Hildegard Driesch

geb. 19. Sept. 1954 in Dillingen-Pachten

Ein geschärftes Bewusstsein für Sprache, die großen, auffälligen Unterschiede ebenso wie feine Nuancen, entwickelt sie früh: Dass die Oma in Oberschwaben anders klingt als der moselfränkische Opa in Britten im Merziger Land, beide anders als das moselfränkische Pachten und „offizielles“ Hochdeutsch.

Ob Mundart oder Schriftdeutsch: Schreiben unabhängig von Pflicht und Routine gehört für Hildegard Driesch zu den lebensbegleitenden Selbstverständlichkeiten. Das wird früh sichtbar, als das Schulkind nicht nur „privat“, sondern selbst für Hausaufgaben – gelangweilt von schlichter Prosa – manchmal die Gedichtform wählt. Ein solches Werk („Milet o Milet, du wirst zerstört…“), will ihr Lehrer, der bekannte Musikpädagoge Alfons Sibille, sogar vertonen.Es bleibt beim Plan, aber solche Aufmerksamkeit macht Mut.

Ernster wird es, als ihre Tante Gretel Fischer, selbst eine der bekanntesten Mundartautorinnen dieser Jahre, sie unter ihre Fittiche nimmt. An deren Lesungen „muss“ sie sich beteiligen und Texte der Tante wie auch selbst verfasste vortragen. 2021 gibt Hildegard Driesch einen Band mit Dokumenten zu und Texten von Gretel Fischer heraus.

Weitere entscheidende Anstöße gibt der 1979 bis 1998 ausgetragene Saarländische Mundartwettbewerb mit Preisen 1987 und 1989 sowie 1990 mit dem erstmals vergebenen „Goldenen Schnawwel“. Bis 1997 folgen vier „ehrenvolle Erwähnungen“ (das Reglement schließt den mehrmaligen Gewinn des Goldenen Schnawwels aus), zudem ein Preis beim Literaturwettbewerb des Landkreises Neunkirchen. Erfolge im neuen Jahrtausend bringt auch der neue Saarländische Mundartpreis: 2003 die Völklinger Platt und 2007 und den Wendalinusstein als ersten Preis der Sparte Kurztext. Sie spricht also nicht von sich, wenn sie in dem Gedicht  „Armer Künschdla“ sagt: „Mein Talent es unbekannt“. ZITAT

Schon früh wird sie in der saarländischen Mundartszene als feste Größe wahrgenommen und daher eingeladen zu Veranstaltungen der über mehrere Jahre von SR3 Saarlandwelle mit örtlichen Trägern organisierten „Saarländischen Mundarttage“. Eine erste Auswahl ihrer Gedichte bringt die Anthologie „Mund-Art – Die Kunst der Volkssprache“. Es folgen weitere Anthologien und Zeitschriften sowie 1995 ein Gemeinschaftswerk mit Marlies Böhm.

Das Mundartsymposium 1998 in der Bosener Mühle wird eine besonders wichtige Station. Zwar kann sie im November 2000 nicht bei der Gründung der Bosener Gruppe mitwirken, ihre sofortige Berufung steht aber außer Frage.

Der Grundton ihrer Texte entspricht ihrem freundlichen Wesen, aber ihr Harmoniebedürfnis ist nicht unbegrenzt. Ihre Bücher von 2005 und 2019 zeigen ein breites Themenspektrum: persönliches Umfeld, Erinnerungen, Sprache, Jahreslauf, Natur, Heimat diesseits und jenseits der Grenze, Spielerisches, Skurriles und, da sie bekennt: “Ich bin ein fürchterlich ernsthafter Mensch”, auch Religion und Kirche, Geschichte, Politik und Zeitgeschehen (u.a. Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs, Adolf Benders Moorsoldaten-Bilderzyklus aus den KZs Börgermoor und Esterwegen oder Chinesischer Frühling und sein blutiges Ende).

Ihr 2019  erschienenenes Buch „Mir glääwen noch ant Kreschdkinnjen“ widmet sich Weihnachten und der Winterzeit. Und unbedingt soll auch erwähnt sein, dass sie mehrmals Mundartgottesdienste mit eigenen moselfränkischen Glanzpunkten bereichert hat.

Ihre Ankündigung, nach 51 Schreibe-Jahren „den Bleistift aus der Hand zu legen“, hat sie nachweislich nicht wahr gemacht. Dem „Schreiberglück“ – wie sie es nennt – sind demnach auch künftig keine unnötigen Grenzen gesetzt.

Peter Eckert