pferden in die Zügel:
„Zurück!“
Zurück! Warum? Hundert Schritt vom Ziel, nach dieser langen Fahrt? Sebald will fragen, aber der Gardist gebietet mit stummer Geste Schweigen, und zugleich hebt vom Turm der Schloßkirche das seltsame, abgehackte Läuten an, und aus den Tälern kommt von West und Süd das Zeichen wider; mitten in der Nacht!
Und horch! Jetzt singen sie sogar irgendwo; es ist die schwere, klagende Weise des „Miserere“. Mit einemmal werfen Fackeln einen blutroten Schein, das Licht geistert über blanke Waffen, die Garde ist im Schloßhof angetreten, die Einfahrt zum Schloßbering ist schwarz von Menschen, und nun wird das Räderknarren eines Wagens laut.
Christoph und Sebald stehen am äußeren Tor und starren, genau so schweigsam wie alle die vielen hundert Menschen um sie her. Trommeln wirbeln in langsamen Takt, das „Miserere“ hallt von den Mauern zurück, die Fackelträger bewegen sich, die Garde präsentiert das schwere Gewehr, und langsam, von sechs schwarzbehangenen Pferden gezogen, bewegt sich ein Totenwagen vom Schloß zur Kirche hin, ein schwarzer, prunkvoller Wagen, an dem die erzenen Beschläge matt glänzen. Ein Herold mit goldenem Stabe, florumhangen, eröffnet den Zug, es folgen Herren in weißen Perücken mit Trauermänteln, darauf die Mönche von Gräfinthal, deren fahle Habite wie Leichenkleider im Licht der Fackeln erscheinen. – Die Pferde gehen in langsamem Schritt, der hohe Wagen erscheint wie ein düsteres Ungetüm: in seinem Innern schimmern die Silberbeschläge eines braun-schwarzen Sarges. Die Menge schluchzt, die Frauen knien am Wege nieder, Offiziere mit gezogenem Degen gehen rechts und links, ein zweiter Wagen folgt, in dem eine junge Frau, tiefverschleiert, in ein weißes Tüchlein weint … Der düstere Zug schwenkt zur Schloßkirche ein, ihre hohen Portale sind plötzlich weit aufgetan, drinnen steht im Licht von hundert Kerzen ein wappengeschmückter, hoher Katafalk, gerade vor der neuen Gruft, die Franz Carl, Reichsgraf von der Leyen, dort hatte ausbauen lassen.
Der Wagen hält vor dem offenen Portal, die schwarzverhüllten Pferde des Wagens lassen die Köpfe hängen. Sechs Männer lösen sich aus der Menge und heben den Sarg herab. Und während die grauen Mönche das Kirchenportal umsäumen, tragen die sechs den schweren Sarg in die nachtdunkle Kirche hinein und stellen ihn behutsam auf den Katafalk, und die Mönche beginnen die Totenwache.
Franz Carl, Reichsgraf von der Leyen, war am Morgen dieses Tages, erst 39 Jahre alt, an einem hitzigen Fieber, gegen jede menschliche Erwartung, plötzlich aus dem Leben abgeschieden.
aus: Das Schloß an der Blies. Stuttgart 1950 u.ö.
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Vor allem die Zeit ihrer persönlichen Regierung nach dem Tod ihres Gemahls Franz Carl 1775 und die Geschehnisse im Kontext der Französischen Revolution stehen dabei im Mittelpunkt. Für diesen Roman, der mehrfache Auflagen erfuhr, wurde Nikolaus Lauer mit dem Literaturpreis des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. 1 (MB)