Günter Navky

geb. 8. Sept. 1956 in Quierschied, gest. 7. Dez. 2006

Foto: Reiner F. Oettinger, SR

Der früh verstorbene Erzähler, Lyriker und Literaturwissenschaftler Günter Navky hinterlässt ein relativ schmales Werk, das aber bei literarischen Insidern hohe Anerkennung erfährt. Des Saarlands prominentester Autor Ludwig Harig hat den Schriftsteller früh gefördert, der Kulturjournalist Christoph Schreiner zählt Navky zu den bedeutendsten Schriftstellern der Region und bedauert, dass er von viel zu wenigen wahrgenommen wurde.

Günter Navky, seit einer Rückenmarksoperation im Kleinkindesalter querschnittsgelähmt, wächst auf im Quierschieder Ortsteil Fischbach, er macht auf der Abendschule das Abitur nach, beginnt 1983 ein Fernstudium in Wirtschaftswissenschaft, studiert in Saarbrücken Literatur- und Sprachwissenschaft und Kunstgeschichte, promoviert 2003 zum Dr. phil. Die Doktorarbeit über Aspekte des Nationalsozialismus in der Lyrik erscheint als Buch im St. Ingberter Röhrig-Verlag. Während des Studiums wohnt er auf dem Uni-Campus, dann im Nauwieserviertel in Saarbrücken. 1981 erscheint im Dillinger Queißer-Verlag seine erste literarische Buchveröffentlichung, der Prosaband „Das Zimmer“; später findet Navky in der Lyrik seine eigentliche Form. Er stirbt im Alter von 50 Jahren.

Zum Schreiben kommt Günter Navky mit 16 Jahren, angeregt durch die Lektüre von Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“. Später besucht er eine von Ludwig Harig geleitete Literaturwerkstatt der VHS Saarbrücken. Navkys Texte finden Anerkennung bei prominenten saarländischen Schriftstellerkollegen, die versuchen, ihn in seiner literarischen Karriere zu fördern. Ludwig Harig begleitet Navkys erstes Buch, den Erzählungsband „Das Zimmer“ von 1981, mit einem Vorwort. Er hat die Texte lektoriert und schreibt dazu: Die „rigorose grammatische Aktivität eines doppelt gelähmten Autors ist es, diese Quierschieder Beharrlichkeit, diese Dickköpfigkeit der Wampen [?], und nicht eigentlich seine kuriosen regionalen sprachlichen Eigenheiten, die mir selbst die zärtlichsten, die scheinbar unschädlichsten redaktionellen Eingriffe verbieten“. Navkys Impuls zum Schreiben deutet Harig so: „Günter Navky ist zwar ein in sein Zimmer Ein- und von der übrigen Welt Ausgeschlossener, aber ein Mensch mit dem Willen, dieses Ein- und Ausgeschlossensein durch eine existentielle Tat zu überwinden, zu sich selbst und zu den anderen zu kommen, mit Hilfe einer im wortwörtlichen Sinne kommunikativen Handlung, nämlich mit dem Schreiben.“ So behandelten die Erzählungen denn auch „allesamt die Bedingungen und Lebensumstände des Autors“.

1984 nutzt Ludwig Harig die Gelegenheit eines Artikels in der Wochenzeitung „Die Zeit“, den Autor Günter Navky, dessen zweiter Erzählungsbandes „Der Landläufer“ soeben erschienen ist, überregional vorzustellen. Hier heißt es: „Schreibend bewegt er sich vorwärts, sein Schreiben ist sein aufrechtes Gehen.“

Auch „Der Landläufer“ wird begleitet vom Nachwort einer etablierten Schriftstellerin, der saarländischen Kunstpreisträgerin Felicitas Frischmuth. Sie macht deutlich: „Sein besonderes Thema ist aber zugleich auch ein allgemeines Thema. Wo ist der Ort des Menschen? Wie kann er leben? Was passiert zwischen den Menschen? Wie können sie sich verständigen, auch wenn sie nicht reden können? Das geht jeden an.“

1996 erscheint im Blieskasteler Gollenstein-Verlag Navkys erster Gedichtband, „In einem Café fällt die Zeit ins Haar“. Für die Saarbrücker Autorin und Literaturwissenschaftlerin Karin Lorenz-Lindemann, die das Nachwort schreibt, ist Günter Navky „eine der Stimmen, die nun aufhorchen lassen“ im Chor der bundesdeutschen Lyrik, den vorliegenden Band nennt sie „ein Buch poetischen Eigensinns“: „Die Gedichte konzentrieren sich auf ein Thema mit Variationen: Was geschieht, wenn scheinbar nichts mehr geschieht?“. Und als künstlerische Mittel des Lyrikers Günter Navky benennt sie: Verdichtung auf wenige Situationen und ein hohes Maß an Konzentration auf in Variationen wiederkehrende Bilder. ZITAT

Trotz der Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen gelingt Navky der Durchbruch auf die literarische Bundesebene nicht, und auch im Saarland wird ihm keine breite Anerkennung zuteil. Bei den professionellen Beobachtern der Literaturszene ist er aber auch nach seinem Tod nicht vergessen.

Christoph Schreiner, Kulturredakteur bei der „Saarbrücker Zeitung“, veröffentlicht 2007 in den „Saarbrücker Heften“ persönliche Erinnerungen an Günter Navky. Und er schreibt: „Was sein schmales Werk prägte, war die Genauigkeit der Beobachtung, war die Tiefe der Empfindungen, war das Würdigen des Schlichten, Vertrauten.“ Den Rang seiner Literatur habe ausgemacht, dass Navkys äußerste Behutsamkeit und scheinbare Absichtslosigkeit die Möglichkeit eröffne, „vordergründig Unbedeutendem tiefe Geltung zu geben“.

Der Literaturwissenschaftler Dirk Walter, der 2013 in einem Vortrag ein Gedicht von Günter Navky einer eingehenden Interpretation unterzieht, hebt die Sparsamkeit der Mittel, den Minimalismus der Form lobend hervor. (files.melusine-literatur.org)
Auch wenn alle Interpreten auf Navkys Behinderung Bezug nehmen, stellen sie doch klar, dass er kein Autor von naiver Betroffenheitsliteratur ist, sondern dass er aus seiner existenziellen Situation heraus Allgemeingültiges geschaffen hat. (RP)