Saarwellingen

 

Im Saarland und darüber hinaus ist Saarwellingen bekannt vor allem wegen seiner Altweiberfastnacht am Fetten Donnerstag: den „Greesentag“, was so viel heißt wieTag der alten Weiber“, gibt es schon seit fast 400 Jahren.

Am 28. Februar 2008 war die Gemeinde Tagesgespräch, als nach einem Grubenbeben im Abbaubereich Primsmulde Trümmer vom Turm der Kirche Sankt Blasius und Martinus auf die Straße stürzten. Proteste gegen die Grubenschäden führten zum vorzeitigen Ende des saarländischen Kohlebergbaues.

Zusammen mit den Ortsteilen Reisbach und Schwarzenholz – auch sie traditionsreiche Standorte des Steinkohlebergbaues – hat die Großgemeinde Saarwellingen heute rund 13 200 EinwohnerInnen. Arbeitsplätze finden diese vor allem in der Stahlindustrie, der metallverarbeitenden Industrie, der Automobilindustrie und im Handwerk. In der Gemeinde selbst produzieren eine Schokoladenfabrik und Zulieferer für Automobilhersteller. 

Auch Saarwellingen und seine Ortsteile haben eine bewegte Geschichte. Kelten, Römer und Franken herrschten hier. Den Kelten verdankt der Fluss, die Prims, seinen Namen; der Ortsname Wellingen oder Wellinga geht auf eine fränkische Siedlung zurück. Im Mittelalter gehörten Saarwellingen, Reisbach und Schwarzenholz zu unterschiedlichen Herrschaften. Einer der Feudalherren, die von den Abgaben der Bauern in dieser Gegend lebten, war zu Beginn des 13. Jahrhunderts Ritter Boemund von Saarbrücken, der Erbauer der Burg Dagstuhl. Später gehörte Saarwellingen teils den Grafen von Nassau-Saarbrücken, teils den Grafen von Crichingen (Créhange) im Herzogtum Lothringen.

Die Entvölkerung im Zuge des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) fangen später Zuwanderungen aus Lothringen, Schwaben, dem Elsass, Belgien, Dänemark und Tirol teilweise wieder auf. Nach der Besetzung durch französische Revolutionstruppen wird das Gebiet 1795 ins Saar-Département der Französischen Republik eingegliedert. Nach der Niederlage Napoleons I. fällt es 1815 an Preußen und gehört ab 1871 zum Deutschen Kaiserreich. Bald darauf geht es wieder hin und her: Nach dem Ersten Weltkrieg werden Saarwellingen, Reisbach und Schwarzenholz mit dem Saargebiet von Deutschland abgetrennt, 1935 rückgegliedert, nach dem Zweiten Weltkrieg ein Teil des autonomen Saar-Staates und 1957 ein Teil des Bundeslandes Saarland in der Bundesrepublik Deutschland.

Jüdischer Friedhof

Jüdischer Friedhof. Foto: I. Plettenberg

Die bewegte Geschichte spiegelt sich nur noch in wenigen historischen Gebäuden oder Stätten. Das 1766 unter den Grafen Wied erbaute Barockschloss ist heute Rathaus; der zerstörte historische Torbogen wurde 2003 wieder angebaut. Das ehemalige Zweigwerk der Dynamit Nobel AG mit seinen Bezügen zur NS-Diktatur und Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg ist heute ein schickes Wohnhaus mit Lofts in einem Viertel strahlend neuer Eigenheime. Der jüdische Friedhof abseits der Donaustraße ist heute der Stille Ort, als den ihn die Gemeinde einmal angelegt hat. Man kommt mit einem Schlüssel hinein, der in einem Nachbarhaus aufbewahrt wird. Außer der Inschrift auf dem von der Gemeinde errichteten Mahnmal erinnert nur ein Grabstein noch lesbar an „uns(ere). Lieben, déportiert und im KZ umgekommen“.

Barockschloss, heute Rathaus

Ehem. Barockschloss, heute Rathaus. Foto: I. Plettenberg

Bezüge der Gemeinde zur Literatur sind selten, aber vorhanden. So wirkte der Barockdichter Johann Michael Moscherosch (1601-1669) drei Jahre lang in Saarwellingen: 1631 bis 1634 als Hof- und Rentmeister bzw. Amtmann des Reichsgrafen Peter Ernst von Crichingen. Mindestens acht Sagen und Geschichten der Sammlung des Volks- und Heimatkundlers Karl Lohmeyer beziehen sich auf Saarwellingen und seine Umgebung.

Mit Forschungen zur Geschichte der Gemeinde und ihrer Ortsteile sind besonders Klaus Meyer (1931-2013) und Alois Prediger (geb. 1951) hervorgetreten. Seit 2017 kümmern sich Hans Peter Klauck (geb. 1949) und Wilhelm Kessler (geb. 1952) um das Gemeindearchiv und haben seitdem 5 Bände zur Geschichte Saarwellingens herausgebracht. Einige Jahre ihres Lebens verbrachten Pierre Séguy (1921-2004), nach dem Zweiten Weltkrieg von der französischen Militärverwaltung eingesetzter Sendeleiter bei Radio Saarbrücken und späterer Experte für französisches Chanson, und seine Frau Irmengard Peller-Séguy (1919-2019), Schauspielerin, Autorin und Filmrealisatorin, in Saarwellingen.

In der Gemeinde geboren und aufgewachsen ist die Gegenwartslyrikerin Vera Hewener; sie lebt und schreibt heute in Püttlingen im Stadtverband Saarbrücken.

Skulptur Paul Schneider mit Text von Erich Fried

Skulptur Paul Schneider mit Text von Erich Fried. Foto: I. Plettenberg

Abseits vom Geschehen im Dorf, an der Einfahrt zum Gelände der Firma Waffen-Bellmann (vormals Polizei-Schießstand), versteckt in einem Gestrüpp von Brennnesseln und Brombeerranken, können Wandernde dem Dichter Erich Fried (1921-1988) begegnen. Worte aus dessen Werk hat der saarländische Bildhauer Paul Schneider in eine 1986 an diesem Ort errichtete Steinskulptur gemeißelt; im Künstlerlexikon Saar des Instituts für Aktuelle Kunst in Saarlouis erscheint sie unter dem Titel „Findling mit dem polierten Granitband“. Die Zeilen stammen aus Erich Frieds Gedicht „Die Zeit der Steine“ (IP)  ZITAT