Relinde Niederländer

geb. 12. Dez. 1944 in Limbach

Portraitbild Relinde Niederländer

Geboren und aufgewachsen ist Relinde Niederländer in Limbach. Lange Zeit lebte sie mit ihrem Ehemann Gerhard in Homburg-Beeden. Nach dessen Tod (2014) zog es sie wieder in die alte Heimat zurück. Als Sekretärin in der Homburger Klinik ging sie 2005 in den Ruhestand.

Über viele Jahre hin war niemand öfter als sie zu hören, wenn es auf SR3-Saarlandwelle um Mundart ging. Als die wöchentliche „Mundartecke“ noch ein Intro hatte, leitete der Anfang ihres „Saarländischen Abzählreims“ die Sendung ein: „Eene meene Gruuweschuh, Muddergläddsje, Berschmannskuh…“. Dieses Gedicht ist nicht etwa, wie man voreilig annehmen könnte, eine der üblichen Aufzählungen der Machart „So sind wir“ oder „So reden wir“, sondern fasst politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ganz persönliche Veränderungen bzw. Verwerfungen eines Nachkriegs-Menschenalters in einem fast stakkatoartigen Rück- und Ausblick zusammen.
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Als im Saarländischen Mundartwettbewerb 1990 erstmals der begehrte Goldene Schnawwel vergeben wurde, hatte sie mit ihrem allerersten Wettbewerbsbeitrag gleich die Nase vorn.

Als in Bockenheim beim Pfälzischen Mundartdichterwettstreit 1998 erstmals der Siegerbeitrag aus dem Saarland kam, hatte sie ihn eingereicht.

Als im November 2000 in der Bosener Mühle die Bosener Gruppe, mittlerweile die größte mundartliterarische Gruppierung im rhein-/moselfränkischen Raum, gegründet wurde, war Relinde Niederländer zusammen mit Gisela Bell, Peter Eckert, Georg Fox, Heinrich Kraus und Johannes Kühn dabei.

Als die Bosener Gruppe 2001 erstmals das Prädikat „Mundarttext des Monats“ vergab, wurde ein Text von ihr ausgezeichnet.

Als die saarländische Landesvertretung 2002 in Berlin erstmals saarländische Mundartliteratur in einer zweistündigen Abendveranstaltung vorstellte, war sie es, die gemeinsam mit Georg Fox und Peter Eckert das Saarland vertrat.

Als 2003 erstmals in Bockenheim ein Buch aus dem Saarland als mundartliterarische Neuerscheinung des Jahres mit dem Dr.
Wilhelm-Dautermann-Preis ausgezeichnet wurde, nahm sie den Preis entgegen für ihr Buch „Uff em Wääg zu meer“.

Wo es in der rheinfränkischen Region um Mundart geht, ist Relinde Niederländer seit 1990 immer ganz vorne mit dabei. Niemand hat auch nur annähernd so viele Preise aus pfälzischen Wettbewerben (35, Stand 2022) mit ins Saarland gebracht wie sie. Mittlerweile wurden im Saarland und in der Pfalz über 40 ihrer Texte preisgekrönt, im Saarland kommt niemand sonst auch nur in die Nähe dieser beeindruckenden Zahl. Freilich, schreiben ist einfach, das kann jeder; aber so schreiben, dass es immer wieder eine andere Jury überzeugt, dazu gehört erheblich mehr – und sie hat es. Dennoch: Dass Relinde Niederländer es so oft geschafft hat, davon macht sie selbst kein großes Aufheben.

Vom Gelegenheitsgedicht zum großen Weltgeschehen

Im Rückblick hat sich offenbar alles ganz folgerichtig entwickelt. Da waren erst die Gelegenheitsgedichte zu Geburtstagen und zu ähnlichen Anlässen. Dann kam 1990 mit „Känn Zeit gehatt“ der erste und mit dem Goldenen Schnawwel gleich so erfolgreiche Schritt zum saarländischen Mundartwettbewerb, dem bis zum Ende des Wettbewerbs 1998 fast jährlich weitere Preise folgten.

Den ersten pfälzischen Preis errang sie in Dannstadt-Schauernheim mit „Schleidersitz“, und auch dort schlossen sich viele weitere an. In Bockenheim begann es 1997 mit dem 3. Platz für „Alt Eise“, im Folgejahr ging’s einen Platz höher mit „Brems-Sischdem“. Wieder ein Jahr später holte sie mit „Ameriga iss weit“ den ersten Sieg aus der Pfalz ins Saarland. Den vorläufig letzten pfälzischen ersten Preis errang sie 2015 beim Sickinger Wettbewerb im pfälzischen Wallhalben. Und beim saarländischen Mundartpreis 2017 stand sie wieder ganz oben auf dem Siegertreppchen mit „Wohin?“, ihrem Beitrag in der Sparte Lyrik.

Alltäglich nennt sie die Gedanken, die sie gern in Reimen zu Papier bringt, aber durchaus auch als reimloses Gedicht oder in Prosa. Gewiss, ihr Ausgangsmaterial findet sich oft im Alltag:

Szenen aus dem menschlichen Leben, selbst Erlebtes, Beobachtetes, beginnend bei der aufmerksam kritischen Selbstbeobachtung in Zweierbeziehungen und Familien – und vielleicht, aber das ist nicht sicher, beim großen Weltgeschehen innehaltend. Aber erst die Art, wie sie das alles wahrnimmt, hinterfragt, durchleuchtet, wertet und verarbeitet, wie sie Zusammenhänge herstellt, kritisch oder liebevoll, einfühlend oder distanziert, ironisch, karikierend, zuweilen auch rabenschwarz überspitzend, ohne dabei das Dichten als Kunst zu vernachlässigen, bringt an dieses Rohmaterial den für sie typischen, bestechend überzeugenden Schliff.

Die in Ludwigshafen erscheinende Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ kommentierte ihre Arbeit so: „Ihre Texte kreisen auf die eine oder andere Weise um die Kernfrage menschlicher Existenz. Sie reduzieren eher, sprechen alltäglich Erlebtes oder Gesehenes in knappen, Konkretes bezeichnenden Worten aus, fragen nach dem Sinn des Geschehens. Und zwar so, dass davor jede theoretisch konzeptionelle Selbsttäuschung verblasst. Die Mundart beweist hier einmal mehr, dass sie vieles direkter, ursprünglicher sagen kann als die Hochsprache.“

Nah am Leben

Obwohl sie durchaus auch in Schriftdeutsch schreibt, verbindet man sie doch weit überwiegend mit den Arbeiten, die sie in ihrer saarpfälzischen rheinfränkischen Mundart verfasst. Mundart ist für sie die Sprache, die ihr selbst am nächsten kommt und in der sie sich anderen Menschen näher fühlt, denen, über die, und denen, für die sie schreibt. Anders gesagt: Für sie ist ihre Muttersprache nah am Leben – die Sprache, in der sie sprechen lernte, die sie als „ihre“ Sprache spricht, in der sie denkt oder träumt.

Dem verbreiteten Missverständnis, Mundart eigne sich nur für Lustiges, liefert sie keinerlei Argumente. Aufgesetzte, zwanghaft dröhnende Fröhlichkeit müsste man vergebens bei ihr suchen. Ernst, nachdenklich und besinnlich, freilich auch heiter bis satirisch, vieles findet sich in ihrem Werk.

Ihr Bockenheimer Siegertext von 1998, „Ameriga iss weit“, ist eine autobiographische wehmütige Betrachtung zu Kinderträumen und dem, was die Zeit aus ihnen macht. Ihr dort ausgezeichnetes „Brems-Sischdeem“ ist der Lebensbericht einer Frau, die an entscheidenden Stationen ihres Lebens immer wieder ausgebremst wird, weil sie eine Frau ist. Leicht angepasst wanderte der Text unter dem Titel „D’wagglich Lääder“ sogar ins Repertoire der pfälzischen Liedermacherin Traudel Kern. Komisch und köstlich realistisch zugleich: Ihr „Selbschtgeschbräch uff’em Beifahrersitz“.
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Selbstverständlich sind zahlreiche Beiträge von Relinde Niederländer in Anthologien und Zeitschriften erschienen. Drei Bücher hat sie bis 2022 vorgestellt, und es ist wohl nicht zu erwarten, dass es dabei, etwa wegen nachlassender Freude am Schreiben, bleiben muss.

Peter Eckert