Grenzblickweg
Der Saargau ist bekannt für seine schönen Wanderwege, von denen viele inzwischen zu Traumschleifen Saar-Hunsrück geworden sind. Und nahezu jedes Jahr kommt eine neue dazu. Im Herbst 2015 wurde der Grenzblickweg als zwölfter Premiumwanderweg im Landkreis Saarlouis eröffnet.1 Dieser Weg hält, was er verspricht, in jeder Beziehung. Traumwandlerisch kann man auf ihm durch Wälder und über Felder stapfen, in natürliche Tunnel eintauchen, um gleich darauf unbemerkt Grenzen zu überschreiten und auf Höhen zu steigen, die, wenn das Wetter gut ist, einen grenzenlosen Weitblick bieten – bis in die Vogesen auf der einen und bis nach Luxemburg auf der anderen Seite.
Start und Ziel dieses deutsch-französischen Rundwegs ist die Kirche in Französisch Leidingen, gleich oberhalb geht es durch einen Wald nach Heiningen, das inzwischen zu Bouzonville gehört und auf französischer Seite Kooperationspartner dieser Traumschleife ist. Der Bürgermeister, Maire Barthélémy Lemal, sorgt ab und zu selbst mit seinem Traktor dafür, dass die Strecke über Wiesen und Felder gut zu gehen ist, und dabei hat er auch immer ein Auge auf die Beschilderung. Denn Traumschleifen müssen gut ausgezeichnet sein, das ist eine der Voraussetzungen. Und sie dürfen nur ganz wenige Asphaltpassagen haben – auch das erfüllt der deutsch-französische Grenzblickweg problemlos. Maire Lemal ist, wie Wolfgang Schmitt, der Ortsvorsteher auf deutscher Seite, mächtig stolz auf diese Traumschleife. Sie sei ein wunderbarer Beleg ihrer guten Zusammenarbeit.
Nur wer Grenzen überschreite, könne sie auch überwinden, sagt er und legt uns das Denkmal auf der Höhe zwischen Heiningen und Ihn besonders ans Herz. Dort oben wurden Schlachten geführt und Menschenleben vergeudet. Der Aufstieg auf diese Höhe wird mit einem wunderbaren Blick in die Weite belohnt. Und damit, dass es im nächsten Abschnitt dieses Weges nur noch bergab geht, über einen Feldwirtschaftsweg und durch Heckentunnel runter zum Ihner Weiher, einem idealen Ort für eine Rast, an dem selbstgezimmerte „Bänke der Sinne“ zu einer längeren Pause einladen – zumal dann schon gut der Hälfte des Grenzblickwegs geschafft ist. Wenn man noch Puste hat, kann man von dort aus eben noch einen Abstecher zum Sudelfels, einem Quellheiligtum, machen, bevor man ein kurzes Stück des Weges durch Ihn geht, um dann gleich wieder hoch auf die Felder zu steigen und über herrlich federnden Boden rüber zum Königsbruch wandern. Und dann auf der anderen Seite der Landstraße immer noch über Wiesen und Felder weiter nach Leidingen – zur Neutralen Straße, die spätestens seit Alfred Guldens Leidinger Hochzeit weit über die Grenzen unseres Grenzlandes bekannt ist, weil auf der einen Seite Deutschland und auf der anderen Frankreich ist. Links ab geht es durch Deutsch-Leidingen zum Grenzblickfenster hinter der Kirche.
Dort sind Michel und Marianne zu finden, de Gaulle und Adenauer und die Schlusspassage aus dem dreisprachigen Gedicht „Die Grenze“ von Alfred Gulden aus dem Jahre 1979 – und zwar jeweils auf Moselfränkisch und in der offiziellen Landessprache.
Tja, was hat die Grenze da verloren? Das fragt der Lyriker und Filmemacher Alfred Gulden nicht nur in diesem Gedicht, sondern auch in vielen anderen seiner Werke.
Die Grenze mitten auf der Gasse überschreiten wir auf dem Weg zurück zum Start- und Zielpunkt an der französischen Kirche, die vom Garten der deutschen aus schon gut zu sehen ist. Ob wir sie dabei aber auch überwinden? Auf dieser Traumschleife fällt das spielend leicht.(Ulli Wagner) ZITAT